| # taz.de -- Militärputsch in Burkina Faso: Junta gegen Bürgerbewegung | |
| > Vor den freien Wahlen verhaftet die Präsidialgarde die Regierung und | |
| > setzt eine Militärjunta ein. Andere Kräfte fordern „zivilen Ungehorsam“. | |
| Bild: In der Stadt Ouagadougou ist es bereits zu Zusammenstößen auf der Stra�… | |
| BERLIN taz | Weniger als ein Jahr nach dem erfolgreichen Volksaufstand in | |
| Burkina Faso, der den langjährigen Autokraten Blaise Compaoré stürzte, hat | |
| ein Militärputsch die alten Machthaber zurück an die Regierung gebracht. | |
| General Gilbert Diendéré, jahrzehntelang Geheimdienstchef und Kommandeur | |
| der Präsidialgarde unter Compaoré, wurde am Donnerstagvormittag zum Chef | |
| einer Militärjunta ernannt, die das Land ab sofort regieren will. | |
| Die bisherige Übergangsregierung, die nach dem Sturz Compaorés eingesetzt | |
| worden war und freie Wahlen vorbereiten sollte, ist in Haft. Am | |
| Mittwochnachmittag hatten Soldaten der Präsidialgarde eine Kabinettssitzung | |
| im Präsidentenamtssitz gesprengt und Präsident Michel Kafando, | |
| Premierminister Isaac Zida und andere Regierungsmitglieder festgenommen. | |
| Zunächst war unklar geblieben, was der Sinn dieser Aktion war, da die | |
| Gardisten sich nicht erklärten. Dass die Gardisten aber bereits am Abend | |
| offenbar gezielt Radiojournalisten angriffen, erregte Skepsis. Aktivisten | |
| der Protestbewegungen wie „Balai Citoyen“ (Bürgerbesen), die im Oktober | |
| 2014 den Volksaufstand gegen Compaoré angeführt hatten, riefen | |
| vorsichtshalber zu Demonstrationen zur Unterstützung der bedrängten | |
| Übergangsregierung auf. Das Volk solle sich ab Donnerstagfrüh auf der | |
| Straße versammeln und die großen Plätze besetzt halten, hieß es. | |
| Am Donnerstagvormittag schließlich trat ein Gardeoffizier vor die | |
| Fernsehkameras und verkündete die Gründung eines „Nationalrates für | |
| Demokratie“ (CND) und die Absetzung des Interimspräsidenten sowie die | |
| Auflösung der Übergangsregierung und des Übergangsparlaments. „Das | |
| Übergangsregime hat sich allmählich von den Zielen der Neugründung einer | |
| Demokratie im Konsens entfernt“, hieß es zur Begründung. Die neuen | |
| Wahlgesetze würden das Volk spalten, die Forderungen der Armee bei den | |
| neuen Armeegesetzen seien nicht berücksichtigt worden. | |
| ## „Sehr ernste Unsicherheitslage“ | |
| Gegenüber Journalisten der Pariser Zeitschrift Jeune Afrique erklärte | |
| Putschführer Diendéré telefonisch, es herrsche eine „sehr ernste | |
| Unsicherheitslage“ in Burkina Faso und man habe handeln müssen, um „die | |
| Destabilisierung des Landes aufzuhalten. | |
| Eigentlich sind für den 11. Oktober freie Wahlen geplant, nach denen die | |
| Übergangsregierung ihre Macht an einen regulär gewählten Nachfolger | |
| übergeben soll. Über diese hat es allerdings in den letzten Wochen Streit | |
| gegeben. So wurde Compaorés alte Partei CDP (Kongress für Demokratie und | |
| Fortschritt) von den Wahlen ausgeschlossen – gemäß einer Klausel im | |
| Wahlgesetz vom April, wonach bei den Wahlen niemand kandidieren darf, der | |
| 2014 die verfassungswidrige Kandidatur Compaorés zu einer dritten Amtszeit | |
| unterstützte. Compaorés von seiner Partei unterstützter Wunsch, die | |
| Verfassung umzuschreiben, um länger an der Macht zu bleiben als erlaubt, | |
| war der Grund für die Massenproteste gewesen, die zu seinem Sturz führten. | |
| Die CDP hatte gegen ihren Ausschluss aus den Wahlen erfolgreich beim | |
