# taz.de -- Die Wahrheit: Noch 78 Jahre | |
> Wer sich aufs eigene Ableben vorbereitet, muss einiges bedenken. | |
> Besonders wenn die Trauerfeier abwechslungsreich werden soll. | |
Bekanntlich werde ich 123 Jahre alt. Dennoch habe ich für mein Ableben | |
schon alles geplant, denn Vorbeugen ist besser als Nachbeugen, in diesem | |
Fall trifft das sogar besonders zu. Es wird also folgendermaßen vor sich | |
gehen: | |
Falls noch organische Teile brauchbar sind, werden sie gespendet. | |
Allerdings müsste man sich vielleicht realistischerweise fragen, wer eine | |
123-jährige Gebärmutter oder eine Leber braucht, durch die schon Fabersekt | |
aus dem schlechten Jahrgang 1986 floss. Der Rest kommt in einer biologisch | |
abbaubaren Tüte aus Maisstärke in die Biotonne. Ich hoffe sehr, dass es bis | |
dahin etwas größere Tüten gibt als die, in der ich gestern zwei Pfund | |
Kartoffeln kaufte. | |
Dann: Im Internet wird es einen Doodle oder anderen Online-Terminplaner | |
geben, in den sich alle potenziellen Besucher meiner Trauerfeier für den | |
Vortrag eines Heinz-Erhardt-Gedichts anmelden müssen. Kurz hatte ich | |
überlegt, ob statt des Gedichts jeder ein Chopin-Klavierstück vorspielen | |
sollte, fand die Idee aber dann doch ein bisschen borniert. | |
Das mit dem Doodle hat den Hintergrund zu vermeiden, dass ausschließlich | |
„Die Made“ und „Der Kabeljau“ rezitiert werden, schließlich sind alle | |
Gedichte von Heinz Erhardt gleichsam überragend, und wenn ich dann nicht | |
leider schon tot wäre, würde ich mich wahnsinnig über „Der Tauchenichts“, | |
„Das Kälbchen“ oder „Der große weiße Vogel“ freuen. Falls jemand spo… | |
der Trauerfeier teilnimmt und kein Heinz-Erhardt-Gedicht abbekommen hat, | |
gingen in Ausnahmefällen auch Joachim Ringelnatz („Ernster Rat an Kinder“) | |
oder das schöne Gedicht, das ein Lyriker 1980 in meinem Poesiealbum | |
hinterließ: „Unter Rosen und Narzissen hat ein kleiner Hund geweint.“ | |
Dann: Ich denke noch darüber nach, eine Mottotrauerfeier zu machen, auch im | |
Leben liebte ich ja Mottopartys. Vielleicht etwas mit Ostpreußen oder | |
Olympische Spiele oder Superhelden. | |
Dann: Eigentlich wäre es schön, wenn die Gäste ihre Cremant-Gläser auf | |
meinem Sarg abstellten, aber ich hatte mich ja gegen einen Sarg | |
entschieden. Also werde ich doch eher eine mit vielen aufgequollenen | |
Himbeeren und schlaffen Erdbeeren angereicherte Wodkabowle anbieten lassen, | |
passend zum Komposthaufen. Eklige Altbierbowle würde sich theoretisch noch | |
besser eignen, aber bei der Vorstellung fände ich keine Ruhe und käme | |
mitternachts zurück, um zu spuken und zu spucken und … | |
Dann: Falls ich bis dahin Waffennärrin geworden sein sollte, freute ich | |
mich bestimmt über ein paar Salutschüsse. Mir würden – wie für | |
Konteradmirale – dreizehn Schuss schon genügen, man muss ja auch an die | |
Nachbarn denken. Wer die Ehrensalve ausführt, ist egal, solange es kein | |
Schützenverein ist. Nur das zackige Zusammenlegen einer Fahne mit | |
anschließendem Übergeben an die Hinterbliebenen könnte problematisch | |
werden, denn erstens bin ich dagegen und zweitens ist dann ja eh keiner | |
mehr übrig, um das akkurate Stoffrechteck in Empfang zu nehmen. Ich am | |
allerwenigsten. Schade. | |
10 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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