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# taz.de -- HSV und Flüchtlinge in Hamburg: Nicht auf meinem Parkplatz
> In Hamburg wird über eine neue Erstaufnahmestelle am HSV-Stadion
> diskutiert. Doch der Fußballverein lehnt das ab.
Bild: Die Sozialbehörde ist inzwischen so weit, dass sie am Stadtrand Flüchtl…
HAMBURG dpa | Es kommen noch mehr, viel mehr. Und sie werden bleiben. Da
macht sich Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele nichts vor. Sein Problem
ist nur: Wo soll er all die Frauen, Männer und Kinder unterbringen? Wohin
mit all den Menschen, die sich wegen der Bombardements in Syrien oder wegen
des IS-Terrors im Irak auf den Weg gemacht haben und es nach teils
lebensgefährlicher Flucht bis nach Hamburg geschafft haben?
Freie Wohnungen gibt es in der Hansestadt schon lange nicht mehr. Alles
Mögliche hat der SPD-Politiker deshalb schon ausprobiert: Kasernen, ein
Wohnschiff, Hotels. Geholfen hat es wenig. Längst sind Innen- und
Sozialbehörde auf Wohncontainer und Zelte umgestiegen – und selbst dabei
geraten sie an ihre Grenzen. So gab es am Wochenende Wirbel um eine
geplante Erweiterung der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge
in der Nähe des Hamburger Volksparkstadions.
Der Hamburger Sportverein (HSV) wehrte sich gegen Vorwürfe, er lehne eine
solche Erweiterung ab. Das Hamburger Abendblatt hatte berichtet, der
Fußball-Bundesligist habe die Unterbringung zusätzlicher Flüchtlinge auf
einem Stadionparkplatz untersagt. Der HSV betonte dagegen, es gehe nicht um
die Frage, „ob weitere Flächen zur Verfügung gestellt werden, sondern wo“.
Auf seiner Internetseite erklärte der HSV, er sei derzeit in engem
Austausch mit der Stadt, um die Ausweitung der Flüchtlingsunterkünfte in
und am Volkspark zu prüfen. In der Stellungnahme zitiert der Bundesligist
Hamburgs Innen- und Sportsenator Michael Neumann (SPD) mit den Worten: „Der
HSV hat sich zuletzt und auch in dieser Frage absolut kooperativ verhalten.
Die zu klärende Frage ist lediglich, wie wir die Ausweitung der Unterkünfte
bestmöglich mit dem Spielbetrieb des HSV in Einklang bringen können. Wir
sind hierzu in einem positiven und konstruktiven Austausch.“
## Entlastung der Stadtstaaten
Auch wenn der HSV nur seinen Spielbetrieb gewährleistet sehen will, wirft
das auch ein Licht auf die Lage in der Hansestadt. Im ersten Halbjahr haben
sich in Hamburg mehr als 12.500 Flüchtlinge in der Zentralen Erstaufnahme
gemeldet und einen Asylantrag gestellt. Das sind mehr als im gesamten Jahr
2014.
Sozial- und Innenbehörde sind inzwischen sogar schon so weit, dass sie in
ihrer Not auf der grünen Wiese am Stadtrand Flüchtlingslager für bis zu
3000 Menschen planen.
Schon vor einem Jahr hat Scheele deshalb vorgeschlagen, sich über die
Verteilung von Flüchtlingen in Deutschland neu Gedanken zu machen. Der
Königsteiner Schlüssel – er bestimmt nach Einwohnerzahl und
Steueraufkommen, wie viele Flüchtlinge in den einzelnen Bundesländern
untergebracht werden müssen – sei zumindest für Stadtstaaten mit wenig
Platz und angespanntem Wohnungsmarkt kaum noch zu erfüllen.
