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# taz.de -- Parteitag der SPD: Aus der Reserve gelockt
> Katarina Barley ist kompetent, kämpferisch und kommunikativ. Die SPD
> wählt sie auf dem Parteitag zur neuen Generalsekretärin.
Bild: Muss bald ihre Partei möglichst überzeugend vertreten: die desgnierte S…
Berlin taz | Die schlanke Klinge in ihrer Hand, grazil fast, aber mit
scharfer Spitze, scheint möglich. „Ich bin die Frau neben Sigmar Gabriel,
die eher das Florett führt“, sagt Katarina Barley von sich. Es ist eine
elegante Waffe, die die künftige Generalsekretärin der SPD sich zum Bild
für ihre Kampfkunst gewählt hat. Fechter müssen das Florett schnell führen,
reflexartig die Stöße des Gegners parieren, ausweichen, die nächste Aktion
des Gegenübers durchschauen, sie taktisch nutzen und dann präzise mit der
Spitze der Klinge auf den ungeschützten Rumpf stoßen. Punkt.
Anfang November hatte SPD-Parteichef Sigmar Gabriel sie gefragt, ob sie den
Posten als Generalsekretärin übernehmen würde. Barley war überrumpelt, dass
er ausgerechnet sie fragt. Wer rechnete außerdem damit, dass die bisherige
Generalsekretärin Yasmin Fahimi als Staatssekretärin zu Andrea Nahles ins
Arbeitsministerium wechselt? Katarina Barley fühlte sich geehrt, dass die
Parteioberen sie für den strategischen Topjob ausgeguckt hatten. Zwei Tage
hat sie überlegt und mit ihrer Familie das Für und Wider abgewogen,
Bedenken gewichtet und für zu leicht befunden. „Meine Familie hat mir
zugeraten“, sagt Barley, Jahrgang 1968. Ihr jüngerer Sohn ist 12 Jahre alt,
der ältere studiert mit 19 Jahren schon.
„Ich habe Respekt vor dem Umfang der Aufgabe“, sagt sie, die Unterarme auf
dem Tisch, die Hände ruhig übereinandergelegt, einen zarten golden
verschlungenen Ring am Ringfinger der rechten Hand: „Den Laden
zusammenhalten, sich um die Basis kümmern, die Politik je nach Anlass
einordnen.“
Die Metapher des Floretts ist nicht originell, aber sie passt. Im Gespräch
nimmt Barley ein Argument auf, debattiert, hat eine Idee, erinnert sich an
eine Anekdote, findet eine humorige Wendung und kommt zu ihrem Argument,
mit dem sie das Gespräch führt und ihren Punkt setzt. Sie bleibt beim
Thema, denkt zusammen, was zusammengehört, und kommt von der Gefahr der AfD
für SPD, CDU/CSU und Linke über die Angst der Menschen vor dem sozialen
Abstieg zur Analyse des Wahlkampfs in Rheinland-Pfalz und der Rhetorik der
dortigen CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner in der Flüchtlingsfrage.
„Klöckner hat keinen inneren Kompass“, sagt Barley und verliert einen
Moment ihre fast britisch anmutende Contenance.
Barleys Wahlkreis liegt in Trier, also in Rheinland-Pfalz, und die
Anbiederung von Klöckner an den islamophoben und rassistischen rechten Rand
findet Barley gleichermaßen abstoßend wie beängstigend.
Beängstigend sind in gewisser Weise auch die denkbaren Auswirkungen der AfD
auf die Wählerschaft der SPD. Die Partei kann sich mit momentan 25 Prozent
der Stimmen bei der Bundestagswahl 2017 keine Verluste leisten. Barley muss
also die nächsten eineinhalb Jahre damit verbringen, die Story der SPD so
gut zu verkaufen, dass mehr Leute ihr Kreuz bei den Sozialdemokraten
machen. Dem Gefühl der Angst, das die AfD anheizt, wird Barley etwas
entgegensetzen müssen, das irgendwo tief im SPD-Markenkern aus sozialer
Gerechtigkeit und Chancengleichheit schlummert. Das konnten die Genossen
bislang nicht überzeugend vermitteln, so wie beim Mindestlohn. „Das ist ein
historischer Erfolg – da dürfen wir uns nicht unter Wert verkaufen“, sagt
Barley.
## Sie bewundert Malu Dreyer
Barley postet auf Facebook von ihrem Besuch in einer Realschule und dem
Geschenk ihres „Berliner Teams“ zum Geburtstag – ein Wahlplakat von 1972
und Willy Brandt mit dem Slogan „Siege kann man machen“. In der
persönlichen Begegnung wirkt sie auch nach Stunden der politischen
Diskussion lässig, eine professionelle Kommunikatorin, die sich erst hinter
verschränkte Arme im schwarzen Blazer zurückzieht, als sie von der
Menschlichkeit und Liebenswürdigkeit von Malu Dreyer erzählt und unumwunden
zugibt, die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz dafür zu bewundern.
Katarina Barley wendet sich ihrem Gesprächspartner zu, sie fragt nach und
überlegt, bevor sie etwas sagt. Berufspolitiker im Berliner
Regierungsviertel nutzen üblicherweise jede Gelegenheit, ihre Botschaft an
die Leute zu bringen. Sie reden so lange auf ihr Gegenüber ein, bis sie
dieses überzeugt zu haben glauben oder der Betroffene keine Zeit mehr hat.
