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# taz.de -- Instant Articles und Journalismus: F wie ...
> Vor kurzem erschien der erste Instant Article von bild.de auf Facebook.
> Auch Google und Apple interessieren sich für journalistische Inhalte –
> ist das gut?
Bild: Facebook. Das soziale Netzwerk macht jetzt in Journalismus.
Das Team, das bild.de in die Zukunft führen soll, heißt „Foxtrott“. F, wie
future. Man könnte aber auch sagen F, wie Facebook. Denn genau da sehen
einige Verlage, darunter auch Axel-Springer, ihre Zukunft. Foxtrott, der
Standardtanz, das klingt nach einem beschwingten Weg nach vorn. Die Frage
aber ist, wer führt und wer folgt: Facebook oder Springer?
Vor knapp zwei Wochen hat bild.de den ersten „Instant Article“ in der
mobilen Facebook-App veröffentlicht: eine Huldigung an den Fußballer Mario
Götze, ein Jahr nach seinem WM-Siegtor, mit Videos, Fotos und
Exklusivinterview. Der Unterschied zu einem normalen Artikel: Der Instant
Article ist kein Link zu bild.de, sondern läuft direkt in der mobilen
Facebook-App, und das viel schneller als auf der Website.
Neben bild.de will auch Spiegel Online demnächst seinen ersten Instant
Article veröffentlichen. Facebook hat sich bewusst die Portale mit der
größten Reichweite gegriffen, deswegen auch die New York Times, National
Geographic und den Guardian. Jahrelang haben sich die großen
Internetunternehmen aus den USA kaum für den Journalismus interessiert.
Jetzt umgarnen sie die Verlage mit Kooperationsangeboten und neuen
Geschäftsmodellen. Google hat im März seine „Digital News Initiative“
gestartet, eine Art Gesprächskreis mit den Verlegern. Dazu sponsert Google
150 Millionen Euro für digitale Projekte und ein Weiterbildungsprogramm.
Aus Deutschland beteiligen sich unter anderen Der Spiegel, die SZ, die FAZ
und Die Zeit – also fast alle großen Medienhäuser.
Apple hat in den USA eine eigene News-App gelauncht, die Artikel aus
verschiedenen Verlagen bündeln soll. Nun sucht das Unternehmen
Journalisten, die die Texte kuratieren. Und auch Twitter und die
Google-Tochter YouTube legen neue Nachrichtenangebote auf und stellen dafür
Journalisten ein.
## Noch länger auf Facebook
Die Unternehmen bauen damit eine Art Rundumversorgung für ihre Nutzer. Das
Kalkül: Wer in seiner iPad-App künftig gut ausgewählte Nachrichten findet,
für den wird das Gerät noch unverzichtbarer. Und wer Facebook nicht mehr
verlassen muss, um ansprechend präsentierte journalistische Texte lesen zu
können, verbringt noch mehr Zeit in dem sozialen Netzwerk. Apple will mehr
Geräte verkaufen, Facebook mehr Geld für Anzeigen verlangen.
Die Verlage machen mit, weil ihre Leserinnen und Leser zunehmend eher die
sozialen Netzwerke aufrufen als die Startseiten der Nachrichtenportale.
Laut einer aktuellen Studie des Pew-Forschungszentrums in Washington
konsumieren 63 Prozent der US-Amerikaner ihre Nachrichten bereits bei
Facebook – ein Trend, den auch die deutschen Medienhäuser merken, wenn auch
noch nicht so stark.
Außerdem bietet Facebook den Verlagen die Möglichkeit, ihre Anzeigen in den
Facebook-Artikeln selbst zu verkaufen und die Einnahmen komplett zu
behalten. Entsprechend groß sind Jubel und Hoffnung der Verleger. Kritik an
den neuen Kooperationen gibt es nur noch selten. Die FAZ, die selbst Teil
der Google-Initiative ist, sieht zumindest Facebooks Instant Articles
skeptisch. Mark Zuckerberg werde zum größten Verleger der Welt, schrieb zum
Beispiel Michael Hanfeld, FAZ-Medienredakteur, für den der Deal einer
Kapitulationserklärung gleichkommt.
