| # taz.de -- Die Wahrheit: Neozoen gegen Weichteilrheuma | |
| > Ich liebe Tiere, je plumper desto besser, und wenn sie sich dann auch | |
| > noch teilweise im Wasser aufhalten, haben sie eh mein Herz. | |
| Bild: Kein Hitlergruß: Als Nazi diffamierter Waschbär | |
| Jetzt wurde ich bei der Ernennung des/der Berliner Biberbeauftragten schon | |
| wieder übergangen. Was muss man denn noch tun, um seinen guten Willen | |
| gegenüber Stadttieren zu zeigen? Niemand passt besser auf diesen Posten als | |
| ich. Ich liebe Tiere, je plumper desto besser, und wenn sie sich dann auch | |
| noch teilweise im Wasser aufhalten, haben sie eh mein Herz. | |
| Meine Versuche, Delfine im Landwehrkanal anzusiedeln, die beim | |
| Aus-dem-Wasser-Hüpfen nonchalante Bonmots zu den biertrinkenden Expats am | |
| Ufer keckern, oder der Rattenplage allein durch Argumente Herr zu werden, | |
| sind leider gescheitert. Aber das wird noch! | |
| Meine überbordende Tierliebe half mir kürzlich auch bei einem Besuch bei | |
| Freunden, in deren Großstadtbude sich beeindruckende fünf verschiedene | |
| Arten tummelten: 1. Katzen, die ihre Vogelopfer zur Hälfte unter unserem | |
| Bett verspeisten und ihre Kacke teilweise selbstständig im Streu verbuddeln | |
| konnten, 2. Bettwanzen, die gar nicht so klein sind, wie man denkt, 3. | |
| Silberfischchen, die es schnell schafften, mir ein Gefühl von Heimat zu | |
| geben, 4. Ameisen, deren anstrengender Marsch über den Frühstückstisch uns | |
| allmorgendlich ganz demütig gegenüber unserem eigenen Luxusleben machte, | |
| und 5. ein nicht identifizierbares Nagetier, das anscheinend im Gebälk | |
| hinter dem Kopfende des Bettes saß und seine Schneidezähne fleißig jede | |
| Nacht in die Zwischenwände schlug, damit sie scharf blieben. Und ich liebte | |
| sie alle! | |
| Aber noch mehr liebe ich gebietsfremde Tiere. In leichter Abwandelung eines | |
| Zitats des charmantesten aller Marx-Brothers, Harpo, der mal gesagt hat, er | |
| hätte gern so viele Kinder wie Fenster, damit in jedem Fenster ein Kind | |
| stehen und winken könnte, wenn er das Haus verlässt, hätte ich gern in | |
| jedem Zimmer ein Neozoon. | |
| Im Schlafzimmer, in seinem kleinen Bau unter unserem Bett, könnte der Fuchs | |
| hausen, uns abends anfunkeln, wenn wir das Licht löschen, um danach cool | |
| ein bisschen über den Flur zu schnüren. Der Waschbär sitzt natürlich im | |
| Badezimmer und hilft mir mit der Wäsche. Im Wohnzimmer haben es sich Nerze | |
| auf dem Sofa gemütlich gemacht, sie krabbeln wie lebendige | |
| Reise-Nackenkissen um unsere Hälse, wenn wir abends Serien gucken, und | |
| lindern Weichteil- und Gelenkrheuma. Und in der Küche geht mir die | |
| chinesische Wollhandkrabbe zur Hand, die sich von ihrer langen Reise in den | |
| Ballasttanks eines Schiffs bereits erholt, und zudem ihre Scheren | |
| praktischerweise gleich dabei hat. | |
| Falls sie doch nicht helfen will – ich bin in Besitz eines fabelhaften | |
| Rezepts für gedämpfte Wollhandkrabben, und werde es zur Not auch anwenden. | |
| In der traditionellen chinesischen Medizin nutzt man die Krabben gegen | |
| Blutergüsse und Rheumatismus, und vor allem erstere sind bei mir neuerdings | |
| keine Seltenheit, seit der Fuchs ein bisschen aufmüpfig geworden ist. Falls | |
| die Nerze jetzt auch noch revoltieren sollten, muss ich mir überlegen, was | |
| ich mache. Eine Hand wäscht schließlich die andere. Aber sag das mal dem | |
| Waschbär. | |
| 4 Sep 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
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