# taz.de -- Schwimmendes Blech: Werften auf Kreuzfahrt | |
> Die meisten Aufträge der Schiffbauindustrie kommen aus dem Tourismus – | |
> während Offshore Erwartungen nicht erfüllen kann. | |
Bild: Eine stolze Fregatte bei Blohm und Voss: Militärische Aufträge europawe… | |
Die deutsche Schiffbauindustrie hat im vergangenen Jahr Arbeitsplätze | |
aufgebaut. Wie eine Umfrage der IG-Metall Küste ergab, hapert es aber an | |
neuen Aufträgen. Die 40 befragten Betriebsräte befürchten deshalb, es | |
könnten in nächster Zeit mehrere hundert Arbeitsplätze wegfallen. | |
Insbesondere hätten sich die mit dem Aufbau der Offshore-Windindustrie | |
verbundenen Hoffnungen nicht erfüllt. Sorgen macht sich die Gewerkschaft | |
zudem um den Bau militärischer Überwasserschiffe. | |
Der Umfrage zufolge ist die Zahl der Werften, die Neubauaufträge | |
eingefahren haben, seit 2012 kontinuierlich gesunken und wieder auf dem | |
Niveau von 2009 direkt nach Ausbruch der Schifffahrtskrise. 17 der 25 | |
Aufträge zwischen September 2014 und August 2015 waren Kreuzfahrtschiffe, | |
Yachten und Fähren. Dazu kamen vier Mehrzweckfrachter, ein | |
Flüssiggastanker, zwei Flusseisbrecher und ein besonders ruhig im Wasser | |
liegendes Doppelrumpfschiff. | |
Die Branche lebt vom Bau von Kreuzfahrtschiffen – zumal die Bremerhavener | |
Lloyd-Werft neu in das Geschäft eingestiegen ist. Lloyd ist damit auf 80 | |
Monate hinaus ausgelastet, die Papenburger Meyer-Werft auf 60 Monate. Meyer | |
beschäftigt traditionell viele Zulieferer und wegen des boomenden Geschäfts | |
inzwischen auch andere Werften, die Schiffskomponenten zuliefern. | |
Eine aus Sicht der IG-Metall „erschreckende“ Lücke in dieser Liste bildet | |
der Markt für die Offshore-Windkraft. Kein Errichterschiff, keine | |
Wohnplattform, keine Konverterstation ist in den vergangenen zwölf Monaten | |
in Deutschland bestellt worden. „Die Beschäftigung hat sich nicht | |
entwickelt wie erhofft“, stellt Meinhard Geiken, Bezirksleiter der | |
IG-Metall Küste fest. | |
Das liege unter anderem an den unklaren Rahmenbedingungen für die | |
Industrie. „Wir hatten vier Systemwechsel in den vergangenen zehn Jahren“, | |
ergänzt Heino Bade, der bei der IG-Metall für den Schiffbau zuständig ist. | |
„Das hat ein Großteil der Industrie nicht überlebt.“ Mit seinem | |
Ausschreibungsmodell für neue Offshore-Windparks, das gerade entwickelt | |
werde, dürfe sich das Bundeswirtschaftsministerium nicht bis 2017 Zeit | |
lassen. | |
„Je länger wir über die Ausschreibung diskutieren, desto später kommen die | |
Aufträge“, sagt Bade. Das könne eine fatale Lücke in die Auftragskette der | |
Unternehmen reißen. Die IG-Metall verlangt deshalb eine Übergangsregelung | |
bis zum Inkrafttreten des Ausschreibungsmodells. Außerdem dürfe die | |
Bundesregierung den Ausbau der Offshore-Windkraft nicht deckeln. | |
Für fatal hält die Gewerkschaft auch, dass sich die Bundesregierung | |
entschieden hat, den Bau des neuen Mehrzweckkampfschiffes MKS 180 für die | |
Marine europaweit auszuschreiben. Dabei geht es um einen Auftragswert von | |
3,8 Milliarden Euro. Die Ausschreibung sei ein deutlicher Bruch mit dem | |
bisherigen Vorgehen. „Es besteht keine Notwendigkeit dazu“, sagt Bade. | |
Alle europäischen Nationen schrieben ihre Rüstungsaufträge national aus. | |
Überdies gebe es in diesem Sektor keinen echten Wettbewerb, denn die | |
Rüstungswerften der übrigen Staaten seien meist staatlich. „A400M, | |
Heckler&Koch – in der Gemengelage werden wir gerade über den Löffel | |
barbiert“, befürchtet Bade mit Blick auf die jüngsten Skandale bei der | |
Beschaffung von Rüstungsgütern für die Bundeswehr. | |
Das Mehrzweckkampfschiff sei ein Referenzprojekt, mit dem die Werften im | |
Ausland hausieren gehen könnten. „Wenn ich eine Staatswerft wäre, würde ich | |
mir das einiges Kosten lassen, das deutsche Referenzprojekt an Land zu | |
ziehen“, sagt Bade. „Wir glauben, dass dieser Weg die industrielle Basis | |
bedroht.“ | |
Bei allen Befürchtungen, die die Gewerkschaft im zivilen Schiffbau | |
umtreiben, stellt ihre Umfrage auch ein scheinbar paradoxes Phänomen fest: | |
Die Betriebe klagen über den Mangel an fachkompetenten Bewerbern: 60 | |
Prozent aller Werften und rund 80 Prozent der elf befragten Zulieferer | |
melden Probleme, freie Stellen adäquat zu besetzen. Das gelte auch für die | |
Leiharbeit, die von den Werften kräftig genutzt wird. | |
Im Durchschnitt beschäftigen die Werften 15 Prozent Leiharbeitnehmer, in | |
der Spitze 50 Prozent. Bei den Zulieferern liegt die Quote bei knapp sieben | |
Prozent. Dazu kommen bei den Werften die vielen Werkverträgler. Nur noch | |
gut 60 Prozent der Werft-Beschäftigten zählten im Durchschnitt zur | |
Stammbelegschaft. „Wer nur noch mit einer Rumpfmannschaft antritt, verliert | |
wichtiges Know-how und setzt damit die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens | |
aufs Spiel“, warnt Geiken. | |
Dafür sind die Werften als Ausbildungsbetriebe recht beliebt: Auf einen | |
Platz kamen 23 Bewerber – bei den Zulieferern waren es 16. | |
14 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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