„Für uns ist das ein Experiment“, sagt dagegen Torsten Beeck, Social Media
Manager bei Spiegel Online. „Wir probieren das einige Monate aus und
entscheiden dann, ob wir es weiterführen.“ Springer wiederum hat jetzt
schon große Pläne: Künftig soll ein Teil der Artikel, den das
Social-Media-Team von bild.de bei Facebook postet, automatisiert im
Instant-Articles-Format erscheinen, sagte bild.de-Chef Julian Reichelt
gegenüber der Onlinemedienseite Horizont.
## Wie verdient Springer damit?
Mit dem Deal geben die Verlage viel aus der Hand. Den Algorithmus, nach dem
Facebook Neuigkeiten anzeigt, bestimmt Facebook. Sollte es irgendwann
anfangen, Artikel weit unten zu listen, haben die Verlage keine Handhabe.
Ähnlich ist es mit den Bedingungen der Kooperation, die zurzeit noch beide
Seiten bestimmen. Die Verlage haben Forderungen gestellt, zum Beispiel,
dass man auch über Bezahlmodelle diskutieren solle.
Die [1][Artikel von Instant Articles] sind, wie Facebook auch, momentan
kostenlos. Bild.de hat aber jetzt schon eine Paywall vor einen Teil seiner
Geschichten hochgezogen. Wie kann Springer mit seinen exklusiven Inhalten
auch bei Facebook Geld verdienen? Diese Frage wird gerade verhandelt.
Eine andere Forderung der Verlage: journalistische Unabhängigkeit. Wenn
Facebook die Plattform stellt, wäre es dann nicht denkbar, dass das
Unternehmen irgendwann in die Artikel eingreift? Eine erste Andeutung hat
Chris Cox, Produktchef von Facebook, bereits im Juni vor Studenten in
Berlin gemacht: Wenn Inhalte gegen unsere Facebook-Regeln verstoßen,
löschen wir sie.
Jochen Wegner, Chefredakteur von Zeit Online, macht das keine Angst: „Ich
nehme nicht an, dass wir täglich gegen die Guidelines von Facebook
verstoßen werden.“ Dass Zeit Online sich an Instant Articles beteiligt, ist
noch nicht offiziell. Jochen Wegner kann sich das aber sehr gut vorstellen:
„Facebook macht derzeit manches besser als Google: Sie sind zum Beispiel
von vornherein auf das Anliegen von Verlagen eingegangen, Inhalte selbst
vermarkten zu können. Auch Apple schwenkt auf diesen Kurs ein, Google wird
ja vielleicht irgendwann folgen.“
## Google hat nicht zugehört
„Natürlich haben wir auch Fehler gemacht“, sagt Gerrit Rabenstein, der bei
Google die Partnerschaften mit der Verlags- und Nachrichtenbranche in
Deutschland, Österreich und der Schweiz betreut. „Wir waren in der
Vergangenheit nicht sonderlich gut darin, zuzuhören, sondern haben stark
auf unsere Produkte geschaut.“
Das ändert sich nun. Im Januar trafen sich Google- und Verlagsvertreter in
Davos. Als die Kooperation im März bekannt wurde, gab es viel Kritik. „Die
Kommunikation zum Start der Initiative hätten wir uns anders gewünscht“,
sagt Jochen Wegner. Es gab eine Pressemitteilung, die aufgliederte, aus
welchen Säulen die Kooperation besteht. Diese Mitteilung wurde jedoch
verschickt, nachdem bereits erste Medienberichte erschienen waren. Am Ende
blieb bei vielen der Eindruck, die Verlage ließen sich ihre Inhalte künftig
von Google sponsern.
