# taz.de -- Die Wahrheit: Verkehrsweisheiten vom Beteigeuze | |
> Den alltäglichen Zumutungen des Nah- und Fernverkehrs kann nur mit | |
> bahnbrechenden Innovationen begegnet werden. | |
In letzter Zeit hat mir der öffentliche Nahverkehr dermaßen oft ans Bein | |
gepisst und mich zum Taxifahren gezwungen, dass ich überlege, eine deutsche | |
Version des Buchs „Taxi Wisdom“ herauszugeben. Diese Sammlung präsentiert | |
philosophische Taxisprüche aus New York, wo man laut Douglas Adams ja sogar | |
als Außerirdischer sofort ins Geschäft einsteigen kann, ohne aufzufallen. | |
In Berlin geht das ebenso: Ich hatte bereits mehrmals Taxifahrer, die auch | |
bei 20-, gar 30-Euro-Fahrten nicht blinzelten – ein Hinweis auf eine Heimat | |
nahe dem Beteigeuze. Und ihre Sprüche sind eh Küchenhandtuchklassiker: | |
„Wenn man endlich alles kapiert hat, muss man abtreten“ (Berliner, 60, | |
Zopf, Brille). „Name egal – Hauptsache, Liebe stimmt“ (Berliner mit | |
arabischen Wurzeln, 50). „Fahrgäste die reden, kotzen nicht“ (Berlinerin, | |
40, mit Geruchsbäumchen „New Car“). „Allah sei Dank für die Busspur“ | |
(Berliner mit arabischen Wurzeln, 30, ohne Bremse). | |
Frustrierender als der öffentliche Nahverkehr ist nur der Fernverkehr. Ich | |
habe meine schon mehrfach hier vorgestellte geniale Idee des „Mani- und | |
Pedikürewaggons“ (mit dem Slogan „Durch das Land mit schöner Hand“ | |
beziehungsweise „Zuggenuss mit schickem Fuß“) vor Kurzem bei der | |
DB-Ideenschmiede eingereicht, werde aber von den Nerds dort ignoriert, die | |
lieber neue Reservierungs-Apps möchten, damit ihre reservierten Plätze bei | |
Zügen, in denen die Reservierungsanzeigen ausgefallen sind, schnell | |
umgebucht werden. | |
Das Problem sehe ich natürlich – nach einer langen Diskussion spielte ich | |
neulich sogar mit dem Gedanken, mal wieder an den Moralpapst Dr. Rainer | |
Erlinger zu schreiben: Meiner Ansicht nach widerfährt den Passagieren, die | |
einen Sitzplatz reserviert haben, und denen, die das nicht getan haben und | |
sich auf einen freien Platz setzen, das gleiche Unrecht, wenn die Anzeigen | |
ausfallen. Und darum haben die mit den Reservierungen kein Vorrecht | |
gegenüber denen, die dort schon sitzen – sie haben ja ebenfalls nach bestem | |
Wissen und Gewissen gehandelt. | |
Moralische Vorrechtspositionen wie Kinder haben, alt oder gebrechlich sein, | |
existieren durchaus. Aber wenn zwei wacklige Omis, eine mit, eine ohne | |
Reservierung, kurz vor Berlin denselben Platz beanspruchen, auf dem die | |
eine schon seit Stendal sitzt und strickt und nicht wissen konnte, dass der | |
Anzeigenausfall sie betrifft – ja, dann möchte ich mal den Schelm sehen, | |
der Böses dabei denkt. | |
Es ist mir bekannt, dass die Frustrationen mit Nah-, Fern- und überteuertem | |
sowie umweltfeindlichem Individualverkehr viele Menschen auf die Leeze | |
treibt, wie der Münsteraner sagt. Mich nicht. Ich drapiere die | |
Gesichtsbaracke doch nicht stundenlang zu einer erträglichen Maske, sprühe | |
Haare fest und wickle die Unformen in Pencilskirts, um mich nach einer | |
20-minütigen, lebensgefährlichen Fahrradrallye mit heraushängender Zunge, | |
verdreckten Netzstrümpfen und unfreiwilliger Föhnfrisur vom Rad zu quälen. | |
Dann ärgere ich mich doch lieber „in Style“. | |
4 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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