Seine Idee: Wenigstens auf freiwilliger Basis sollte es doch möglich sein,
Flüchtlinge vermehrt dort unterzubringen, wo viele Wohnungen leer stehen
oder gar abgerissen werden – etwa in Teilen des Ruhrgebiets oder der neuen
Länder. „Wir finden in Hamburg keine Wohnungen, kaufen einen Container nach
dem anderen, und woanders wird Wohnraum vernichtet. Das ist verrückt“, sagt
Scheele.
## Flüchtlinge stabilisieren die Infratruktur
Hamburg würde entsprechend dem Sozialgesetzbuch auch dafür bezahlen, sagt
er. Seiner Meinung nach hätten aufnehmende Länder auch Vorteile davon,
Hamburgs Flüchtlinge zu übernehmen. Flüchtlingsfamilien könnten
stabilisierend auf die Infrastruktur in bevölkerungsarmen Gegenden wirken,
etwa wenn wegen der zusätzlichen Kinder Schulen und Kitas doch nicht
geschlossen werden müssten. Oder wenn sich wegen der höheren
Bevölkerungszahl doch noch ein Arzt findet, der in dem Ort eine Praxis
unterhalten will.
Auch wenn Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne)
als erster Regierungschef eines Flächenlandes inzwischen ähnliche
Überlegungen anstellt – die Begeisterung anderer Länder hält sich ob
Scheeles Ansinnen bislang in Grenzen. Das hat auch schon Hamburgs
CDU-Oppositionschef André Trepoll festgestellt. So hätten ihm CDU-Kollegen
aus dem Osten zu verstehen gegeben, dass die Aufnahmekapazitäten in ihren
Ländern begrenzt seien – „obwohl ganz Thüringen so viele Flüchtlinge
aufgenommen hat wie Köln. Das muss man sich mal vorstellen“.
Hamburgs direkte Nachbarn Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern
argumentieren ähnlich. Aus Kiel und Schwerin heißt es im Klartext: Wir
haben selbst genug Probleme und zudem ebenfalls große Mühe, Unterkünfte für
Flüchtlinge zu finden.
Offiziell sagt Schleswig-Holsteins SPD-Innenminister Stefan Studt: „Die
bundesweite Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer nach dem
sogenannten Königsteiner Schlüssel hat sich bewährt.“ Und sein
CDU-Innenministerkollege aus Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier,
betont: „Bei der Verteilung von Asylbewerbern ist der Schlüssel für die
Länder eine verlässliche und vor allem berechenbare Größe.“
## „Die meisten werden bleiben“
Folgerichtig stellt Studt fest: „Es ist derzeit nicht absehbar, dass die
schon bestehenden, aber auch die zeitnah zu errichtenden
Erstaufnahmeeinrichtungen über freie Kapazitäten zur Aufnahme von
Flüchtlingen aus anderen Bundesländern verfügen werden.“
Dabei geht es längst nicht mehr nur um die Erstaufnahme. Der
Flüchtlingsstrom werde in absehbarer Zeit kaum abreißen, sind sich die
Experten sicher. Mehr noch: Anders als nach der Balkankrise in den 1990er
Jahren, als die meisten Flüchtlinge wieder in die Heimat zurückgingen,
„müssen wir jedoch davon ausgehen, dass die meisten bleiben werden“, mahnt
Scheele.
Also Flüchtlingsdörfer aus Containern auf Jahrzehnte hinaus? Der Senator
will nicht immer nur über Belastungen durch die Flüchtlinge reden. „Wir
müssen herausfinden, was die Flüchtlinge für Qualifikationen haben und wie
man sie in Arbeit bringen kann“, sagt Scheele, der im Herbst in den
Vorstand der Bundesagentur für Arbeit wechselt. „Außerdem müssen alle
Kinder zur Schule gehen und eine Ausbildung machen. Parallel dazu muss das
Wohnungsbauprogramm noch einmal ausgeweitet werden.“ Angesichts der
demografischen Entwicklung könne man dem Thema so durchaus auch eine
positive Seite abgewinnen.
19 Jul 2015
## AUTOREN
Markus Klemm
Matthias Benirschke
## TAGS
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Schwerpunkt Flucht
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Erstaufnahme
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