Barley dagegen unterhält sich. Sie verzichtet auf floskelhafte
Kurznachrichten, wie sie manch einer ihrer Vorgänger vortrug, oder auf die
Faktendreherei zur Hebung des Angstpegels, wie es der CSU-Generalsekretär
Andreas Scheuer, der alten Schule der Nachkriegsparteistrategen verhaftet,
pflegt.
Katarina Barley kennt ihre Aufgabe, die sie ab Freitagmittag ausfüllen
wird, wenn die Delegierten auf dem SPD-Bundesparteitag sie zur neuen
Generalsekretärin gewählt haben. Und doch fehlt ihr jegliche Erfahrung
dafür, denn sie war ja noch nie Generalsekretärin. Der Posten gehört zu den
Jobs, in denen sich erst beim Machen zeigt, wie es geht. Es gibt keine
Berufsbeschreibung, keine Ausbildung dafür. Mit dem letzten männlichen
Vorgänger Hubertus Heil und ihren Vorgängerinnen Andrea Nahles und Yasmin
Fahimi hat Barley über den Job gesprochen. „Ich freue mich auf die Arbeit
im Willy-Brandt-Haus und gehe das ganz unvoreingenommen an“, sagt sie und
meint das nicht ironisch, auch wenn ihr Ironie als rhetorisches Stilmittel
sonst nicht fremd ist.
## Ein Karrieresprung
Der SPD gehört sie seit 1994 an, war im Vorstand des Ortsvereins
Trier-Nord, im Stadtverbandsvorstand und den anderen Gremien und
Arbeitsgemeinschaften, die Lokalpolitiker durchlaufen, wenn sie die
Parteiarbeit ernst nehmen. 2005 war sie die Topkandidatin der SPD für die
Landratswahl in Trier-Saarburg. Katarina Barley holte damals 44 Prozent der
Stimmen und war nun auch überregional bekannt. 2013 kam sie schließlich
über die Landesliste in den Bundestag. Innerhalb der SPD gehört sie der
Gruppierung der „Parlamentarischen Linken“ an.
Generalsekretärin ist parteipolitisch ein echter Karrieresprung, wenngleich
Barley schon eine Karriere als Juristin hinter sich hat. Die führte sie bis
zum Bundesverfassungsgericht, wo sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin
arbeitete. Barley sagt über sich, dass sie ein sehr pflichtbewusster Mensch
sei und gern inhaltlich arbeite. Als Neuling im Bundestag sicherte sich
Barley gleich von Beginn den inhaltlich bedeutsamen und gleichzeitig
strategischen Posten der Fraktionsjustiziarin.
Dem großen Vorsitzenden Gabriel aufgefallen ist Katarina Barley in
Rheinland-Pfalz, wo sie ihn auf Veranstaltungen getroffen hat. Sie feiert
gern, schätzt ein Glas Wein und trinkt auch mal einen kleinen Schnaps, ist
Mitglied in fünf Karnevalsvereinen, schließlich ist sie – als Tochter einer
Deutschen und eines Briten – in Köln geboren und aufgewachsen und sagt:
„Ich meine das ernst mit dem Humor.“
Auch Sigmar Gabriel hat seine Art von Humor, und Barley findet, dass sie
sich beide da gut treffen. Sie könne auch gut mit ihm reden. „Unsere Art
der Kommunikation ist sehr ähnlich: direkt, knapp und auf den Punkt
gebracht.“ Im Frühjahr hat sie ihm außerdem mit einem Vorschlag zu den
Handelsgerichten bei den TTIP-Verhandlungen aus der Bredouille geholfen.
## Frauen sollen mobiliisiert werden
Nur aus Sachkenntnis macht in Berlin niemand politische Karriere. Doch
Barley gehört zu der Reserve, die die SPD nun mobilisieren will: Frauen.
Innerhalb der Partei wurden Frauen bislang nicht gefördert; wer es
schaffte, biss sich durch. Gleichberechtigung lief bei der SPD auch im 20.
Jahrhundert als Nebenwiderspruch. Ein langjähriger SPD-Staatssekretär im
Arbeitsministerium war noch während der ersten Großen Koalition davon
überzeugt, dass Vollbeschäftigung in Deutschland herrschen würde, wenn
Frauen nicht arbeiteten. Angela Merkel war da bereits Bundeskanzlerin und
CDU-Vorsitzende.
Auch als Wählerschaft hat die SPD die Frauen bislang thematisch
vernachlässigt und mangels einer überzeugenden weiblichen Führungsfigur
auch nicht angesprochen, womit wir wieder beim erstgenannten Problem sind.
Da der SPD die Wähler entlaufen und das Personal schon auf der
Kommunalebene ausgeht, wollen die Parteioberen nun die Frauen aus der
stillen Reserve locken. Wirtschaftlich gesprochen sind Frauen das
ungehobene Asset, das die SPD nun an den Mann bringen will. Wie aus der SPD
zu hören ist, hat Gabriel daher ausschließlich nach einer Frau für den
Posten der Generalsekretärin gesucht. „Gabriel braucht eine starke Frau
neben sich in der Öffentlichkeit“, sagt Katarina Barley sachlich.
Von einer Doppelspitze auf Bundesebene hält sie dennoch nichts. Die SPD
habe schließlich kein strukturelles Problem, das den Aufstieg der Frauen an
die Spitze verhindere. Dann muss es an den Männern liegen. Fechten war
übrigens eine der ersten Sportarten, zu denen Frauen bei den Olympischen
Spielen der Neuzeit zugelassen waren. Ihre Waffe war von Anbeginn das
Florett.
10 Dec 2015
## AUTOREN
Ulrike Fokken
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