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# taz.de -- Kommentar Lage der SPD: Zu viele Tänzchen
> Die Sozialdemokraten wollen es allen recht machen: Arbeitern,
> Studienräten – und der CDU. Doch Stimmen holen sie damit nicht.
Bild: Musste eine Schlappe bei der Wiederwahl einstecken: SPD-Chef Sigmar Gabri…
Politik kann sehr unfair sein. Die SPD macht ja viel richtig in dieser
Regierung. Sie hat wichtige Reparaturen am Sozialstaat durchgesetzt, siehe
Mindestlohn und Rente mit 63. Der SPD-Außenminister agiert ruhig und
besonnen, wenn man den übereilten Syrien-Einsatz mal beiseite lässt.
Neben CDU und CSU, die sich in der Flüchtlingspolitik gegenseitig
demütigen, wirken die Sozialdemokraten im Moment bestechend professionell.
Warum lieben die Wähler die SPD nicht?
Wie betoniert liegt die SPD in den Umfragen bei 25 Prozent. Weder ihre
Erfolge in der Koalition zahlen bei den Sozialdemokraten ein, noch ihre
Coolness, auf offenen Grenzen in Europa zu bestehen. Die SPD ist gefangen
in der Stagnation, die Gründe dafür sind komplex und vielschichtig.
Da wäre zunächst ein ausgeprägter Hang zur Selbstzerstörung. Man kann ja
von Sigmar Gabriel halten, was man will. Aber dass ein Parteitag den
einzigen Chef, der weit und breit in Sicht ist, ohne Not demütigt – das
würde der CDU nie passieren. Ausnahmsweise streitet sich mal die
konservative Konkurrenz, und [1][die SPD-Linken verpassen ihrem
Vorsitzenden einen 74-Prozent-Denkzettel]. Manchmal würde man sich von
Linken etwas mehr Machtbewusstsein wünschen.
## Unscharf Diffuses
Dann kämpft die SPD mit einem Dilemma, das schwer zu lösen ist. Sie
verkauft ein- und dieselbe Politik an Wähler, die wenig miteinander gemein
haben. Keine andere Partei versucht so unterschiedliche Milieus
anzusprechen wie die SPD. Da wäre der schlecht bezahlte Wachschützer, der
Konkurrenz im Job fürchtet, seine Miete gerade so zahlen kann und sich über
angeblich faule Hartz IV-Empfänger ärgert.
Am anderen Ende des SPD-Spektrums steht die verbeamtete Oberstudienrätin.
Sie kann auf eine gute Pension hoffen, hilft ab und zu im Flüchtlingsheim,
die Tochter studiert in Barcelona. Für den einen sind Flüchtlinge eine
Bedrohung. Für die andere sind sie eine Chance. Sigmar Gabriels SPD will
für die Mitte da sein, für das linksliberale Bürgertum. Aber eben auch für
kleine Leute, die an der Armutsgrenze leben. Sie versucht, es allen recht
zu machen.
Der Eindruck, der dadurch entsteht, hat etwas unscharf Diffuses, was durch
die Impulsivität des Chefs noch verstärkt wird. Aber eine Politik, die in
der Grauzone liegt, ist nicht zwangsläufig schlecht. In der
Flüchtlingspolitik zum Beispiel gelingt Gabriel eine interessante Balance.
Die SPD verteidigt das Grundrecht auf Asyl und offene Grenzen in Europa,
also den Wert des Schengen-Abkommens. Aber Gabriel sagt dazu, der Zuzug
müsse sich verlangsamen – auch, wenn ein SPD-Parteitag gerne anderes hören
würde.
## Scheitern am Spagat
Diese Position mögen Linke kritisieren, aber darin finden sich viele
Menschen in Deutschland wieder. Der Wachschützer, die Oberstudienrätin,
aber auch der gestresste Bürgermeister, der nicht mehr weiß, wo er die
Menschen unterbringen soll. Leider scheitert die SPD oft an ihrem
intellektuellen Spagat.
Gabriels SPD möchte für ein solidarisches Europa kämpfen, trägt aber den
rigiden Sparkurs mit, der einer Generation in Südeuropa die Zukunft
zerstört. Der SPD-Vorsitzende besteht auf Investitionen für Integration und
Bildung, lehnt aber Steuererhöhungen für Reiche ab, weil er Gegenwind
fürchtet. Auch mit den beiden Asylpaketen hatte die SPD-Fraktion kein
Problem, obwohl fast nur Unfug darin steht.
Solche Widersprüche entstehen, wenn man es sich mit den Eliten nicht
verscherzen will, den Wirtschaftsverbänden, den Konzernchefs, dem
konservativen Bürgertum. Gabriels SPD tanzt zu viele Tänzchen der Union
mit. Dabei ist wichtig, dass die SPD seit 2002 vor allem links Wähler
verloren hat – die Gründe sind bekannt. Der Vertrauensverlust durch die
Agenda-Politik und die Hartz-Reformen war so immens, dass er die Partei
noch viele Jahre beschäftigen wird.
Das ängstliche Schielen auf eine gefühlte Mitte wird auf Dauer nicht
helfen. Um sichtbarer zu werden, muss die SPD ihr Profil neben der CDU
links konturieren. Sonst bleibt sie im 25-Prozent-Turm hocken, den sie sich
selbst gemauert hat.
11 Dec 2015
## LINKS
[1] /Gabriel-auf-dem-SPD-Parteitag/!5257005/
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
SPD
Sigmar Gabriel
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Schwerpunkt Flucht
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Kanzlerkandidatur
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Schwerpunkt Artenschutz
Syrien-Intervention
Malu Dreyer
CDU
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