# taz.de -- Pläne zur Vorratsdatenspeicherung: EU verursacht Verschiebung | |
> Die Koalition wird es nerven: Brüssel will, dass Daten nicht nur im | |
> Inland gespeichert werden. Dies verstoße gegen die | |
> Dienstleistungsfreiheit. | |
Bild: Jetzt ist es wieder die EU-Kommission, die was zu meckern hat. Aber nur, … | |
FREIBURG taz | Die EU-Kommission hat die deutschen Pläne zur | |
Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung beanstandet, weil die Daten | |
nur „im Inland“ gespeichert werden sollen. Der Bundestag kann nun das | |
Gesetz nicht wie vorgesehen Ende September beschließen. | |
Die große Koalition will vorschreiben, dass die Internet- und | |
Telefon-Verkehrsdaten der gesamten Bevölkerung zehn Wochen lang gespeichert | |
werden – für den Fall, dass die Polizei sie brauchen könnte. Standortdaten | |
von Handys sollen nur vier Wochen gespeichert werden. Das sieht ein | |
Gesetzentwurf der Bundesregierung vom Mai vor. | |
Eigentlich sollte er noch vor der Sommerpause im Juli beschlossen werden. | |
Vor allem die SPD wollte das ungeliebte Projekt, das ihr Parteichef Sigmar | |
Gabriel aufgezwungen hatte, schnell vom Tisch haben. Doch dann fiel der | |
Regierung auf, dass technische Vorschriften zunächst der EU-Kommission und | |
den anderen EU-Staaten zu „notifizieren“ sind. Damit sollen Probleme für | |
den Binnenmarkt schon im Ansatz verhindert werden. Die Anfang Juni erfolgte | |
Notifizierung löste dann eine dreimonatige „Stillhaltefrist“ aus. In dieser | |
Zeit durfte der Gesetzentwurf also nicht beschlossen werden. Die Frist | |
endete am letzten Montag. | |
Inzwischen hat die EU-Kommission aber tatsächlich rechtliche Bedenken gegen | |
den Gesetzentwurf angemeldet. In einer Stellungnahme, über die zuerst die | |
Rheinische Post berichtete, wird gerügt, dass die Vorratsdaten nur „im | |
Inland“ gespeichert werden dürfen. Damit verletze Deutschland die | |
Dienstleistungsfreiheit, schließlich sei das Datenschutzniveau in allen | |
EU-Staaten etwa gleich hoch. | |
Tatsächlich hat die Bundesregierung in der Gesetzesbegründung die | |
Speicherung in anderen EU-Staaten ausdrücklich abgelehnt. Es bestehe die | |
„nicht nur theoretische Gefahr“, dass die dortigen Geheimdienste nach | |
dortigem Recht auf die deutschen Daten zugreifen. Dabei dürfte insbesondere | |
der britische Geheimdienst GCHQ gemeint sein, der wiederum eng mit der | |
amerikanischen NSA zusammenarbeitet. Außerdem, so die Gesetzesbegründung, | |
könne die deutsche Datenschutz-Beauftragte in anderen EU-Staaten nicht | |
eingreifen, sondern nur die dortigen Behörden um Hilfe bitten. | |
Aufgrund der Kommissions-Stellungnahme verlängert sich nun die | |
Stillhaltefrist um einen weiteren Monat, bis zum 6. Oktober. Die | |
Bundesregierung muss in dieser Zeit auf die Bedenken aus Brüssel antworten. | |
Das behindert zumindest die zeitlichen Pläne der Koalition. Danach war | |
vorgesehen, dass der Bundestags-Rechtsausschuss am 21. September, also am | |
Montag in einer Woche, Experten anhört und das Gesetz dann in der gleichen | |
Woche noch im Plenum beschlossen wird. Das ist nun nicht mehr möglich. Der | |
Gesetzesbeschluss muss um mindestens zwei Wochen verschoben werden. Die | |
Anhörung soll aber wie geplant stattfinden. | |
## Risiko: Vertragsverletzungsverfahren | |
Die Bundesregierung ist nun allerdings nicht verpflichtet, ihren | |
Gesetzentwurf zu ändern. Wenn sie die Bedenken nicht teilt, kann der | |
Bundestag das Gesetz im Oktober unverändert beschließen. Die Kommission | |
könnte dann aber ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland | |
einleiten, über das der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden muss. | |
Justizminister Heiko Maas (SPD) ließ zunächst nur mitteilen, er werde die | |
Stellungnahme prüfen. Johannes Fechner, der rechtspolitische Sprecher der | |
SPD, will die Speicherung „im Inland“ beibehalten. Eine Änderung komme nur | |
in Betracht, wenn das rechtliche Risiko eines gerichtlichen Scheiterns zu | |
groß wäre. Eine Speicherung der Vorratsdaten im Ausland könnte dagegen den | |
Widerstand neu anfachen. „Dann würde unser Privat-und Intimleben | |
ausländischen Spionagediensten auf dem Silbertablett präsentiert“, | |
kritisiert etwa Patrick Breyer, Kieler Abgeordneter der Piratenpartei. | |
Der EuGH wird am Ende allerdings so oder so über die | |
Vorratsdatenspeicherung entscheiden müssen. Im Mittelpunkt dürfte dann die | |
Frage stehen, ob die anlasslose Massenspeicherung zu tief in die | |
Bürgerrechte eingreift. Im Notifizierungsverfahren spielte dies noch keine | |
Rolle. Hier hatte die EU-Kommmission nur Industrie-Interessen in anderen | |
EU-Staaten zu prüfen. | |
12 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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