# taz.de -- Heim für minderjährige Flüchtlinge: Wegsperren ist auch nicht so… | |
> Der Petitionsausschuss der Bremischen Bürgerschaft berät über die Frage | |
> einer geschlossenen Unterbringung für straffällige jugendliche | |
> Flüchtlinge. | |
Bild: Wenn selbst Lothar Kannenberg mit seiner zupackenden Art nicht weiter kom… | |
BREMEN taz | Mit fremdenfeindlichen Parolen hatte das AfD-Mitglied Fritjof | |
Balz Stimmung gemacht gegen eine Einrichtung für minderjährige Flüchtlinge | |
in der Rekumer Straße. Letztlich erfolglos. Seit Oktober 2014 lebt dort in | |
der „Akademie Kannenberg“ in Bremen-Nord eine kleine Gruppe junger Männer, | |
die aus anderen Einrichtungen rausgeflogen sind, weil sie wiederholt die | |
Regeln missachteten. Gewalt, Drogen, Raubüberfälle: Diese Flüchtlinge – | |
fast alle ehemalige Straßenkinder aus Marokko – sind immer für eine | |
Schlagzeile gut. | |
Balz findet, dass man sie am besten gleich in den Knast stecken sollte. | |
„Die Unterbringungsstätten dieses Personenkreises bedarf einer besonderen | |
baulichen und strukturellen Form sowie Umgebung“, exakt so schreibt er in | |
einer Petition. Die wird am Freitag im Petitionsausschuss der Bremischen | |
Bürgerschaft behandelt. Sein Vorschlag: Die ehemalige Justizvollzugsanstalt | |
im Blockland. „Diese protektive Einrichtung soll dem Schutz der Bevölkerung | |
dienen sowie dem schwierigen Personenkreis eine Resozialisierung | |
ermöglichen“, heißt es darin. | |
Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) antwortet dazu in ihrer | |
Stellungnahme, dass aus der Petition nicht hervorgehe, ob Balz sich ein | |
Gefängnis oder eine Jugendhilfeeinrichtung vorstellt. Was sie davon hält, | |
sagt sie nicht. | |
Das ist nicht überraschend: Balz hatte seine Petition im Februar genau eine | |
Woche vor einer Pressekonferenz eingereicht, auf der Justizsenator, | |
Innensenator und Stahmann die Einrichtung eines geschlossenen Heims für | |
wiederholt straffällige Jugendliche angekündigt hatten - auf dem ehemaligen | |
Gefängnis-Gelände im Blockland. Nach den damals vorgestellten Plänen des | |
rot-grünen Senats sollte diese bereits in Betrieb sein. Doch gibt es in der | |
Sozialbehörde und bei den Grünen mittlerweile Skepsis, ob ein geschlossenes | |
Heim die Probleme löst. | |
So formuliert es auch eine zweite Petition, die ebenfalls am Freitag | |
behandelt werden sollte, wegen Krankheit aber verschoben wurde. „Ohne | |
Zweifel“, heißt es in der Petition des Kriminologen und Sozialpädagogen | |
Olaf Emig, machten einzelne dieser Jugendlichen „Probleme, die das | |
Jugendhilfesystem in Bremen herausfordern“. Sie „aus der Öffentlichkeit zu | |
entfernen“, diene zwar dem „Sicherheitsbedürfnis mancher BürgerInnen“ �… | |
aber „für immer einschließen“ ließen sich diese Menschen nicht. „Das | |
Kindeswohl, langfristige pädagogische Maßnahmen und die auskömmliche | |
Ausstattung der stationären Jugendhilfe in Bremen werden also dem | |
kurzfristigen Sicherheitsbedürfnis untergeordnet“, argumentieren die | |
PetentInnen. | |
Sie sind der Ansicht, dass die Unterbringung der Jugendlichen in einer | |
geschlossenen Einrichtung Probleme auf lange Sicht eher verschärfen wird. | |
Eine Einschätzung, die fast alle Fachleute zumindest in Bremen teilen. „Mir | |
fehlt die Fantasie, wie wir junge Männer, die de facto schon 18 oder älter | |
sind, in so einem Heim auf Kurs bringen sollen“, hatte Friedhelm Stock von | |
der gemeinnützigen GmbH „Jugendhilfe und soziale Arbeit“ im November auf | |
einer Podiumsdiskussion gesagt. „Und ich bin wirklich kein | |
Kuschelpädagoge.“ Wer eingesperrt würde, lerne, sich einem geschlossenen | |
Rahmen anzupassen, nicht aber, sich in Freiheit angemessen zu verhalten. | |
Doch bisher will der Senat nicht von seinen Plänen ablassen. | |
Sozialsenatorin Stahmann stimmt in einer zweiten Stellungnahme an den | |
Petitionsausschuss zwar der Einschätzung zu, dass das Jugendhilfesystem | |
überfordert und überlastet ist, hält aber daran fest, „geeignete Angebote, | |
die auch eine Mobilitätsbegrenzung und fakultative freiheitsentziehende | |
Maßnahmen beinhalten können, zu ermöglichen“. | |
Dass es zehn Monate nach der Ankündigung noch keine konkreten Pläne für ein | |
Heim gibt, liege nur daran, dass es schwierig sei, „erfahrenes Personal“ zu | |
finden sowie ein „adäquates Gebäude“. Wie berichtet, ist auch die Idee vom | |
Tisch, einen Gefangenen-Pavillon in der Justizvollzugsanstalt umzubauen. | |
Stahmanns grüne Parteifreunde in der Fraktion versuchen unterdessen, die | |
Debatte um die Jugendlichen in eine andere Richtung zu lenken. In einem | |
Antrag an den Senat, der am Montag in der Fraktion beraten wird, fordern | |
sie den Ausbau von niedrigschwelligen Betreuungsangeboten wie Streetwork | |
sowie eine Notschlafstelle. In kleinem Umfang sei bereits mehr Geld für | |
intensivpädagogische Maßnahmen bereit gestellt worden, sagte Stahmanns | |
Sprecher Bernd Schneider. | |
Die SPD halte dies ebenfalls für sinnvoll, sagte Fraktionssprecher Matthias | |
Koch. Ein geschlossenes Heim brauche es aber dennoch. „Nur dort können | |
einige dazu gebracht werden, die angebotene Hilfe auch anzunehmen.“ | |
3 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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