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# taz.de -- Sicherheit im Netz: Sind wir nicht alle etwas Hillary?
> Jahrelang nutzte Ex-US-Außenministerin Hillary Clinton für ihre
> Amtsgeschäfte ihren privaten Mailaccount. Ist das nicht irgendwie auch
> Widerstand?
Bild: Move! Die Frau rechts im Bild leistete vier Jahre lang beharrlich Alltags…
Häme ist ein billiges Motiv. Im Umsonstuniversum sind billige Motive ja
stets leicht zu haben, im Internet zum Beispiel. Die Lieblingsadressaten
von kollektiver Häme sind, das ist ja zumindest sympathisch, besonders
häufig dumme Autoritäten. Heute zum Beispiel Hillary Clinton. Also
angeblich dumm.
Die Spitzenpolitikerin soll in ihrer vierjährigen Amtszeit als
Außenministerin der USA für sämtliche dienstliche Mailkommunikation
ausschließlich ihren privaten E-Mail-Account genutzt haben, [1][berichtet
die New York Times]. Besser noch: Sie habe einen dienstlichen
E-Mail-Account überhaupt erst gar nicht besessen. Das ist natürlich eine
wunderhübsche Anekdote.
Denn Clinton erzürnt damit nun nicht nur Archivare und Journalistinnen in
den USA. Die sind sauer, weil nach US-Recht die Kommunikation von
Ministerinnen unter Archivierungszwänge fällt. Clinton, so sagen sie, habe
damit gar Recht gebrochen, weil sie sich so der Archivierung ihrer Arbeit
entzogen hätte. Ihre Anwälte zumindest lieferten inzwischen angeblich
bereits rund „55.000 Seiten“ (!) ihrer früheren E-Mail-Korrespondenz an die
Staatsarchivare, berichtet die Zeitung. Was nun „Seiten“ sind und ob diese
in ausgedruckter oder in digitaler Form übergeben wurden – das ist leider
nicht überliefert.
Besonders bemerkenswert ist der Vorgang aber natürlich deshalb, weil damit
eine weitere Weltspitzenpolitikerin mit Angela Merkel aus dem sogenannten
Neuland (umgangssprachlich für Internet) aufzutauchen scheint.
## Den digitalen Schuss nicht gehört?
Dass ausgerechnet die Außenministerin des Weltmarktführers in Späh- und
Spionagefragen ihre sicher sensiblen Amtsschreiben nicht auf den besonders
geschützten Regierungsservern speicherte, sondern privaten Mailanbietern
auf dem freien Markt anheimgab – darüber, natürlich, ist nun der Spott
groß. Warum Clinton das tat, ist völlig ungeklärt, aber in der Reihenfolge
der beliebtesten Spekulationen fallen nur wenigen Spekulanten sachliche
Motive dafür ein. Anders: Sachliche Motive zu unterstellen wäre vermutlich
noch die freundlichste aller Lesarten. Wir halten also fest: Hillary
Clinton hat den digitalen Schuss nicht gehört – und so was will womöglich
bald US-Präsidentin werden?
Nun: Eine gewisse digitale Naivität zumindest ist sicherlich kein
Alleinstellungsmerkmal der Spitzenpolitikerin. Als bekannt wurde, dass die
deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel die US-Geheimdienste ihre Gespräche
mitschneiden ließ, die sie über ein uraltes Nokia-Handy führte, war der
Spott groß. Auch US-Präsident Barack Obama geriet in die Schlagzeilen, weil
Behörden ihm untersagten, ein iPhone zu benutzen – zu abhöranfällig.
Das ist nur zu verständlich für eine Demokratie, die sich müht, auf
Dienstreisen selbst den Kot des US-Präsidenten fachgemäß zu entsorgen, um
keine unnötigen Datenspuren zu hinterlassen. Wer, wie Hillary Clinton seit
Langem, in einer solchen Welt des Datensicherheitsautoritarismus lebt und
leben muss – soll der denn nun wirklich nicht gestattet sein, ein bisschen
Alltagswiderstand zu leisten?
Denn wir kennen das doch alle, sagen wir, aus dem Bekanntenkreis und auch
aus Redaktionen wie der taz. Dass alle immerzu nur angehalten, ja fast
gezwungen sind, ihren Alltag mit Verschlüsselungsmechanismen aller Art zu
durchdringen, mit Sicherheitsmaßnahmen die letztlich eine wichtige
Komponente zu verdecken drohen: das gute, alte menschliche Versagen.
Deswegen wollen wir das mit der Häme heute lassen. Das sollen all die
Menschen tun, die dafür nichts bezahlen. Mögen wir lieber sagen: Sind wir
nicht alle etwas Hillary?
3 Mar 2015
## LINKS
[1] http://www.nytimes.com/2015/03/03/us/politics/hillary-clintons-use-of-priva…
## AUTOREN
Martin Kaul
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