# taz.de -- Klimakonferenz in Bonn: Eine langsame Gradwanderung | |
> 195 UN-Länder diskutieren die Zukunft des Klimaschutzes: Das | |
> 1,5-Grad-Ziel ist kaum zu erreichen, wenn nicht sofort gehandelt wird. | |
Bild: Malediven: Wird es heißer, müssen die Stelzen noch höher werden | |
BONN taz | Der Slogan ist im Konferenzzentrum von Bonn allgegenwärtig: Auf | |
den himmelblauen Dekorationen der UNO steht: „Wir beschleunigen den | |
Klimaschutz!“ Endlich, so die Planer des UN-Klimasekretariats, soll Schluss | |
sein mit den jahrzehntelangen Verzögerungen. Aber nach zwei Wochen | |
Verhandlungen von 2.000 Delegierten aus 195 Staaten und trotz guter | |
Stimmung ist am Ende des Treffens klar: Das bleibt ein frommer Wunsch. | |
Vor allem gilt das für das zentrale Ziel von Paris: Den Klimawandel bis | |
2100 auf „deutlich unter 2 Grad Celsius“ zu begrenzen und „Anstrengungen … | |
unternehmen“, 1,5 Grad zu erreichen. Für die vielen anderen Ziele – 100 | |
Milliarden Dollar jährlich für arme Länder, technische Hilfe, Ausbau der | |
Erneuerbaren – gibt es Arbeitsaufträge für die nächsten Jahre. Aber die | |
1,5-Grad-Grenze, von der alle reden, „ist eigentlich nicht umzusetzen, das | |
wissen auch alle“, so ein Verhandler, der lieber anonym bleiben will. | |
„Die Wissenschaft sagt uns, dass das sehr schwierig wird“, meint auch Tosi | |
Mpanu Mpanu aus der Demokratischen Republik Kongo und Vorsitzender der | |
Ländergruppe der am wenigsten entwickelten Staaten (LDC). Vor allem diese | |
Länder hatten zusammen mit den Umweltgruppen in Paris auf „One point Five“ | |
gedrängt – ohne diese Zahl wäre das Abkommen wohl so gescheitert wie | |
Kopenhagen 2009. | |
Die Politiker, die sich in Paris vor den Kameras für die 1,5 Grad feiern | |
ließen, sind nicht in Bonn. Statt 3.500 Journalisten sind nicht einmal 100 | |
angereist. Und die Verhandler müssen zusehen, wie sie die 1,5 Grad jetzt | |
irgendwie umsetzen. | |
## Eigentlich unmöglich | |
Die Aufgabe ist so gut wie unmöglich. Beim jetzigen Verbrauch ist „unser | |
Budget an Kohlenstoff für 1,5 Grad in weniger als zehn Jahren | |
aufgebraucht“, sagt der Klimaökonom Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut | |
für Klimafolgenforschung. Bill Hare, Experte von „Climate Analytics“, hat | |
errechnet, dass sich die Emissionskurve „so schnell wie möglich, aber auf | |
jeden Fall in den nächsten Jahren“ abflachen muss, wenn das Ziel noch | |
politisch möglich sein soll. Da ist schon eingerechnet, dass ab 2050 über | |
„negative Emissionen“ der Kohlenstoff wieder aus der Luft gefiltert werden | |
muss: Die Hälfte könnte der weltweite Wald liefern – „aber dann muss die | |
Entwaldung gestoppt werden“, so Hare. Die andere Hälfte müsste aus der | |
Industrie abgeschieden und irgendwo gespeichert werden – sehr umstritten | |
bei Umweltschützern. | |
So eng dieser Zeitplan der Wissenschaftler ist, so langsam sind die | |
Verhandlungen: 2018 soll der UN-Klimarat einen Bericht dazu vorlegen, was | |
das 1,5-Grad-Ziel bedeutet. Im selben Jahr wollen die Staaten das erste Mal | |
über die Klimapläne reden, die sie in Paris vorgelegt haben – und die | |
umgesetzt die Welt bis 2100 auf fast 3 Grad aufheizen würden. Und wirklich | |
ernst soll es mit schärferen Plänen erst 2023 werden – da wären dann | |
endgültig die zehn Jahre um und das 1,5-Grad-Ziel außer Reichweite. | |
In Bonn kennt jede Delegierte und jeder Verhandler diese Zahlen. Einen | |
Ausweg hat niemand. Auch nicht die Umweltgruppen, die hier NGOs | |
(Non-Governmental Organisations) heißen. Sie sitzen immer wieder auf der | |
Bühne des kleinen Pressesaals „Nairobi III“ unter dem himmelblauen Slogan | |
„We’re accelrating climate action“. Ihre Ideen: schnelles Ende der | |
Klimakiller-Chemikalie HFC, Obergrenzen auch für Flugzeuge und Schiffe, ein | |
Ende der Kohle in den G-7-Ländern. | |
## Auch NGOs fehlt echter Plan | |
Aber: „Auch wir NGOs haben keinen echten Plan, wie wir zu 1,5 Grad kommen | |
können“, sagt Manfred Treber für das Climate Action Network. „Alle Wege, | |
die bislang dafür diskutiert werden, sind sehr umstritten.“ Damit meint er | |
vor allem BECCS, die Verbrennung von Biomasse und Speicherung des daraus | |
folgenden CO2 – es würde die umstrittene unterirdische Lagerung bedeuten | |
und möglicherweise weltweit die Wälder bedrohen. | |
Die Klimaverhandlungen rutschen in eine absurde Situation: Sie streben | |
offiziell und mit riesigem weltweiten diplomatischen Aufwand ein Ziel an – | |
1,5 Grad – , für das sie viel zu langsam sind. Es bleibt die Hoffnung, dass | |
die Welt sich schneller verändert, und es gibt optimistische Signale: Der | |
weltweite Ausstoß von CO2 ist in den letzten Jahren nicht gestiegen, die | |
Investoren ziehen sich aus der Kohle zurück und stecken ihr Geld in | |
regenerative Energie aus Wind und Sonne. | |
„Wir müssten sofort anfangen, noch ist Zeit,“ sagt Bill Hare. Man könne a… | |
erprobte Techniken setzen: „Stromversorgung ohne Kohle, höhere Effizienz | |
bei Industrie und Haushalten, Umstellung auf Strom im Verkehr.“ | |
Aber es gibt jenseits des futuristischen Glaspalasts am Bonner Rheinufer | |
eben auch andere Tendenzen: Die globalen Temperaturen klettern schnell, | |
2016 könnte bereits 1,3 Grad Celsius wärmer sein als der historische | |
Durchschnitt – und wenn die Kohle nur billig genug wird, könnten Investoren | |
sie in Ländern wie Vietnam und Türkei weiter ausbauen. | |
In Bonn präsentierte sich auch die neue UN-Klimachefin Patricia Espinosa. | |
Ihr Credo für den Erfolg zeigt, wie wichtig die externen Einflüsse sind: | |
„Die Regierungen schaffen es nicht allein.“ | |
26 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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