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# taz.de -- Dekarbonisierung in Deutschland bis 2050: Wohnen, reisen und essen …
> Dekarbonisierung ist möglich. In einigen Bereichen ist die nötige Technik
> schon da, in anderen braucht es noch Innovation – oder Verzicht.
Bild: Öko ist was anderes: ein Elektroporsche
## Wohnen: nur mit Ökoenergie
Klimaneutrales Wohnen ist schon heute ohne jeden Komfortverlust möglich –
das beweisen Passivhäuser, die ihre benötigte Energie komplett selbst
erzeugen. Was bisher noch eine große Ausnahme ist, muss bis zum Jahr 2050
zur Regel werden. Wie das gehen kann, wird in diversen Szenarien
beschrieben.
Der Strom, der in Häusern und Wohnungen verbraucht wird, stammt dann
komplett aus erneuerbaren Energien – oft aus Solarzellen auf dem eigenen
Dach oder Balkon. In Kombination mit Batterien können sich Haushalte damit
zumindest im Sommerhalbjahr weitgehend selbst versorgen. Licht wird nur
noch von LEDs erzeugt, auch andere Elektrogeräte sind deutlich effizienter
als heute, so dass der Strombedarf von Haushalten weiter sinkt.
Auch aus dem Netz kommt in der Zukunft zu 100 Prozent Ökostrom; wichtigste
Produzenten sind Wind- und Solarparks. Damit es auch bei Flaute und
Dunkelheit Strom gibt, sind Speicher notwendig. Neben Batterien eignen sich
für kurzfristige Speicherung Pumpspeicherkraftwerke, die Wasser in hoch
gelegenen Becken pumpen und später über Generatoren wieder ablassen, oder
Druckluftspeicher, bei denen Luft in unterirdische Kavernen gepresst wird;
der Druck treibt später eine Turbine an.
Für längere Speicherung setzen die meisten Prognosen darauf, überschüssigen
Strom zur Herstellung von Wasserstoff oder Methan zu nutzen und diese Gase
später in Brennstoffzellen oder Kraftwerken in Strom zurückzuverwandeln.
Dabei geht zwar viel Energie verloren, doch bei einem entsprechend großen
Angebot an Ökostrom ist es sinnvoll.
Zum Heizen wird in Zukunft nur ein Bruchteil der heutigen Energie benötigt
– dank besserer Dämmung und veränderter Architektur, die direkte
Sonneneinstrahlung nutzt. Daneben stammt die Energie aus Sonnenkollektoren
auf dem Dach oder aus Wärmepumpen, die Erdwärme nutzen. Auch nachwachsende
Rohstoffen wie Holzpellets spielen eine Rolle – allerdings ist das
ökologisch nutzbare Potenzial begrenzt. Daneben kann überschüssiger Strom
zum Heizen genutzt werden, indem Wasser elektrisch erhitzt wird. Damit
Wärme, die während der Herbststürme produziert wird, im Winter genutzt
werden kann, sind allerdings große Speicher notwendig. Das System eignet
sich darum besonders für Haushalte, die zentral über Fernwärmeleitungen
versorgt werden.
## Reisen: weniger und elektrisch
Deutlich schwieriger gestaltet sich die Dekarbonisierung des Verkehrs. In
den letzten zehn Jahren hat der CO2-Ausstoß in diesem Bereich in
Deutschland sogar zugenommen. Damit er bis zum Jahr 2050 auf null sinkt,
sind weitreichende Veränderungen notwendig. Alle Szenarien gehen davon aus,
dass private Fahrten mit dem Auto deutlich zurückgehen müssen. Möglich
werden soll das durch eine Ausweitung von Bussen und Bahnen sowie bessere
Infrastruktur für Fußgänger und Fahrräder; deren Nutzung wird durch
zunehmende Elektroantriebe noch attraktiver.
Der verbleibende Autoverkehr, der oft in Form von Carsharing organisiert
ist, läuft ebenso wie Busse in Zukunft ausschließlich mit Elektromotoren.
Angetrieben werden diese von Batterien oder Brennstoffzellen – beide
Techniken sind bereits verfügbar. Der benötige Strom beziehungsweise
Wasserstoff stammt in Zukunft vor allem aus Wind- und Solaranlagen;
aufgeladen werden die Batterien nicht nur an Ladesäulen, sondern auch per
Induktion auf öffentlichen Parkplätzen oder in Straßen. Verbrennungsmotoren
– auch mit Agrosprit – haben in Pkws keine Zukunft.
