# taz.de -- Hissène Habré vor Gericht: Ex-Diktator beschimpft seine Richter | |
> Tumulte und der Rauswurf des Angeklagten begleiten den Auftakt des | |
> historischen Prozesses gegen Tschads Ex-Diktator Hissène Habré. | |
Bild: Tschads Ex-Diktator nach einer Anhörung durch den Haftrichter in Dakar, … | |
Berlin taz | Auf spektakuläre, aber nicht besonders konstruktive Weise hat | |
am Montag in Senegals Hauptstadt Dakar der Prozess gegen Tschads | |
Ex-Diktator Hissène Habré vor einem Sondertribunal begonnen. Der | |
72-Jährige, gekleidet in ein weißes Gewand mit einem Turban auf dem Kopf, | |
wurde gegen seinen Willen von Gefängniswärtern in den Gerichtssaal geführt | |
und wenig später wieder hinausgebracht, nachdem er erklärte, das Gericht | |
nicht anzuerkennen. | |
„Nieder mit den Verrätern, nieder mit den Imperalisten!“ rief Habré, wie | |
anwesende Journalisten auf Twitter berichteten. „Es ist eine Farce | |
verkommener senegalesischer Politiker! Afrikanische Verräter! Lakaien | |
Amerikas!“ Dann wurde er unsanft wieder aus dem Saal befördert und in seine | |
Zelle im Justizpalast von Dakar gebracht. Als er später wieder | |
hineingeführt werden sollte, weigerte er sich, und die Verhandlung musste | |
unterbrochen werden. | |
Zuvor hatten Habré-treue Demonstranten im Saal und in der Eingangshalle des | |
Gerichtsgebäudes Sprechchöre gerufen, bis sie von der Polizei | |
hinausgeworfen wurden. Einer sagte, er sei „traurig“ und „beschämt“ ü… | |
den Prozess gegen den „Befreier des Tschad“. Ein anderer bezeichnete das | |
Verfahren als „westliche Verschwörung“. | |
In Abwesenheit des Angeklagten sowie seiner Anwälte, die die Eröffnung der | |
Hauptverhandlung sowieso boykottierten, verlas der Chefankläger die | |
wesentlichen Punkte der Vorbereitung des Prozesses: Anhörung von 2.000 | |
überlebenden Opfern der Habré-Diktatur, Begehung der Folterstätten im | |
Tschad, Auswertung der Akten von Habrés gefürchteter Geheimpolizei DDS. | |
„Ihre Abwesenheit wird nicht verhindern, dass es ein faires Verfahren | |
gibt“, sagte er Habré, der aber nicht da war. „Ich lade Sie ein, zu | |
erscheinen und Ihr Schweigen zu brechen, denn dieses entlastet Sie nicht.“ | |
Habrés Anwälte waren auf seine Instruktion hin der Eröffnungssitzung | |
ferngeblieben. Es gilt nun als wahrscheinlich, dass das Gericht | |
Pflichtverteidiger benennt, mit denen der Angeklagte dann die | |
Zusammenarbeit verweigert. Die Strategie des Exdiktators besteht nach | |
Meinung von Beobachtern darin, die Verhandlung gar nicht erst unter | |
geordneten Umständen stattfinden zu lassen. | |
Jacqueline Moudeina, tschadische Menschenrechtsanwältin und Vertreterin der | |
Opfer bei dem Prozess, gab zur Eröffnung eine aufwühlende Erklärung ab. | |
„Wir geben den Stimmlosen eine Stimme“, sagte sie. „Wir vertreten 4.445 | |
Opfer. Sie kämpfen mit der Kraft ihres Gewissens. Diesen Prozess führt die | |
gesamte Menschheit“. Moudeina leitet im Tschad das Kollektiv der Opfer der | |
Habré-Diktatur und setzt sich seit dem Sturz des Diktators 1990 dafür ein, | |
ihn zur Rechenschaft zu ziehen. | |
## 40.000 Tote in acht Jahren | |
Habré wird Folter und Mord sowie eine Reihe weiterer Verbrechen gegen die | |
Menschlichkeit vorgeworfen. Menschenrechtsgruppen zufolge fielen 40.000 | |
Menschen im Tschad der achtjährigen Herrschaft Habrés zum Opfer, viele | |
davon auf bestialische Weise zu Tode gefoltert. Sein Regime wurde damals | |
von Frankreich und den USA als Bollwerk gegen Gaddafis Libyen unterstützt. | |
Die Foltermethoden werden im Prozess gegen Habré zur Sprache kommen, der | |
unter dem Mandat der Afrikanischen Union (AU) stattfindet, in einem eigens | |
von der AU gegründeten und von westlichen Gebern finanzierten | |
Sondertribunal. Viele überlebende Habré-Opfer sollen anreisen oder befinden | |
sich bereits in Dakar. Neben dem Vorsitzenden Richter Gberdao Gustave Kam | |
aus Burkina Faso werden zwei Richter aus Senegal den Prozess führen. | |
In Senegal lebt Habré seit seinem Sturz durch Tschads heutigen Herrscher | |
Idriss Déby Ende 1990; jahrzehntelang wähnte er sich dort vor juristischer | |
Verfolgung sicher und um so enttäuschter ist er nun, dass Senegals | |
neugewählter Präsident Macky Sall eingewilligt hat, ihn vor Gericht zu | |
stellen. | |
20 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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