# taz.de -- Sondergipfel der Afrikanischen Union: Rebellion gegen die Weltjustiz | |
> In Äthiopien fordert die AU für Staats- und Regierungschefs Schutz vor | |
> Prozessen beim Weltgericht. Vorerst gibt es jedoch keinen Rückzug vom | |
> Rom-Statut. | |
Bild: Unter dem Schutz der AU: Kenias Präsident Uhuru Kenyatta soll im Novembe… | |
BERLIN taz | Der ganz große Paukenschlag blieb aus. Einen kollektiven | |
Sofortaustritt Afrikas aus dem Rom-Statut des Internationalen | |
Strafgerichtshofs (ICC) gibt es vorerst nicht, obwohl das möglich erschien, | |
als sich die Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union (AU) am | |
Freitag und Samstag zu einem Sondergipfel über den Strafgerichtshof in | |
Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba versammelten. | |
Von 35 afrikanischen Mitgliedstaaten des Weltgerichts seien alle außer | |
Botswana für den Austritt, wurde zwar während des Gipfels gestreut. Aber am | |
Ende wollte sich der Kontinent doch nicht ins Abseits stellen. | |
Dennoch gibt es nun eine Kraftprobe zwischen Afrika und der Weltjustiz. | |
Denn der AU-Sondergipfel beschloss, amtierende Staats- und Regierungschefs | |
aus Afrika zukünftig vor der internationalen Justiz zu schützen. | |
„Wir sind übereingekommen, dass keine Anklagen gegen einen amtierenden | |
Staats- oder Regierungschef während seiner oder ihrer Amtszeit vor einem | |
internationalen Gericht oder Tribunal eingeleitet oder fortgeführt werden | |
sollen“, sagte der gastgebende äthiopische Regierungschef Desalegn | |
Hailemariam in seiner Abschlussrede. „Kein amtierender AU-Staats- oder | |
Regierungschef soll verpflichtet sein, während seiner Amtszeit vor einem | |
internationalen Gericht oder Tribunal zu erscheinen.“ | |
Unmittelbar zielt dies auf das Verfahren gegen Kenias Präsidenten Uhuru | |
Kenyatta, das am 12. November vor dem Strafgerichtshof in Den Haag beginnen | |
soll. Kenyatta, seit März gewählter Präsident Kenias, ist ebenso wie sein | |
Vizepräsident William Ruto, der bereits in Den Haag vor Gericht steht, der | |
Mitwirkung an der Planung von Gewalttaten während der Unruhen nach Kenias | |
Wahlen Ende 2007 angeklagt. Es ist ein auch unter Juristen umstrittenes | |
Verfahren, das bereits im September Kenias Parlament zu einem Votum für | |
einen Rückzug des Landes aus dem Weltgericht bewog. | |
## Kritik an einer „unfairen Behandlung“ | |
Nach Ansicht des AU-Gipfels entspricht es internationalen Gepflogenheiten, | |
dass Staatsoberhäupter immun sind. Deswegen wurde der Sondergipfel | |
einberufen. „Das Gericht operiert weiterhin in kompletter Missachtung der | |
von uns ausgedrückten Bedenken“, schimpfte Desalegn in seiner | |
Eröffnungsrede. „Die unfaire Behandlung, der der ICC uns unterworfen hat, | |
ist komplett inakzeptabel.“ | |
Es handele sich aber nicht um einen „Kreuzzug“ gegen den Gerichtshof, | |
sondern um einen „feierlichen Aufruf an die Organisation, Afrikas Bedenken | |
ernst zu nehmen“. Und AU-Kommissionspräsidentin Nkosazana Dlamini-Zuma aus | |
Südafrika betonte: „Es ist ganz wichtig, dass wir innerhalb des rechtlichen | |
Rahmens der Rom-Statuten bleiben.“ | |
Internationale Menschenrechtsorganisationen hatten vorab den afrikanischen | |
Herrschern vorgeworfen, sie wollten sich nur selbst schützen. Zumindest in | |
den öffentlichen Reden in Addis Abeba jedoch betonten die Gipfelteilnehmer, | |
es ginge nicht darum, Verbrechen straffrei zu belassen, sondern die | |
afrikanische Justiz zu stärken. | |
## Erweiterte Kompetenzen für den AU-Menschenrechtsgerichtshof | |
Der Strafgerichtshof in Den Haag sei ein „Gericht letzter Instanz“, hieß | |
es. Nicht von ungefähr wurde vor wenigen Monaten ein Sondergericht in | |
Senegal für Tschads Exdiktator Hissein Habré eingesetzt. Und der | |
AU-Menschenrechtsgerichtshof – der allerdings bisher noch nie in | |
Erscheinung getreten ist – soll nach dem Willen des Sondergipfels zukünftig | |
auch Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit | |
behandeln. | |
Bis es so weit ist, dürfte noch genug Zeit vergehen, damit amtierende | |
Diktatoren in Afrika weiterhin ruhig schlafen können. Kurzfristig richtet | |
Kenia nun einen Antrag an den Sicherheitsrat, die Prozesse gegen Präsident | |
Kenyatta und Vizepräsident Ruto auszusetzen. | |
Eine Delegation aus fünf AU-Ländern plus Kenia soll zum UN-Sicherheitsrat | |
reisen, um eine Aussetzung der laufenden Verfahren gegen die Präsidenten | |
Kenias und Sudans zu beantragen. Bleiben diese Verhandlungen bis 12. | |
November ergebnislos, werde die AU kollektiv die Vertagung dieser Verfahren | |
beantragen. | |
13 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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