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# taz.de -- Terror und politische Kultur: Was tun, wenn der Terror kommt?
> Rückkehrer, die für den „IS“ gekämpft haben, gibt es auch bei uns. Man…
> haben sich inzwischen losgesagt. Wie kann man verhindern, dass es so weit
> kommt?
Bild: Wegen der Terrorwarnung war das Stadion in Hannover weiträumig abgesperr…
BREMEN taz | Hannover war der Beweis: Deutschland braucht keinen Terror, um
terrorisiert zu sein. Dafür reicht der Rückfall staatlicher Stellen in
autoritäre Kommunikationsmuster – deren extremste die als Bürgerpflicht
verordnete Ruhe und das Staatsgeheimnis sind – bei gleichzeitiger Lust
daran, in Fantasien über die verschwiegene Grausamkeit zu schwelgen, deren
Opfer die Besucher des abgesagten Länderspiels in Hannover angeblich
geworden wären.
Also fast jedenfalls und je haarschärfer, desto aufreizender: Hannover war
auch dank der digitalen Erweiterung der Distributionskanäle von Information
und Desinformation die große Stunde der Kreiszeitung aus Syke bei Bremen:
Sie hatte das Highlight des Abends zu bieten in Gestalt einer Geschichte
darüber, dass es an einem Krankenwagen in der Nähe des Stadions zu einem
[1][Sprengstofffund] gekommen wäre. Sie wirkt, rückblickend, als hätte sich
jemand spektakulär verhört, als ihm erzählt wurde, dass an einem
Rettungsfahrzeug ein Sprengstoffhund angeschlagen hatte.
## Keine eindeutigen Dementi
Ganz fest steht das natürlich nicht, und es ist etwas billig, sich über die
Kreiszeitung zu mokieren, wie es das Sekundärmedium [2][„Bildblog“] tut:
Wenn sie wirklich eine Quelle hat, die als zuverlässig gelten kann, also
Teil des Sicherheitsapparats ist, muss diese ja geschützt werden.
Wer die ministerielle Geheimniskrämerei in Fragen des Terroreinsatzes
unterläuft, ist von staatlicher Gewalt bedroht. Das Blatt jedenfalls hält,
obwohl arg durch Abokündigungen und Hassmails gebeutelt, an seiner
Darstellung fest.
Die Stellen jedoch, die für ein Dementi zuständig wären, ruinieren mittels
autoritärer Heimlichtuerei ihre eigene Glaubwürdigkeit: Weder Thomas de
Maizière, dessen vielzitierter Claim, er könne die Gründe für die Absage
nicht nennen, weil die Bevölkerung sonst verunsichert wäre, sich rein
logisch durch kein vorstellbares Szenario mehr einfangen lässt, noch sein
besonnenerer niedersächsischer Amtsbruder Boris Pistorius haben die
Geschichte bislang eindeutig dementiert: Die Mitteilung, dass kein
Sprengstoff gefunden worden sei, stammt allein von einer namenlosen
Sprecherin der hannoverschen Polizei.
## Setzung von Zeichen
Aus derselben Quelle stammte auch die Angabe, bei einem in einem Zug
gefundenen und sicherheitshalber kontrolliert zerstörten Jutebeutel habe es
sich um eine „gut gemachte Attrappe“ gehandelt. Dass diese Einschätzung auf
rein gar nichts beruhte und einfach mal rausgeblasen wurde, steht
mittlerweile fest. Der Besitzer des Jutebeutels hat diesbezüglich für
Aufklärung gesorgt. Danke dafür.
Wie mit Terror umzugehen ist, dafür hat niemand eine Patentlösung.
Allerdings: Es gibt Hinweise darauf, welche Kommunikationsstrategien
kontraproduktiv sind. Das ist so problematisch, weil Terror in erster Linie
ein semiotisches Phänomen ist: Es geht bei Terrorakten immer um die Setzung
von [3][Zeichen] gegen eine bestehende Ordnung.
Der Vorsprung dieser Kommunikationsstrategie ist schrecklicherweise
letztlich uneinholbar, weil ja bereits das spektakuläre Misslingen eines
Anschlags dieses Ziel erreicht: Es hebt die Ordnung auf – während der wie
auch immer nachvollziehbare Wunsch, die destruktive Botschaft durch eine
konstruktive zu beantworten, nur ihre Verletzlichkeit erhöht.
Gerade dass die DFB-Führung, sonst der Vermischung von Sport und Politik
reichlich abgeneigt, darauf bestanden hat, das Fußballländerspiel am 17.
November nach den Pariser Kamikaze-Angriffen zu politisieren und mit ihm
„ein Zeichen gegen den Terror“ zu setzen, hat die Absage von Hannover zur
peinlichen Niederlage der Demokratie gemacht.
## Eskapismus versus Aktionismus
Diese war aber nur ein Höhepunkt einer ganzen Reihe offenkundigen
kommunikativen Fehlverhaltens. Für ein komisches Glanzlicht hat dabei der
unverhoffte Eskapismus von Hamburgs Innensenator Michael Neumann gesorgt,
der die einschlägige Parlamentsdebatte schwänzte und sich in die
Olympiabewerbung flüchtete. Für den aktionistischen Widerpart dazu hatte
sein Bremer Pendant Ulrich Mäurer schon Ende Februar mit einem
martialischen Polizeieinsatz in der Bremer Innenstadt gesorgt.
Anfangs war von konkreten Hinweisen, Kalaschnikows in einer Moschee und
Informationen der Dienste die Rede. Mittlerweile gilt als einziger Auslöser
des Bremer Terrorwochenendes die Aussage einer einzigen Quelle. Diese,
längst geoutet, bestreitet, Angaben gemacht zu haben, auf die ein
derartiger Einsatz die angemessene Reaktion gewesen wäre. Ab kommender
Woche beschäftigt der Vorgang einen parlamentarischen
Untersuchungsausschuss.
Glaubt irgendjemand, dass eine derartige Geheimhaltung jenseits der
ermittlungstaktischen Notwendigkeiten, die es geben mag, in irgendeiner
Weise Sicherheit produziert? Wahrscheinlicher ist doch, dass die
Verschleierung von Irrtümern, die Unfähigkeit, Fehler einzuräumen,
Verunsicherung schafft.
Sie speist sich aus einem aus undemokratischen Zeiten überkommenen Entwurf
eines väterlich unfehlbaren Staates, dessen perverses Spiegelbild der
Terror selbst ist: Wie weiland unter [4][Helmut Schmidt] scheint er in
Gefahr, sich, um es zu bekämpfen, diesem Zerrbild seiner selbst
anzugleichen.
Die kommunikative Waffe einer Demokratie ist aber nicht die Simulation
unmöglicher Allwissenheit, sondern das Teilen des Wissens mit allen.
Den ganzen Schwerpunkt zum Thema „Was macht der Terror mit unserer
politischen Kultur?“ lesen Sie in der gedruckten Wochenend-Ausgabe der
taz.nord oder [5][hier].
27 Nov 2015
## LINKS
[1] http://www.kreiszeitung.de/lokales/niedersachsen/fussball-laenderspiel-rett…
[2] http://www.bildblog.de/74067/kein-sprengstoff-rettungswagen-und-andere-doch…
[3] https://opus4.kobv.de/opus4-bamberg/frontdoor/index/index/docId/347
[4] http://www.his-online.de/verlag/9010/programm/detailseite/publikationen/die…
[5] /!114771/
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
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