| # taz.de -- Datenschutz bei Posteo: Schlampige Behördenanfragen | |
| > Der Mailanbieter Posteo kritisiert Behörden, die Auskunft über seine | |
| > Kunden fordern. Die Anfragen entsprechen meist nicht den Gesetzen. | |
| Bild: Hier ist so ziemlich alles falsch. | |
| BERLIN taz | Wieder ist es einer der Kleinen, der den Anfang macht: Der | |
| Berliner Mailanbieter Posteo hat in seinem vor wenigen Tagen vorgestellten | |
| Transparenzbericht für das Jahr 2014 gravierende Mängel bei Behörden | |
| beklagt. | |
| Fast kein Ersuchen, bei dem die Behörden Auskünfte über Nutzer verlangen, | |
| das Posteo bisher erreichte, hätte den gesetzlichen Bestimmungen | |
| entsprochen, heißt es in dem Bericht des 2009 gegründeten Unternehmens. | |
| Derartige Anfragen stellen Behörden, um Straftaten aufzuklären. | |
| Posteo ist der erste deutsche Mailanbieter, der im vergangenen Jahr einen | |
| Transparenzbericht nach dem Vorbild von Google und anderen US-Firmen | |
| vorlegte. Aus seinen Erfahrungen im vergangenen Jahr leitet Posteo nun die | |
| Forderung ab, von der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung | |
| abzusehen. Diese deutliche politische Positionierung ist nicht das einzig | |
| bemerkenswerte an dem Bericht. | |
| Statt nämlich einfach nur Tabellen zu veröffentlichen, wie viele Anfragen | |
| eingegangen und wie häufig tatsächlich Auskunft erteilt wurde, | |
| veröffentlicht Posteo exemplarisch auch einige Anschreiben der Behörden – | |
| mit Schwärzungen sorgfältig anonymisiert. Und kommentiert an diesen | |
| konkreten Beispielen, worin deren Mängel bestehen. Genau das macht den | |
| Bericht interessant – obwohl er sich nur auf 22 Fälle stützt. | |
| Besonders sorglos bis schlampig ausgeführt zeigen sich Auskunftsanfragen zu | |
| Bestandsdaten – also Informationen über Namen, Geburtsdaten und Adressen | |
| von Nutzern. | |
| Teils wurden Angaben wie der konkrete Tatvorwurf oder Aktenzeichen der | |
| Ermittlung unverschlüsselt übersandt – was laut Posteo rechtswidrig ist. | |
| Teils wurden die Mails an den Kundensupport geschickt, statt an die | |
| zuständigen Personen. In einigen Fällen wurde unrechtmäßig Verkehrsdaten | |
| oder IP-Adressen abgefragt. Oder die Rechtsgrundlage für die Abfrage wurde | |
| nicht genannt. | |
| Die Ironie dabei: Als Anbieter, der mit seiner Datensparsamkeit wirbt, | |
| macht Posteo von einer Sonderregelung Gebrauch, laut der er auf die | |
| Erhebung von Namen, Geburtsdaten und Adressen verzichtet. | |
| ## In zwei von 22 Fällen gab Posteo Daten heraus | |
| Das bedeutet: Selbst wenn die Behörden eine korrekte Bestandsdatenabfrage | |
| an Posteo stellten, kann die Firma diese Informationen überhaupt nicht | |
| herausgeben. „Wird Posteo mit einem richterlichen Beschluss dazu | |
| verpflichtet, Kundendaten herauszugeben, können den Behörden deshalb | |
| lediglich Inhaltsdaten (zum Beispiel E-Mails) übermittelt werden“, heißt es | |
| im Bericht. | |
| Dazu kam es 2014 nur in zwei Fällen. In allen anderen konnte der Anbieter | |
| keine Daten herausgeben, weil sie schlicht nicht vorlagen. Auch über | |
| Bankverbindungen verfügt der Anbieter nicht automatisch – weil er seinen | |
| Nutzern die Möglichkeit einräumt, bar zu zahlen. | |
