# taz.de -- Spitzenpolitikerin Barley auf Twitter: Gegen grassierende Politikve… | |
> Die SPD-Generalsekretärin Katarina Barley diskutiert auf Twitter | |
> ausführlich mit den Bürgern. Auch mit Trollen. Warum tut sie sich das an? | |
Bild: „Politiker haben oft nur im Kopf, was sie senden wollen“, sagt Barley… | |
BERLIN taz | Wer der SPD-Generalsekretärin [1][auf Twitter folgt], wird den | |
Eindruck nicht los, die Frau habe mitunter zu viel Zeit. Neulich, am | |
Sonntag zum Beispiel. Da schreibt Katarina Barley elf Tweets an Leute, die | |
sie aggressiv beschimpfen. Sie antwortet den Trollen, statt sie zu | |
ignorieren. | |
Barley, 47, gut 3.300 Follower, widerspricht zum Beispiel sexistischer | |
Häme, die auf die neue Weinkönigin von Trier zielt, die aus Syrien stammt. | |
Sie kritisiert gewalttätige Hooligans und geißelt linke Prügler als | |
„hirnlos“. Als ein Nutzer ihre Geduld mit Hetzern lobt, schreibt sie | |
zurück: „Wenn solche Aussagen unwidersprochen bleiben, werden sie | |
Normalität.“ | |
Dazu muss man sagen: Generalsekretärin der SPD zu sein, ist wirklich kein | |
Teilzeitjob, eigentlich hat Barley freie Sonntage nötig. Sie ist die Chefin | |
des Willy-Brandt-Hauses, sie bereitet den Bundestagswahlkampf vor, | |
gleichzeitig sitzt sie im Parlament. Ihre Tage sind dicht getaktet. | |
Warum unterhält sich eine Spitzenpolitikerin im Dauerstress mit völlig | |
Unbekannten, die sie beschimpfen? „Wir Sozialdemokraten sagen, wir müssen | |
nah bei den Menschen sein“, sagt Barley. „Tja, dann muss man es auch | |
machen.“ Auf Trolle, die nur rumstänkerten, reagiere sie übrigens nicht. | |
Sie sei ja nicht masochistisch veranlagt. | |
Barley steht in ihrem Büro im Willy-Brandt-Haus aus der Sitzecke auf. Es | |
ist stickig, sie regelt die Klimaanlage ein paar Grad herunter. Ein | |
Gespräch über Chancen des Diskurses im Netz ist verabredet, vielleicht auch | |
eines über seine Grenzen. | |
## Freundlich im Ton, klar in der Sache | |
Barley ist erst seit gut einem halben Jahr auf Twitter aktiv. In ihrem | |
ersten Tweet gratulierte sie dem SPD-Urgestein Hans-Jochen Vogel zum 90. | |
Geburtstag, im Februar war das. Seitdem hat sie knapp 650 Kurznachrichten | |
geschrieben, maximal 140 Zeichen, mehr passt nicht rein. Sie hat die | |
irritierende Angewohnheit, mit BürgerInnen wirklich zu diskutieren. Sie | |
reagiert auch auf absurde Anwürfe. Freundlich im Ton, klar in der Sache. | |
Barley ist damit eine Ausnahme. Twitter, wo sich Politiker, Journalisten | |
und netzaffine Bürger tummeln, ist ein Marktplatz der Eitelkeiten. Der | |
Dienst verführt zum flotten Witz, zu Häme und zum Selbstmarketing. Für | |
ernsthafte Streite taugt Twitter eigentlich nicht. Aber Barley probiert es | |
immer wieder, mal mit mehr Resonanz, mal mit weniger. | |
Meist ist ihr abgegriffenes iPhone 6 stumm geschaltet, der Sitzungen wegen, | |
erzählt sie. Aber wenn sie zwischendurch Ruhe hat, etwa bei Autofahrten, | |
scrollt sie durch ihre Timeline und tippt los. Die Reaktionen sind | |
gemischt: Ein User kritisiert, sie gebe den Verschwörungswichteln eine | |
Plattform. Ein anderer bewundert ihre Ausdauer in scheinbar unnützen | |
Dialogen. Oft klingt Verblüffung durch. | |
„Wie kommt Ihre Kommunikation aus Ihrer Sicht an?“ Sie mache die Erfahrung, | |
dass wütende Leute am Ende wohlwollend antworteten, antwortet sie. | |
Glaubt sie wirklich, jemanden zu überzeugen? „Keine Ahnung. Aber oft habe | |
ich zumindest das Gefühl, ein Nachdenken ausgelöst zu haben.“ | |
## „Die Verachtung für Politiker nimmt zu“ | |
Aber die Kosten-Nutzen-Relation ist doch gleich null? Einige Parteifreunde | |
hielten ihre Twitterei tatsächlich für vergebliche Liebesmüh, sagt sie. | |
Aber: „Die Verachtung für Politiker nimmt zu.“ Dagegen wolle sie angehen. | |
Barley spricht ruhig, überlegt und unverstellt, ihr rutschen wenig Stanzen | |
in die Sätze. Im Netz schlägt ihr oft Verachtung entgegen. Die Agenda 2010, | |
die Hartz-Reformen – Sozialdemokraten bekommen bis heute den massiven | |
Vertrauensverlust durch die marktliberalen Reformen zu spüren. | |
Barley, so will es ihr Amt, lobt natürlich die aktuelle Regierungspolitik, | |
etwa wenn sie darauf hinweist, dass die SPD dem Innenminister 3.000 neue | |
Bundespolizisten in den Haushalt verhandelt hat. Bei ihr gehen | |
Diskussionen, anders als bei anderen Politikprofis, oft in die zweite oder | |
dritte Runde, wenn sie Feedback bekommt. | |
Barley hat dabei die SPD-Basis im Blick. Nach Twitter-Gefechten schrieben | |
sie oft Sozialdemokraten an, erzählt sie. „Sie sagen, gut, dass eine steht | |
und Kontra gibt.“ So kann man das auch sehen: Der Streit mit SPD-Hassern | |
als öffentliches Motivationsseminar. Barley glaubt, dass sie und ihre | |
KollegInnen die Distanz zu den Wählern verringern müssen. „Politiker haben | |
oft nur im Kopf, was sie senden wollen“, sagt sie. „Ich glaube, wir müssen | |
öfter auf Empfang stellen.“ | |
140-Zeichen-Tweets gegen Politikverdrossenheit, das mag man naiv finden. | |
Vielleicht fängt der Kampf um die Demokratie aber gerade im Kleinen an. | |
16 Aug 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/katarinabarley | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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