# taz.de -- Massenunterkünfte für Flüchtlinge: Tut das Not? | |
> Der Senat sieht keine andere Möglichkeit, als Flüchtlinge in Zelten | |
> unterbringen, aber was ist mit den Alternativen? Allein 13 Schulen stehen | |
> leer. | |
Bild: Senat sieht dazu keine Alternative: Zelte für Flüchtlinge. | |
HAMBURG taz | Der Senat hat erklärt, 20.000 weitere Flüchtlinge in | |
Notunterkünfte stecken zu wollen. Möglich machen sollen das sieben weitere | |
Containerdörfer, die irgendwo in der Pampa, also am Stadtrand, errichtet | |
werden sollen. Eigentlich wollte die SPD solche Flüchtlingslager vermeiden. | |
Heute präsentieren Rot-Grün Zeltlager und Containerdörfer als | |
alternativlos. | |
„Derzeit besteht keine Alternative zur Zeltunterbringung als Abwendung von | |
Obdachlosigkeit der asylsuchenden Menschen“, heißt es in der Antwort des | |
Senats auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion. Die Unterbringung in | |
Zelten als Notmaßnahme sei die am schnellsten zu realisierende Möglichkeit, | |
mit der sichergestellt werde, dass die Menschen nicht draußen übernachten | |
müssten. | |
Dabei steht die Forderung, Leerstand zu Wohnraum umzunutzen, nicht erst | |
seit gestern im Raum. 2012 griff die Linkspartei die Forderung auf, vor | |
allem den Gewerbe-Leerstand in Unterkünfte für Flüchtlinge umzuwandeln. In | |
ihrer Anfrage wollte die Linksfraktion wissen, welche Immobilien der Senat | |
auf ihre Bewohnbarkeit prüft und welche davon umgebaut werden. | |
70 Büro- und Gewerbe-Gebäude hat der Senat auf ihre Eignung geprüft. Diese | |
Prüfung fiel größtenteils negativ aus. Die meisten Immobilien kämen nicht | |
in Betracht, „da eine Nutzungsänderung nicht genehmigungsfähig“ sei oder | |
die Preisvorstellungen der Eigentümer zu hoch seien. | |
Wie viel dem Senat eine bessere Unterbringung wert ist, darauf legt sich | |
der Sprecher der Sozialbehörde, Marcel Schweitzer, lieber nicht fest. | |
Verschiedene Faktoren wie die Laufzeit des Mietvertrags, die Anzahl der | |
Plätze und die Umbaukosten spielten eine Rolle. „Eine bestimmte Summe als | |
Grenzwert können wir nicht nennen“, sagte Schweitzer auf taz-Anfrage. | |
Auch welche Immobilien in Frage kämen, möchte die Sozialbehörde nicht | |
sagen. „Der Ansturm von Nachfragen und E-Mails, den wir dann von | |
AnwohnerInnen bekommen, ist für uns nicht zu bewältigen“, begründete | |
Schweitzer die Verschwiegenheit. | |
Allerdings erstellt die Finanzbehörde einen jährlichen Leerstandsbericht, | |
also eine Übersicht über alle städtischen Immobilien, die nicht genutzt | |
werden. Doch dieses, angesichts der Notlage brisante Papier halten die | |
Verantwortlichen unter Verschluss. | |
Aus der Anfrage der Linksfraktion geht hervor, dass aktuell 13 Schulgebäude | |
leer stehen, von denen der Senat sechs als geeignet bewertet hat. Eine | |
Schule ist schon bewohnt: Die ehemalige Stadtteilschule Grellkamp in | |
Langenhorn bietet 550 Schutzsuchenden eine erste Bleibe. | |
Bei den Grünflächen haben Rot-Grün die eigenen Ansprüche | |
heruntergeschraubt. Die Flächen werden jetzt schneller geprüft und | |
genehmigt. Seit September 2014 wendet die Stadt das Polizeirecht an, um | |
Flächen ohne öffentliche Anhörungsverfahren so schnell wie möglich nutzbar | |
zu machen. | |
Das gleiche Recht könnte auch auf leere Gebäude angewandt werden – das | |
fordert zumindest die Linke. Doch dazu kann es erst kommen, wenn die | |
Sozialbehörde eine Immobilie für geeignet erklärt. | |
Neben städtischen Gebäuden gibt es fünf Gebäude, die dem Bund gehören und | |
aktuell leer stehen – auch hier will die Sozialbehörde aus strategischen | |
Gründen nicht verraten, welche das sind. Die Bundesanstalt für | |
Immobilienaufgaben bietet diese Immobilien der Stadt aktiv für eine | |
Umnutzung an, konnte aber bis Redaktionsschluss nicht sagen, um welche | |
Gebäude es sich handelt. | |
Nur so viel: Zwei davon hat der Senat als ungeeignet abgetan, eins will der | |
Bund vielleicht doch behalten, die beiden anderen hat der Senat noch nicht | |
geprüft. Wenn man bedenkt, dass stattdessen Containerdörfer und Zelte | |
gebaut werden, stellt sich die Frage, ob die Suche nach Alternativen | |
Priorität hat. | |
Christiane Schneider (Linke) räumt ein, dass es derzeit keine Alternativen | |
gibt: „Man braucht jetzt Zelte, aber bis zum Winter müssen die wieder weg | |
sein.“ Um das zu schaffen, fordert sie, jetzt vorausschauende Maßnahmen zu | |
treffen und etwa bei größeren Gebäuden den Brandschutz nachzurüsten. | |
„Immerhin fängt der Senat jetzt an, leer stehende Gebäude zu prüfen“, so | |
Schneider. Das sei schon mal ein Fortschritt. | |
24 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
Katharina Schipkowski | |
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