# taz.de -- Speicherung von Klimagas: CO2 versteinert schneller als gedacht | |
> Wenn man CO2 unterirdisch speichert, wird es schneller zu Stein als | |
> bisher angenommen. Ein Durchbruch beim Kampf gegen die Erderwärmung? | |
Bild: Ein Problem: Wo es viel Basalt zur Speicherung gibt (hier: jordanische W�… | |
BERLIN taz | Es klingt wie ein Zaubertrick: Klimaschädliches Kohlendioxid | |
wird unter die Erde gepumpt und verwandelt sich dort in Stein. Einen großen | |
Fortschritt meldet jetzt eine internationale Forschergruppe aus Island. | |
Ihr sei es gelungen, schreiben sie in [1][einem aktuellen Artikel in der | |
Zeitschrift Science], das CO2 in einer wässrigen Lösung in Basaltgestein zu | |
pressen, wo es in weniger als zwei Jahren versteinert und dadurch sicher | |
gelagert werden kann. Durch die Medien geistert schon das Wort von einem | |
„technologischen Durchbruch“, der die umstrittene Lagerung von Kohlendioxid | |
(CCS) salonfähig machen könnte. | |
„Wir stellen fest, dass sich über 95 Prozent des injizierten CO2 in weniger | |
als zwei Jahren mineralisiert“, schreibt das Team um den Geowissenschaftler | |
Juerg Matter von der Universität in Southhampton. „Das Resultat | |
widerspricht der allgemeinen Annahme, dass die Fixierung von CO2 als | |
Karbonmineralien in geologischen Lagerstätten einige Hunderttausend Jahre | |
braucht“, so Matter. Eine langfristige sichere Lagerung des | |
menschengemachten CO2 könne viel schneller gehen. | |
Die Forscher haben in Island, 25 Kilometer östlich der Hauptstadt Reykjavik | |
und gleich neben dem Geothermiekraftwerk Hellisheidi, das „Carbfix“-Projekt | |
betreut: Seit 2012 haben sie 250 Tonnen CO2 in Wasser gelöst und in | |
Basaltgestein 400 bis 800 Meter unter der Oberfläche gepresst. Das Kalzium, | |
Magnesium und Eisen im Gestein bildet mit dem Kohlendioxid ein festes | |
Karbonat, haben sie durch Tests festgestellt – und dadurch, dass eine Pumpe | |
aus dieser Region mit Kalk verstopft war. | |
## Ein Problem: der Wasserverbrauch | |
Der Vorteil dieses Verfahrens: Das Klimagas CO2 wird so gebunden. Beim | |
Carbon Capture and Storage, dem CCS, wird das aus Abgasen abgeschiedene | |
Klimagas lediglich in Gestein gepresst. Kritiker fürchten, dass es später | |
wieder austritt, was die neue Methode verhindert. | |
„Wir könnten große Mengen CO2 hinabpumpen und in sehr kurzer Zeit sicher | |
lagern“, heißt es aus dem Team. Man könne daran denken, die Technik an | |
Kraftwerken einzusetzen, wo im Boden Basalt lagert – und das sei auf etwa | |
zehn Prozent der Erdoberfläche der Fall. Die Kosten für die Versteinerung | |
des Klimaproblems liegen außerdem nach Angaben der Wissenschaftler mit 30 | |
Dollar pro Tonne weit unter den 130 Dollar, die CCS von gasförmigem CO2 | |
kostet. | |
Bei deutschen Wissenschaftlern überwiegt allerdings die Skepsis, ob diese | |
Ergebnisse einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Klimaproblems | |
leisten. „Man braucht pro Tonne CO2 mindestens 25 Tonnen Wasser“, sagt Axel | |
Liebscher, CCS-Experte vom GeoForschungszentrum Potsdam. Für eine Million | |
Tonnen CO2, „die Untergrenze einer industriellen Anwendung“ müsste so viel | |
Wasser zur Verfügung stehen, dass es Basaltvorkommen am Meer brauche, um | |
knappes Trinkwasser zu sparen. | |
## Geht das überhaupt in der nötigen Größenordnung? | |
Außerdem seien große Basaltvorkommen vor allem in Sibirien, Indien oder dem | |
Nordwesten der USA bekannt – Regionen, in denen kaum CO2-Emissionen | |
entstehen. „Man könnte natürlich CO2 wie Öl um die Welt schicken oder es im | |
Meeresboden speichern, der praktisch überall aus Basalt besteht“, so | |
Liebscher. Das aber würde das Verfahren viel teurer machen. | |
Auch Franz May sieht in der Basaltlagerung keinen Durchbruch. Er leitet den | |
Bereich CO2-Speicherung bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und | |
Rohstoffe. Bisher sei nicht bewiesen, ob die Technik in einer Größenordnung | |
verfügbar sei, die am Klimawandel etwas ändern könnte. Der Mensch bläst | |
durch die Verbrennung von Rohstoffen jährlich etwa 35 Milliarden Tonnen CO2 | |
in die Luft. | |
„Um da Effekte zu erzielen, bräuchten wir um den Faktor 1.000 größere | |
Kapazitäten, als wir sie bisher bei CCS haben“, so May. „Das wäre eine | |
Wahnsinnsinfrastrukur.“ Die Ergebnisse aus Island seien interessant, weil | |
sie zeigten, dass die Versteinerung des CO2 wesentlich schneller gehen | |
könne als gedacht. „Aber ein Durchbruch ist das nicht“, meint May. „Es w… | |
keine Wunderwaffe gegen den Klimawandel geben.“ | |
15 Jun 2016 | |
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[1] http://science.sciencemag.org/content/352/6291/1312 | |
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