Denn Diesel und Ethanol aus Pflanzen, die wegen Flächenkonkurrenz mit
Nahrungsmitteln und ökologischer Probleme nur begrenzt zur Verfügung
stehen, werden anderswo gebraucht: etwa beim Güterverkehr. Dort ist eine
Verlagerung von Lkws auf die künftig komplett mit Ökostrom betriebene Bahn
nämlich nur begrenzt möglich. Und auch Elektromotoren sind bei Lkws mit den
bisher verfügbaren Technologien allenfalls auf kurzen Strecken praktikabel.
Auch beim besonders klimaschädlichen Flugverkehr ruht die Hoffnung der
Branche auf Kerosin aus Pflanzen. Doch praktikable Lösungen gibt es bisher
kaum. Das Herstellungsverfahren ist aufwendig, der Flächenverbrauch wäre
gewaltig. Eine Alternative könnten fetthaltige Algen als Grundstoff sein,
doch dieses Verfahren ist noch nicht ausgereift und sehr teuer. Gleiches
gilt für die Herstellung von künstlichem Kerosin mit Hilfe von Ökostrom.
Elektromotoren werden in Flugzeugen bisher nur als Ergänzung zu Turbinen
erprobt.
Sofern es keine großen technischen Durchbrüche gibt, wird eine
Dekarbonisierung des Flugverkehrs darum nur mit einer deutliche Reduzierung
von Flügen gelingen. Und die wird nur über den Preis gelingen.
## Essen: Fleisch weg, Bio her
Auch im Bereich der Landwirtschaft wird sich Klimaneutralität nur durch
einen veränderten Konsum erreichen lassen. Denn eine wichtige Quelle von
Treibhausgasen im Agrarbereich ist die Tierhaltung – und daran lässt sich
auch nicht grundsätzlich etwas ändern. Im Magen von Rindern entsteht
unweigerlich das besonders wirksame Treibhausgas Methan. Aus tierischer
Gülle entweichen klimaschädliche Stickstoffverbindungen. Für die
Futtermittel-Produktion werden Regenwaldflächen gerodet und mit
energieintensiv hergestellten Düngemitteln Futterpflanzen angebaut. Die
Erzeugung eines Kilogramms Rindfleisch ist darum so klimaschädlich wie ein
100-Kilometer-Flug pro Person.
Zwar wird derzeit erforscht, inwiefern sich der Ausstoß durch andere
Futtermittel und neue Rassen verringern lässt. Doch wirklich reduzieren
lässt sich die vor allem durch eine Verringerung des Verzehrs von
tierischen Produkten. Politische Maßnahmen, um eine solche Entwicklung zu
erreichen, sind bisher allerdings nicht geplant. Erleichtert werden könnte
der Prozess dadurch, dass es für zahlreiche Fleischprodukte inzwischen
vegane Alternativen gibt, die kaum vom Original zu unterscheiden sind –
etwa aus Soja.
Die zweite Änderung, die die Klimabilanz der Landwirtschaft erheblich
verbessern könnte, ist der Wechsel zu mehr Ökoanbau. Denn dabei verzichten
die Bauern auf mineralischen Stickstoffdünger, wodurch die Ackerböden weit
weniger klimaschädliches Lachgas freisetzen. Zudem verzichten Biobauern auf
importierte Futtermittel, die ebenfalls eine schlechte Klimabilanz haben.
Und im Boden reichert sich bei ökologischer Bewirtschaftung mehr Humus an,
was CO2 aus der Atmosphäre bindet und so den Klimawandel bremst. Bis zum
Jahr 2020 will die Bundesregierung den Flächenanteil der Biolandwirtschaft
von derzeit 6,4 auf 20 Prozent steigern – doch das kann nur ein
Zwischenschritt sein. Auch beim konventionellen Ackerbau soll es strengere
Vorgaben geben, in welcher Menge, wann und wie Dünger auf die Felder
gebracht werden darf.
Daneben kann die Landwirtschaft ihre Klimabilanz dadurch verbessern, dass
Grünland nicht in Ackerland umgebrochen wird – denn dabei wird viel im
Boden gespeicherter Kohlenstoff freigesetzt. Auch eine weniger intensive
Forstwirtschaft sowie der Erhalt und die Wiedervernässung von Mooren sorgen
für die Bindung von Treibhausgasen.
12 Dec 2015
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
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