# taz.de -- Malu Dreyer über Flüchtlinge: „Wir denken alle Menschen mit“ | |
> Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, hat eine klare | |
> Haltung zu Flüchtlingen: Sie werde sich nicht zum Populismus hinreißen | |
> lassen. | |
Bild: Glaubt an Feminismus, Rot-Grün und an attraktive, gebildete Männer in i… | |
taz: Frau Dreyer, im kommenden März sind in Rheinland-Pfalz Landtagswahlen. | |
Als Person schneiden Sie in Umfragen weitaus besser ab als Ihre | |
Konkurrentin Julia Klöckner, die Spitzenkandidatin der CDU. Aber die SPD | |
liegt klar hinter der CDU. Für die derzeitige rot-grüne Regierungskoalition | |
in Rheinland-Pfalz sieht es schlecht aus. | |
Malu Dreyer: Ich bin optimistisch: Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass die | |
Menschen lieber eine SPD-geführte Landesregierung haben wollen als eine | |
CDU-geführte. Bei der Wahl wird es darum gehen, welche Partei, welche | |
Spitzenkandidatin und welches Programm die Menschen überzeugender finden. | |
Es ist das erste Mal in der deutschen Geschichte, dass zwei Frauen um das | |
wichtigste Amt in einem Bundesland konkurrieren. Was haben Sie für ein | |
Verhältnis zu Frau Klöckner? | |
Ja, das ist so, aber das sollte man auch nicht überhöhen. Dass es immer | |
wieder so thematisiert wird, zeigt eigentlich, dass in Sachen | |
Gleichberechtigung noch Luft nach oben ist. Zu Frau Klöckner habe ich ein | |
sachliches Verhältnis. | |
Gehen Sie beide manchmal zusammen ein Glas Wein trinken? | |
Nein. | |
Falls es am Ende für Rot-Grün nicht reicht: Kommt für Sie eine Große | |
Koalition infrage? | |
Nein. Ich bin davon überzeugt, dass es am Ende für Rot-Grün reicht. Dafür | |
kämpfen wir. Das sieht der grüne Koalitionspartner genauso. Wir wollen die | |
Regierung fortsetzen in dieser Konstellation. Die hohen Werte der | |
Zufriedenheit mit der Landesregierung machen uns hier zuversichtlich. | |
Wäre eine rot-rot-grüne Regierung in Rheinland-Pfalz denkbar? | |
Nein. | |
Die Flüchtlingssituation spielt im Wahlkampf der CDU in die Hände. Julia | |
Klöckner profiliert sich derzeit als Hardlinerin. Wie wollen Sie | |
dagegenhalten? | |
Ich werde mich nicht zum Populismus hinreißen lassen. Ich und meine | |
Regierung haben eine klare Haltung zum Thema Flüchtlinge: Wir haben die | |
Erstaufnahmekapazitäten drastisch ausgebaut. Menschen, die nicht bleiben | |
dürfen, werden zurückgeschickt. Menschen, die bleiben dürfen, integrieren | |
wir schnell. Dabei denken wir immer alle Menschen mit. Integration | |
funktioniert nur, wenn der Zusammenhalt gewahrt wird und alle Menschen | |
Chancen bekommen. Frau Klöckner ändert ihre Meinung gerne mal. Ich habe | |
aber meine Überzeugungen und darauf können sich die Bürger verlassen. Diese | |
habe ich gerade gestern auf dem SPD-Bundesparteitag wieder deutlich | |
gemacht. | |
Ach ja? Ihre Regierung lässt heute aber mehr Menschen abschieben als noch | |
vor einem halben Jahr. | |
Das ist ja kein Wunder, wir haben heute schließlich Zehntausende | |
Flüchtlinge mehr. Unser Prinzip bleibt aber gleich: Wir setzen darauf, dass | |
die Menschen freiwillig in ihre Heimat zurückkehren. Diejenigen, die nicht | |
freiwillig ausreisen, gehen dann eben mit Zwang. Damit sind wir | |
erfolgreich. Die Zahl der Rückführungen aus Rheinland-Pfalz liegt | |
inzwischen sogar über der Zahl der abgelehnten Asylbescheide. Das liegt nur | |
daran, dass die meisten Betroffenen freiwillig gehen. | |
Kann man bei den Wählern im Moment mit einer liberalen Haltung in der | |
Flüchtlingspolitik punkten? | |
Es gibt Fragen, die sind so grundsätzlich, dass es sich verbietet, auf | |
Umfragewerte zu schauen. | |
Werden Sie versuchen, das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten, um Ihre | |
Gegenkandidatin nicht zu stärken? | |
Ich sehe nicht, dass das Thema der Gegenkandidatin hilft. Im Moment ist nur | |
eine einzige Sache klar: dass die AfD hier Aufwind bekommt. Wir hatten noch | |
nie ein Klima in Deutschland, in dem so leichtfertig Stimmung gegen | |
Flüchtlinge und Ausländer gemacht wurde wie heute. Deswegen sollten alle, | |
die Politik machen, ihre Worte und ihr Auftreten sorgfältig prüfen. | |
