# taz.de -- Die Wahrheit: Teuflische Augenblicke | |
> Die Augen sind der Spiegel der Seele, so dass ein Optiker an einem | |
> Arbeitstag faszinierenderweise mehr verlorene Seelen zu sehen bekommt als | |
> der Teufel persönlich. | |
Bild: Frau Merkel voll cool, LeFloid knibbelt an den Fingernägeln. | |
Die Augen sind der Spiegel der Seele, so dass ein Optiker an einem | |
Arbeitstag faszinierenderweise mehr verlorene Seelen zu sehen bekommt als | |
der Teufel persönlich. | |
Um systematisch nachzuprüfen, was das In-die-Augen-Schauen bezüglich des | |
Seelenheils anrichtet, habe ich mir daher neulich eine „Empirische Woche | |
des Augenkontakts“ verordnet. Der Bäckereifachverkäufer war am Montag der | |
erste Kandidat. | |
Normalerweise wandert mein Blick beim Bestellen nie über die Höhe der | |
Laugenstangen auf der zweiten Etage des Verkaufstresens hinaus. Dieses Mal | |
schaute ich ihm fest in die kleinen, mit blonden Wimpern kaum geschmückten | |
Klüsen, und sagte: „Zwei Knollis und ein Franzbrötchen“. Ertappt senkte er | |
den Blick, und stopfte hastig zwei Dinkelseelen in die Tüte. Aber ich ließ | |
nicht locker: „Ich habe gesagt Knollis“, betonte ich, und schaute ihm | |
wiederum direkt in die Iris. Er reagierte panisch, ließ die Papiertüte | |
fallen und stolperte rückwärts aus dem Verkaufsraum in die Backstube, wo | |
ich ihn gedämpft schluchzen hörte: „Ich kann das nicht tun! Das erinnert | |
mich zu sehr an die Passkontrolle damals!“ Kurze Zeit später bediente mich | |
seine Kollegin, die eine Sonnenbrille trug. | |
Beflügelt durch den Erfolg starrte ich beim Einsteigen in den Bus am | |
Dienstag in die dunklen Augen einer Busfahrerin, die darob so erschrak, | |
dass sie mir drei Euro zu wenig für die Tageskarte abrechnete. Mein Blick | |
schien sie intensiv berührt zu haben – meiner Aufforderung, mich bereits an | |
der Kreuzung herauszulassen, an der ich wohne, und nicht erst an der 300 | |
Meter entfernten Bushaltestelle, kam sie anstandslos nach. „Geht doch!“, | |
rief ich höhnisch, und schaute beim Aussteigen noch mal in ihre Richtung. | |
Sie senkte rasch den Kopf und befingerte ein Nazar-Amulett, das neben dem | |
überdimensionalen Rückspiegel hing. | |
Am Mittwoch versuchte ich eine Kassiererin zum Weinen zu bringen, als ich | |
auf ihr „Schönen Tag noch!“ mit einem festen Blick in ihre murmelgleichen, | |
unter falschen Seidenwimpern schimmernden Pupillen reagierte, und auch | |
nicht aufhörte, als sie längst den Warentrenner wieder auf das Laufband | |
gestellt hatte. Sie schien geistesgegenwärtig den Hilfeknopf unter dem Band | |
gedrückt zu haben, denn augenblicklich stand der Geschäftsführer neben mir. | |
„Alles in Ordnung?“, fragte er, und blickte mich an. Ich blickte zurück. | |
Nichts passierte. Die Sekunden verrannen, ich beobachtete seine | |
Tränenkarunkel, und hatte urplötzlich den Eindruck, dass seine Pupillen | |
eine gelbliche Färbung annahmen. Mir wurde unbehaglich. | |
„Ist was?“, fragte er wieder, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich schwitzte. | |
Mein Herz schlug mir bis in die Ohren. Geschlagen senkte ich die Lider und | |
hastete fort, gefolgt vom Applaus der Kollegen. Eine kleine Wolke Schwefel | |
hatte sich neben mir durch die Schiebetür gedrängt. | |
Noch auf dem Parkplatz konnte ich das sardonische Lachen des | |
Geschäftsführers hören. Es klang wie am Ende von Michael Jacksons | |
„Thriller“. | |
7 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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