| Gericht der westafrikanischen Regionalorganisation ECOWAS (Westafrikanische | |
| Wirtschaftsgemeinschaft) geklagt, deren Vermittlung nach dem Umsturz 2014 | |
| die Einsetzung der Übergangsinstitutionen ermöglicht hatte. Burkina Fasos | |
| Verfassungsgericht bestätigte den Ausschluss jedoch am 10. September. | |
| Seitdem ging in dem Land die Angst um, dass die Kräfte des alten Regimes | |
| versuchen könnten, die Wahlen zu stören. | |
| ## „Widerstand in jedem Viertel“ | |
| Die anderen politischen Kräfte wollen den Putsch nicht hinnehmen. Marc | |
| Christian Kaboré, einer der aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten, | |
| rief das burkinische Volk zur „Mobilisierung“ auf gegen „den Versuch, | |
| unsere demokratischen Errungenschaften in Frage zu stellen“. Die | |
| politischen Parteien riefen nach einem Krisentrefen am Donnerstagmittag | |
| gemeinsam zum „zivilen Ungehorsam“ auf. | |
| Die Bürgerbewegung „Balai Citoyen“ rief zum „Widerstand in jedem Viertel… | |
| auf. In einer auf Facebook veröffentlichten Erklärung hieß es, die Narion | |
| sei „in Gefahr“: „Wir rufen die Bevölkerung auf, sich zu organisiseren, | |
| jeder in seiner Straße, seinem Viertel, seinem Sektor, um zu zeigen, dass | |
| die Strategie des Terrors und der Psychose, die Milizengrüppchen der RSP | |
| (die Präsidentengarde, d.Red.) zu festigen versuchen, unseren patriotischen | |
| Elan nicht lähmen kann.“ | |
| Auch international wurde der Putsch breit verurteilt. UN, EU und AU | |
| (Afrikanische Union) riefen dazu auf, die verhafteten Politiker | |
| freizulassen und den begonnenen Übergangsprozess vereinbarungsgemäß zu Ende | |
| zu führen. Frankreichs Präsident Francois Hollande, der in Burkina Faso | |
| Spezialkräfte zum Kampf gegen Dschihadisten in der Sahelzone stehen hat, | |
| sagte, es gebe „keine Legalität mit den Putschisten“. Ein Eingreifen der | |
| französischen Militärs im Land schloss er jedoch aus. | |
| ## Legenden um Putschistenführer | |
| Um Putschistenführer Diendéré ranken sich zahlreiche Legenden. Er war | |
| ebenso wie Blaise Compaoré einer der ursprünglichen Revolutionäre von 1983, | |
| die damals den jungen Kapitän Thomas Sankara an die Macht brachten und aus | |
| dem schläfrigen neokolonialen Obervolta eine dem Panafrikanismus und der | |
| sozialen Umwälzung verpflichtete „Republik der Aufrechten“ (Burkina Faso) | |
| machten. Er war dann 1987 an Compaorés Seite, als dieser Sankara stürzte | |
| und selbst die Macht ergriff. | |
| Danach kommandierte der 1,95 Meter große Berufssoldat die Präsidialgarde | |
| RSP und war später zusätzlich Chef der Geheimdienste des Landes. In dieser | |
| Funktion war Diendéré die Schlüsselfigur bei Burkina Fasos mehr oder | |
| weniger heimlicher Unterstützung von Rebellen in Liberia, Sierra Leone, der | |
| Elfenbeinküste und schließlich in Mali, in Compaorés letzten Jahren an der | |
| Macht auch als Unterhändler bei der Freilassung von Al-Qaida-Geiseln in | |
| Mali. Seine Ehefrau ist Vizepräsidentin von Compaorés Partei CDP. | |
| Offen ist nun, ob es zu einer Konfrontation auf der Straße zwischen den | |
| Putschisten und den Protestbewegungen kommt. Bei vereinzelten | |
| Zusammenstößen in Ouagadougou wurden bereits mehr 20 Menschen verletzt, | |
| teils durch Schüsse. In der zweitgrößten Stadt Bobo Dioulasso soll die | |
| lokale CDP-Zentrale verwüstet worden sein. | |
| 17 Sep 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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