Werden Sie im Wahlkampf an Podiumsdiskussionen und Fernsehsendungen | |
teilnehmen, bei denen auch Vertreter der AfD auftreten? | |
Nein. Das werde ich nicht machen. Die AfD ist im letzten Jahr deutlich nach | |
rechts gerutscht, ihr Gründungsmitglied Hans-Olaf Henkel bezeichnet sie | |
sogar als Monster. Ich werde mich nicht mit AfDlern aufs Podium setzen. | |
Das wohl umstrittenste Projekt Ihrer Regierung ist die Hochmoselbrücke. Sie | |
verbindet zwei Fernstraßen und zerschneidet dafür ein Flusstal mit | |
Weinhängen. Viele Bürger lehnen das Projekt noch immer kategorisch ab. | |
Die Bürger sind zu Recht insgesamt kritischer geworden und möchten stärker | |
mitbestimmen – gerade bei großen Projekten, die über viele Jahre geplant | |
werden. Es gab in der Planungsphase massenhaft Beteiligung. Jetzt ist das | |
Projekt im Bau, und wenn schon zig Pfeiler stehen, kann man nicht sagen: | |
Jetzt stellen wir die Entscheidung noch mal infrage. Das geht nicht. | |
Was bringt Bürgerbeteiligung, wenn die Regierung am Ende ihre Pläne | |
durchzieht, obwohl die Bevölkerung vor Ort dagegen ist? | |
Bürgerbeteiligung hat den Sinn, seine Meinung zu äußern und dann vielleicht | |
auch in einem Abwägungsprozess erklärt zu bekommen, dass sich die Regierung | |
aus bestimmten Gründen anders entschieden hat. Und dann müssen wir unsere | |
Entscheidung irgendwann auch treffen. Es gibt ja nicht nur die, die noch | |
mehr mitreden wollen. Es gibt auch die, die fragen: Was ist denn jetzt | |
eigentlich? Hü oder hott? | |
Aus Rheinland-Pfalz wandern immer mehr Junge ab. | |
Nennen Sie mir bitte ein Bundesland, wo junge Leute nicht in die | |
Ballungsräume ziehen und zum Studium nicht auch in die Welt gehen. Wichtig | |
ist aber: Wenn sie sich entscheiden, wegzugehen, sollten wir ihnen auch | |
gute Möglichkeiten geben, wieder zurückzukommen. Es gibt kein anderes | |
Bundesland, in dem Kindertagesstätten kein Geld kosten und Vereinbarkeit | |
von Familie und Beruf so großgeschrieben wird. Und es gibt kein Bundesland, | |
wo man so gut alt werden kann wie bei uns. | |
Na ja. Ihr Land hat ein Imageproblem. Gerade Frauen denken bei | |
Rheinland-Pfalz an Männer wie Rainer Brüderle. | |
Ich glaube, das ist eher der Hauptstadtblick. Es gibt hier sehr attraktive, | |
gut gebildete, tolle Männer, wie in allen anderen Bundesländern auch. | |
Wie kommen Sie als Feministin denn mit Sigmar Gabriel zurecht? | |
Gut. | |
Ist er ein Feminist? | |
Das kann man vielleicht nicht sagen. Aber wer genauer hinschaut, sieht | |
viele SPD-Frauen in ganz aktiven Positionen. Wir haben Bundesministerinnen, | |
zwei Ministerpräsidentinnen, eine Parlamentarische Geschäftsführerin und | |
eine Generalsekretärin. Sigmar Gabriel hat als Parteivorsitzender dafür | |
gesorgt, dass Frauen die Chance haben, in solche Positionen zu kommen. | |
Eine Parteivorsitzende oder eine Kanzlerkandidatin gab es in der SPD aber | |
noch nie. Da ist sogar die CDU weiter. Warum tun sich die Sozialdemokraten | |
mit Frauen an der Spitze so schwer? | |
Wie gesagt, wir haben bereits viele Frauen an der Spitze. Aber es muss | |
immer auch Frauen geben, die sagen: Ich mache das und ich dränge in diese | |
Position. In so einem Fall gäbe es in der SPD viele, die das sofort | |
unterstützen würden. | |
Die Partei könnte auch eine Doppelspitze einführen. Ein entsprechender | |
Vorschlag für den Parteitag stößt aber auf Widerstand: Die | |
Antragskommission empfiehlt den Delegierten, mit Nein zu stimmen. | |
Eins muss man vielleicht klarstellen: Man muss nicht für die Doppelspitze | |
sein, wenn man dafür ist, dass Frauen in gute Positionen kommen. Das eine | |
schließt das andere ja nicht aus. | |
Sie sind also gegen die Doppelspitze? | |
Ich finde den Vorschlag interessant, aber die SPD ist nicht mit der | |
Doppelspitze groß geworden. Ich fände es gut, dieses Instrument erst einmal | |
auf Stadtverbandsebene auszuprobieren, um Erfahrungen damit zu sammeln. Am | |
Ende würde ich dann die Frage stellen, ob das zu unserer Partei passt. | |
11 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
Anja Krüger | |
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