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# taz.de -- Press-Schlag Doping: Von Pillen und vom bösen Wolf
> Der kommerzielle Hochleistungssport begünstigt Doping, denn Fans und
> Funktionäre wollen Medaillen sehen. Und Sportpolitiker regen sich wieder
> auf.
Bild: Hauptsache, die Leistung stimmt.
Es soll bestimmte Dinge geben, die sind einfach so: Der Wolf wird in freier
Wildbahn eher nicht zum Vegetarier. Man könnte freilich als Freund des Rehs
eine Wald-Demo organisieren und Schilder mit griffigen Slogans in die Luft
recken: „Wölfe find ich doof!“ oder „Wolf, du Sauhund, lass die Kitze in
Ruh!“
Aber das hätte wohl wenig Sinn, weshalb man Raketenstufe zwei in der
Anti-Wolf-Kampagne zünden müsste: Ein Politiker springt den Reh-Freunden
bei und macht sich dafür stark, mit stärkerem Kaliber auf den Problemwolf
zu schießen. Aber was sie auch tun: Anti-Wolf-Gesetze, Bürgerinitiativen,
Vertreibungen und wölfische Fernsehdiskussionen – der Wolf bleibt Wolf. Das
ist echt schwer zu verdauen für die Freunde des Rehs.
Der Wolf kann nicht aus seiner Haut. Und der Hochleistungssportler kann es
auch nicht. Was dem Wolf seine Fleischeslust und sein Blutrausch, das ist
dem Athleten sein Medikamentenschränkchen. Er greift da nicht rein, weil er
es klasse findet, sich Pillen und Substanzen reinzupfeifen, die andere zur
Bekämpfung von Tumoren oder Blutarmut einsetzen.
Nein, er betätigt sich unter Mithilfe von Sportärzten als Selbstoptimierer,
weil er es muss. Weil die Öffentlichkeit, der Sportfan, Sportfunktionäre
und Sportpolitiker Medaillen sehen wollen. Weil sie sich berauschen am
Wettstreit auf höchstem Niveau, an „unmenschlichen Leistungen“, wie es
immer heißt. Hochgerüstet wird nicht nur beim Militär, auch im Bereich des
Leistungssports werden die Arsenale gefüllt. Eine Bombenwirkung entfalten
Epo, Anabolika oder Wachstumshormone.
## 800 Sportler mit verdächtigen Werten
Eine Dokumentation hat am Wochenende zutage gefördert, dass, verflixt noch
mal, diese verdammten Leistungssportler dopen wie die Sau. Die ARD und die
englische Zeitung Sunday Times haben eine Liste mit 12.000 Bluttests von
rund 5.000 Läufern ausgewertet, die aus der Datenbank des
Leichtathletik-Weltverbandes IAAF stammt. Darunter sollen 800 Sportler mit
dopingverdächtigen Blutwerten sein, die von 2001 bis 2012 bei Olympischen
Spielen und Weltmeisterschaften an den Start gegangen sind. Potz Blitz:
Darunter sollen auch 150 Athleten sein, die Medaillen bei diesen
Topereignissen gewonnen haben.
Die Empörung ist groß. So groß wie vor ein paar Monaten, als die ARD
enthüllte, dass die russische Leichtathletik dopingverseucht ist. So groß
wie nach den Enthüllungen um Lance Armstrong, den gefallenen Helden der
Tour de France. So groß wie nach dem Balco-Skandal. So groß wie nach dem
österreichischen Blutdopingskandal. So groß wie nach dem Festina-Skandal.
So groß wie…
Am lautesten schreien Sportpolitiker Zeter und Mordio, die es eigentlich
besser wissen müssten, wie zum Beispiel die Vorsitzende des
Sportausschusses im Bundestag, die SPD-Politikerin Dagmar Freitag. Sie ist
gleichzeitig Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.
Freitag lässt sich mit den Worten zitieren: „Die aktuellen Erkenntnisse
über Dopingpraktiken in der Leichtathletik müssen Konsequenzen weit über
die üblichen Lippenbekenntnisse der internationalen Verbände hinaus haben.“
## Daumendrücken wäre sinnvoller
Man ahnt, dass sie diese Sprechblase schon mehrfach mit heißer Luft befüllt
hat. Aber das können andere auch, sogar noch besser. Justizminister Heiko
Maas (SPD) glaubt ganz fest an die reinigende Wirkung seines
Anti-Doping-Gesetzes – Daumendrücken wäre vermutlich sinnvoller. Oder
IAAF-Chef Lamine Diack, der jetzt in der Leichtathletik „aufräumen“ will.
Ist ihnen allen entgangen, dass kommerzieller Hochleistungssport,
aufgeführt vor einer ständig größer werdenden Masse von Sportfans und
angetrieben von prestigesüchtigen Sportfunktionären, Doping begünstigt?
Auf dem Humus des globalisierten Event-Sports gedeiht der Betrug. Es ist
das Wolfsgesetz des Sports.
4 Aug 2015
## AUTOREN
Markus Völker
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