| Und die Herausgabe von Verkehrsdaten – also der Zeitpunkt, wann eine E-Mail | |
| versendet wurde, oder von welcher IP-Adresse – scheitert daran, dass „Daten | |
| (IP-Adressen) nicht vorhanden/nicht betrieblich benötigt“ werden. | |
| In 15 Fällen wandte sich Posteo wegen der unsicheren Übertragung sensibler | |
| Daten durch Polizeibehörden an die Landesdatenschutzbeauftragten. Die | |
| Antwort: Das Problem sei bekannt und „immer wieder Anlass für Gespräche und | |
| Kontrollen“. | |
| Weiter berichtet Posteo, dass dem Unternehmen Anwaltskosten im „mittleren | |
| fünfstelligen Bereich“ entstanden seien, um sich gegen unrechtmäßige | |
| Forderungen zu wehren. | |
| Vor diesem Hintergrund appelliert der Anbieter an die Bundesregierung, auf | |
| die für Herbst geplanten Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung zu | |
| verzichten. Die „Anzahl rechtswidriger Abfragen würde sich deutlich | |
| erhöhen“, prognostiziert das Unternehmen. | |
| Die ungesicherte Übertragung sensibler Daten von Bürgern sei „nicht | |
| hinnehmbar“, ebenso wie die Herausgabe von „dynamischen IP-Adressen, die | |
| dem Fernmeldegeheimnis unterliegen“, ohne richterlichen Beschluss. | |
| ## Trendsetter für Transparenzberichte | |
| Mit der Dokumentation einiger Behördenanschreiben testet Posteo bereits zum | |
| zweiten Mal in Folge aus, wie weit sie in ihrer Transparenz zu | |
| Behördenanfragen gehen können. 2014 hatte der kleine Anbieter vor der | |
| Veröffentlichung dieser Angaben ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um | |
| zu klären, ob und in welchem Umfang es einen solchen Bericht überhaupt | |
| veröffentlichen darf. Was andere Mailanbieter in der Folge dazu inspirierte | |
| nachzuziehen und ebenfalls entsprechende Transparenzberichte zu | |
| veröffentlichen - die Telekom etwa. | |
| Auch GMX, das Unternehmen, das derzeit mit seiner Verschlüsselungsoffensive | |
| Interesse an Privatheit im Digitalen offenbart, veröffentlichte im Januar | |
| Zahlen zu Behördenanfragen: Danach verzeichnete die 1&1 Mail & Media GmbH, | |
| zu der unter anderem Maildienste wie GMX oder Web.de zählen und die nach | |
| einigen Angaben 38.5 Millionen Mailpostfächer verwaltet, allein 2014 über | |
| 20.800 Anfragen von Sicherheitsbehörden zu Bestandsdaten, über 200 zu | |
| Verkehrsdaten und über 400 zu Inhaltsdaten. | |
| „Auskunftsersuchen, die formelle Fehler enthalten, weisen wir | |
| selbstverständlich zurück“, antwortet Sebastian Schulte, Pressesprecher von | |
| GMX, auf die Frage, ob sein Unternehmen ähnliche Erfahrungen mit | |
| mangelhaften Behördenanfragen habe wie Posteo. „Eine Zunahme fehlerhafter | |
| Anfragen können wir aktuell nicht feststellen.“ | |
| So weit wie Posteo zu gehen und einzelne Behördenanfragen zu | |
| veröffentlichen, will man aber nicht gehen. „Dazu sehen wir keinen Anlass“, | |
| so Schulte. Auch Posteos Bedenken, die Wiedereinführung der | |
| Vorratsdatenspeicherung könne zur Erhöhung rechtswidriger Anfragen führen, | |
| teilt GMX so offenbar nicht. „Die Entwicklung ist aktuell schwer | |
| vorherzusagen“, so Schulte. Sie werde „sehr stark von der Behördenpraxis | |
| abhängen.“ | |
| 26 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Meike Laaff | |
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