„Das Geld aus dem Fonds wollen wir nicht“, sagt Jochen Wegner. „Uns
interessieren eher die Bereiche, die als unsexy gelten: Gespräche darüber,
wie wir YouTube besser für unsere Website nutzen können oder wie Google
News besser mit hochwertigen Inhalten umgeht.“ Aber auch in seiner eigenen
Redaktion gab es Skeptiker – genau wie in anderen Häusern.
„Mit dem Verdacht, wir würden mit der Initiative versuchen, unsere Kritiker
mundtot zu machen, kann ich nichts anfangen“, sagt Google-Manager Gerrit
Rabenstein. „Wir arbeiten seit zehn Jahren mit den Verlagen zusammen, da
konnte ich bisher nicht erkennen, dass das Einfluss auf die
Berichterstattung gehabt hätte.“
## Abhängigkeit, das ist die große Sorge
Andererseits: Seit Jahren gilt Google als „Totengräber des Journalismus“,
als Black Box – und zwar nicht nur bei Journalisten, auch bei Politikern,
die Angst haben, dass der Konzern zu groß und zu mächtig wird. So fordert
Schleswig Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD), dass Google
seinen Suchalgorithmus transparent macht. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD)
brachte sogar eine Zerschlagung des Konzerns ins Spiel. Die neue Strategie
des Unternehmens heißt nun also: Umarmung.
„Es geht uns darum, den digitalen Nachrichtenjournalismus zu unterstützen“,
sagt Kay Overbeck, Google-Sprecher. Dazu gehört auch Ausbildungshilfe. Bis
Ende des Jahres will Google weltweit 10.000 Journalisten geschult haben.
Schulen heißt vor allem: im Umgang mit Daten weiterbilden, lehren, wie
Google Trends funktioniert. Nur: Wenn Journalisten an den Google-Tools
ausgebildet werden, welche Chance haben dann überhaupt noch kleinere
Anwendungen, die nicht von Google entwickelt und vermittelt werden?
Verzerrt das nicht den Wettbewerb und macht die Verlage doch abhängig von
Google?
Abhängigkeit, das ist die große Sorge, die wegen der neuen Kooperationen
zwischen den Verlagen und den Internetunternehmen bei Medienkritikern
umgeht. Die Sprecherinnen und Sprecher der Medienhäuser antworten darauf
fast unisono: „So what? Wichtig ist, dass wir auf den Plattformen unser
Profil schärfen, unsere Marke festigen.“
## Was bringt die Zukunft?
Nur: Wie stark kann die Marke sein, wenn Leserinnen und Leser ihre Inhalte
künftig größtenteils bei Facebook finden? Heißt es dann bald wirklich noch:
„Ich hab dazu einen guten Artikel bei Zeit Online gelesen“, oder wird man
nicht eher „Das hab ich bei Facebook gelesen“ sagen?
„Unser journalistischer Fingerabdruck ist anders als bei manchen anderen
Onlinemedien“, sagt Jochen Wegner von Zeit Online darauf. „Zu uns kommen
die Leser nicht trotz, sondern wegen der langen Analysen und Reportagen.
Das ist unser Markenkern. Die Zahlen zeigen uns, dass wir damit Erfolg
haben: Wir wachsen derzeit erfreulich.“
Wenn Wegner recht hat, dann sind all die Ängste vor Facebook und Google
unbegründet. Vor zehn Jahren war schließlich auch nicht absehbar, dass
Facebook so groß und Google so dominant würde. Wer weiß denn wirklich, ob
sie das in zehn Jahren noch sein werden? Wenn nicht, werden sich die
Verlage wohl neue Tanzpartner für ihren Foxtrott suchen müssen. Wenn sie
dann noch die Kraft haben, zu tanzen.
25 Jul 2015
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=T8itWEQowhA
## AUTOREN
Anne Fromm
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