# taz.de -- Reptilienmesse in Hamm: Illegal gefangen, legal verkauft | |
> Auf der Terraristika in Hamm werden am Samstag wieder Echsen, Spinnen und | |
> Schlangen verkauft. Viele der Reptilien sind Schmugglerware. | |
Bild: Manch ein gefangenes Reptil endet irgendwann im Tierheim – wie dieser… | |
BERLIN taz | Sandra Altherr hat Hausverbot. Sie darf die Terraristika nicht | |
besuchen, die weltweit größte Reptilienmesse, die am 12. Dezember im | |
nordrhein-westfälischen Hamm stattfindet. Weil sie für die | |
Wildtierschutzorganisation Pro Wildlife arbeitet? Der Veranstalter Frank | |
Izaber weist die Frage rüde ab: „Ich möchte darüber nicht sprechen.“ | |
In den Hammer Zentralhallen werden an diesem Wochenende Hunderte Händler | |
Tiere in Plastikboxen und Glaskästen anschleppen, teils verkaufen sie ihre | |
Ware auch schon aus dem Kofferraum heruas. Altherr beobachtet das Geschäft | |
sehr genau und würde es am liebsten einstellen. | |
„Dubios ist der Handel mit seltenen Fängen aus der Wildnis“, sagt sie. Zum | |
Beispiel der Borneo-Taubwaran – etwa 50 Zentimeter lang, kleine Augen, | |
brauner Körper mit kurzen Beinen und zahlreichen Schuppen. Auf der | |
südostasiatischen Tropeninsel lebt Lanthanotus borneensis am liebsten im | |
Verborgenen. Auf der Reptilienbörse ist er ein Star. | |
## Je exotischer, desto teurer | |
„BW“ bietet Exemplare im Internet „for Hamm“ an, „serious inquiries o… | |
Eine „ernsthafte Anfrage“ kann teuer enden: Sammler zahlen bis zu 3.000 | |
Euro für ein Paar. Mitte 2014, als die Tiere erstmals in den Foren | |
auftauchten, waren es sogar 10.000 Euro. Das Neue sei die „Blaue Mauritius“ | |
der Reptilienwelt, sagt Altherr. Dieses Prinzip - je exotischer, desto | |
teurer - bedroht die seltensten Arten des Planeten. | |
Eigentlich dürfte der Borneo-Taubwaran gar nicht auf den deutschen Markt | |
kommen. Fang und Export sind in seinem Heimatland verboten. Von | |
„organisierter Kriminalität“ spricht denn auch Altherr. Reptilienhändler, | |
die mit den Raritäten Millionen umsetzten, knüpften Kontakte mit | |
Einheimischen, die die Tiere fangen. Kuriere brächten die Ware in kleinen | |
Päckchen im Flugzeug außer Landes. Das sei billiger als die schuppigen | |
Wesen zu züchten. | |
Freilich begnügt sich das Gros der etwa 800.000 Terrarienbesitzer, die es | |
laut dem Verband der Industrie für Heimtierbedarf gibt, mit Arten, die | |
nicht bedroht sind. Doch auch Dietrich Jelden vom Bundesamt für Naturschutz | |
sagt: „Wir beobachten, dass der Handel mit Tieren, die nur in ihrem | |
Ursprungsland geschützt sind, zunimmt.“ Die Übergabe finde oft im Umfeld | |
der Börsen wie in Hamm statt, auf dem Parkplatz, im Hotel nebenan. | |
So kommen Baumschleichen oder Nashorn-Agamen aus Ländern wie Mexiko, | |
Guatemala oder Sri Lanka hierher. Sind sie einmal außerhalb ihres | |
Herkunftslandes, dürfen sie in Europa frei verkauft werden. - wenn sie | |
nicht zusätzlich unter dem Schutz eines internationalen Vertrages wie des | |
Washingtoner Artenschutzübereinkommens Cites stehen. Das tun der | |
Borneo-Taubwaran und etwa 90 Prozent der bekannten Reptilien nicht. | |
Trotzdem: „Für das Überleben der Art kommt es auf jedes Exemplar an“, mei… | |
Altherr. | |
## Instrumente gegen den Schmuggel gibt es kaum | |
Bislang könnte man nur die Kuriere stoppen. Doch das kommt nicht oft vor. | |
Darum findet Artenschützerin Altherr, die EU müsse sich die USA zum Vorbild | |
nehmen. Dort gilt seit 1900 der Lacey-Act, nach dem es grundsätzlich | |
untersagt ist, mit Tieren zu handeln, die aus kriminellen Machenschaften | |
kommen. Knapp 160 Wissenschaftler und Naturschützer unterstützen Altherr | |
bereits, sie haben einen gemeinsamen Aufruf an den zuständigen EU-Kommissar | |
Karmenu Vella geschickt. | |
In ihrem Koalitionsvertrag schreiben auch Union und SPD: „Importe von | |
Wildfängen in die EU sollen grundsätzlich verboten“ und „gewerbliche | |
Tierbörsen für exotische Tiere untersagt“ werden. Die Sozialdemokraten | |
bekäftigen das in einem Positionspapier von Mitte Juni. Darin fordern sie | |
zudem „die Einführung einer Positivliste für Tiere, die in Deutschland | |
legal gehalten werden dürfen“. | |
Tier- und Artenschützern wäre damit schon ein wenig geholfen. Bisher ist | |
die private Haltung extoischer Tiere nicht ausreichend geregelt: In der | |
Hälfte aller Bundesländer gibt es keine gesetzlichen Vorgaben: eine | |
Erlaubnis ist nicht nötig, auch kein Nachweis, dass man weiß, wie ein Tier | |
zu versorgen ist. | |
Vor ein paar Jahren entfloh einem Mühlheimer eine giftige Monokelkobra aus | |
seinem Terrarium. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk suchten tagelang. Das | |
Tier verendete dann in einer Falle, der Halter zahlte 100.000 Euro für den | |
Einsatz. Das sind die spektakulären Fälle. | |
Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, beschäftigt aber | |
vielmehr das Unspektakuläre: „Viele kaufen ein Reptil auf Börsen wie in | |
Hamm, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Es kann aufwändig und teuer sein | |
kann, ein Reptil zu halten“, sagt er. Mit einem Standardterrarium sei das | |
kaum getan. Deshalb hätten die mehr als 700 Tierschutzvereine seit 2010 | |
rund 30.000 Reptilien aufgenommen - auch oft, ohne dafür geschult zu sein. | |
Das Bundesagrarministerin hat im März ein Studie ausgeschrieben,Titel: | |
„Haltung exotischer Tiere und Wildtiere in Privathand: Situationsanalyse, | |
Bewertung und Handlungsbedarf insbesondere unter | |
Tierschutzgesichtspunkten“. Ende 2016 soll sie fertig sein. Bis zu neuen | |
Regelungen ist es dann noch weit. Erst muss sie ausgewertet werden. Und | |
dann kommt 2017 schon die Bundestagswahl. | |
Altherr glaubt nicht, dass sich so schnell etwas tut. Derweil macht sie | |
schon einen neuen Trend aus: Sugar Glider. Die Flughunde aus Indonesien | |
gibt es schon ab 80 Euro. Oder Berberaffen: 400 Euro. | |
11 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
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