| # taz.de -- Nach 23 Jahren in Berlin: Familie von Abschiebung bedroht | |
| > Vor allem Menschen aus Serbien und Bosnien werden derzeit aus Berlin | |
| > abgeschoben. Viele sind Roma. Dieses Schicksal droht auch der Familie | |
| > Pavlovic. | |
| Bild: Sie wollen Abschiebungen verhindern: Protestler am Flughafen. | |
| Berlin taz | Eigentlich sieht es bei den Pavlovics in Neukölln an diesem | |
| Nachmittag ganz normal aus, sogar ziemlich gemütlich. Der Kaffee ist | |
| lecker, der Pflaumenkuchen selbst gemacht, der fünfjährige Predrag schaut | |
| mit großen Augen, die bald einjährige Natalia quietscht freundlich. Doch | |
| die junge Familie sitzt auf heißen Kohlen. Ihr droht die Abschiebung – nach | |
| 23 Jahren in Deutschland. | |
| 1992 flohen die heutigen Großeltern Pavlovic vor dem Bürgerkrieg im | |
| zerfallenden Jugoslawien aus ihrer Heimat Serbien. Miodrag, Vater von | |
| Predrag und Natalia, war damals neun. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt. | |
| Seither kämpft die Familie um einen sicheren Aufenthalt in Deutschland. | |
| Das war für Miodrag, beschäftigt als Gebäudereiniger, so lange kein | |
| Problem, solange er keine Familie hatte. Doch mit der Heirat mit Frau | |
| Rabija und den zwei Kindern reichten seine 1.100 Euro netto nicht mehr, um | |
| den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Da Rabija, die 2008 durch die | |
| Heirat mit Miodrag nach Deutschland kam, erst sechs Jahre später eine | |
| Arbeitserlaubnis erhielt, beantragte die Familie Sozialhilfe. Dies führte | |
| zu dem Abschiebebescheid. Und der wiederum dazu, dass Miodrag Pavlovic der | |
| Job gekündigt wurde. | |
| ## Neue Regelung diskutiert | |
| Von den 374 im laufenden Jahr aus Berlin abgeschobenen Personen stellen | |
| SerbInnen mit 167 die größte Gruppe: fast 45 Prozent. Zweitgrößte sind mit | |
| 68 Personen die BosnierInnen, dann kommen Menschen aus dem Kosovo. | |
| Insgesamt betreffen 75 Prozent der Abschiebungen mittlerweile Menschen aus | |
| den Balkanländern, die die Bundesregierung 2014 zu „sicheren | |
| Herkunftsländern“ erklärt hat, und dem Kosovo, für den diese Regelung | |
| derzeit ebenfalls diskutiert wird. | |
| So forderte am Montag der Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Florian Graf, | |
| Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. | |
| Graf sieht darin ein Mittel, besser mit den steigenden Flüchtlingszahlen | |
| umgehen zu können. Die CDU möchte seit Langem, dass sich Berlin in einer | |
| Bundesratsinitiative dafür einsetze, so Graf. Mit der Berliner SPD sei dies | |
| bisher aber nicht zu machen gewesen. | |
| Bis 2012 hatten Vietnamesen die Berliner Statistik angeführt. Deren | |
| Abschiebezahl sinkt seither, während die Gesamtzahl von Abschiebungen von | |
| 453 im Jahr 2011 auf über 600 in 2014 gestiegen ist. Dieses Jahr werden es | |
| noch mehr werden. Und in den meisten Fällen handelt es sich um sogenannte | |
| Direktabschiebungen, bei denen die Menschen auf der Straße aufgegriffen | |
| oder aus ihren Wohnungen geholt werden. Während das 2011 lediglich in 7 | |
| Fällen geschah, waren 2014 rund 77 Prozent Direktabschiebungen. | |
| Und man müsse „wohl angesichts der Länderliste nicht zweimal hinschauen“, | |
| um zu erkennen, dass sich die Abschiebewut der Behörden derzeit vor allem | |
| gegen Roma richte, sagt Miodrag Pavlovic’ großer Bruder Milan. Auch die | |
| Familie Pavlovic gehört zu dieser Bevölkerungsgruppe. Der 38-jährige Milan | |
| leitet das Roma-Informationscenter in Neukölln, eine unter anderem vom | |
| Senat finanzierte Einrichtung für Beratung, Aufklärung und | |
| Kulturveranstaltungen von und über Roma. | |
| ## Falsches Bild der Roma | |
| „Wir haben uns immer für diese Gesellschaft engagiert“, sagt Milan | |
| Pavlovic. „Doch die Gesellschaft sieht nicht die Roma wie uns“, ergänzt er: | |
| „Sie sieht nur, was sie sehen will: die, die auf der Straße betteln.“ | |
| Rabija Pavlovic ist unglücklich. Die 29-Jährige fürchtet um die Zukunft | |
| ihrer Kinder, wenn sie in Serbien aufwachsen müssen. Auf dem Arbeitsmarkt, | |
| in den Schulen, bei der Gesundheitsversorgung würden Roma dort | |
| diskriminiert, sagt ihr Schwager Milan. „Und wir haben nichts dort“, sagt | |
| Rabija. Deutsch hat sie gut gelernt in den sieben Jahren hier, einen Kurs | |
| als Altenpflegehelferin absolviert: „Hätten sie uns nur sechs Monate mehr | |
| Zeit gegeben, dann hätte Natalia in den Kindergarten und ich arbeiten gehen | |
| können“, sagt sie. Dann hätte das Einkommen der Familie wieder ausgereicht. | |
| Jetzt ist ihre einzige Hoffnung, dass sich der Petitionsausschuss des | |
| Abgeordnetenhauses ihres Falls annimmt. | |
| 10 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Alke Wierth | |
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