| # taz.de -- Das war die Woche in Berlin II: Das Chaos auch mal feiern | |
| > Der Senat hat einen „Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement“ gegründet | |
| > – das ist auch die offizielle Anerkennung eines Notstands. | |
| Bild: Der Andrang ist groß: Flüchtlinge warten vor der Erstaufnahmestelle. | |
| Die Welt ändert sich, und viele Menschen, die davon betroffen sind, | |
| reagieren aktiv darauf. Sie handeln, etwa, indem sie die Orte verlassen, an | |
| denen sie nicht mehr sicher sind, ihren Hunger (nach Essen, Bildung, einem | |
| anständigen Leben) nicht mehr stillen können, ihre Grundrechte missachtet | |
| werden. Das ist eine richtige und berechtigte Reaktion. | |
| Mit ihr kommt Globalisierung auch bei uns an. Und löst zunächst Chaos und | |
| damit Angst und Schrecken aus. Rasant steigende Flüchtlingszahlen führten | |
| in Berlin dazu, dass deutsche Beamte und Behörden Gesetze brechen, ihre | |
| eigenen Vorschriften missachten, ihre Akten nicht mehr ordentlich führen – | |
| eine eigentlich fast unvorstellbare Situation. Die auch wir als taz | |
| angeprangert haben: Weil sie in der Regel zum Schaden der Flüchtlinge und | |
| zum Nutzen etwa gewinnorientierter Flüchtlingsheimbetreiber führt. | |
| Doch vielleicht sollten gerade wir diesen Zustand, diese Entwicklung, | |
| dieses Chaos eigentlich feiern. Man kann das nämlich auch aus einer ganz | |
| anderen Perspektive sehen. Das für die Versorgung Asylsuchender zuständige | |
| Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) hat Recht gebrochen beim | |
| Aufbau neuer Flüchtlingsheime – um Menschen möglichst schnell Obdach zu | |
| geben: um zu helfen. | |
| Der Senat hat diese Woche einen „Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement“ | |
| gegründet, der die Macht hat, weit in die Befugnisse von Landes- und | |
| Bezirksbehörden und sogar landeseigenen Unternehmen einzugreifen. Er kann | |
| Verfahrensabläufe und Vorschriften verändern, Personal versetzen, | |
| Kooperation erzwingen und eventuell sogar Bezirken Aufgaben entziehen. | |
| Das ist eine überraschend fundamentale Reaktion des Senats auf das bisher | |
| äußerst chaotische „Flüchtlingsmanagement“ der Hauptstadt. Denn sie ist | |
| nicht nur die offizielle Anerkennung eines Notstands. Sie stellt einen | |
| echten Paradigmenwechsel dar: Es geht nicht mehr darum, wachsende | |
| „Flüchtlingsströme“ in geltende Vorschriften und Abläufe zu pressen. | |
| Sondern umgekehrt diese Vorschriften der sich ändernden Realität | |
| anzupassen. | |
| Die Welt ändert sich, sie gerät in Bewegung, und auch unsere Gesellschaft | |
| wird – denn sie muss – sich verändern. Es ist jetzt nicht mehr ganz | |
| ausgeschlossen, dass das auch im Senat verstanden wurde. | |
| 15 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Alke Wierth | |
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