# taz.de -- Amateurfußball: Ein Endspiel für Traditionalisten | |
> Auf dem Wilhelm-Rupprecht-Platz in Barmbek findet am Freitag das letzte | |
> Spiel statt. Das 20er-Jahre-Stadion soll abgerissen werden - für | |
> Wohnungen. | |
Bild: Wird trotz bevorstehendem Abriss noch gepflegt: Stadtion Rupprecht-Platz. | |
HAMBURG | taz Wer sich ein bisschen für Fußball interessiert, kennt den | |
Begriff „El Classico“ als Bezeichnung für das Duell zwischen Real Madrid | |
und dem FC Barcelona. Wer sich ein bisschen für Hamburger Amateurfußball | |
interessiert, denkt bei „El Classico“ aber noch an etwas anderes: an die | |
Duelle zwischen den beiden Traditionsclubs Barmbek-Uhlenhorst (BU) und | |
Altona 93, die derzeit in der Oberliga Hamburg (5. Liga) spielen. | |
Ein besonderer „Classico“ steht nun am kommenden Freitag um 19 Uhr bevor. | |
Anlässlich des Eröffnung der Oberliga-Saison 2015/16 treffen die Rivalen | |
zum letzten Mal auf dem 1925 eröffneten Wilhelm-Rupprecht-Platz | |
aufeinander. Zwischen 2.000 und 3.000 Zuschauern werden erwartet – was sehr | |
viel wäre für ein Spiel der 5. Liga. | |
Das Stadion ist Teil eines Areals, das die Stadt Hamburg nutzen will, um | |
dort 675 neue Wohnungen zu bauen. Nach dem „Classico“ wird es abgerissen. | |
Der Rahmenvertrag für die Nutzung des Platzes war bereits vor drei Jahren | |
ausgelaufen. | |
Das Stadtbild rund um das Stadion in der Steilshooper Straße, das wenige | |
Minuten vom U-Bahnhof Habichtstraße entfernt liegt, hat sich in den | |
vergangenen Jahrzehnten kaum geändert, es wird dominiert von Klinkerbauten. | |
Nun steht hier eine „innerstädtische Nachverdichtung“ bevor | |
Der Abriss bedeutet einen Einschnitt in der Hamburger Fußballgeschichte: | |
Nach dem SC Concordia, der 2009 sein letztes Spiel im 1924 eröffneten | |
Marienthal-Stadion bestritt, muss sich erneut ein Verein von einer | |
klassischen Spielstätte der 1920er-Jahre verabschieden. | |
Das Marienthal renaturiert seit seinem Abschiedsspiel vor sich hin, ab Ende | |
2015 soll dort ein Häuserkomplex mit 21 Wohnungen errichtet werden. Das | |
Stadion von Altona 93, des BU-Gegners am Freitag, wird möglicherweise 2016 | |
abgerissen. Auch dort entstehen – natürlich Wohnungen. | |
Auf dem Rupprecht-Platz – wo BU in den frühen 1970er-Jahren versuchte, dem | |
FC St. Pauli den Rang als Nummer zwei in der Stadt streitig zu machen – | |
glänzt heute gar nichts. Der Rasen – den es übrigens erst seit 1967 gibt, | |
vorher wurde auf Grand gekickt – ist etwas uneben: Der Fünf-Meter-Raum auf | |
der Seite des Vereinsgaststätte (die ebenfalls abgerissen wird) wirkt vom | |
Strafraumrand aus leicht erhöht. Und auf den fünf, nicht überdachten, | |
Sitzplatzreihen sind schon lange einige der weißen Schalen weggebrochen. | |
„Wir überlegen, ob wir eine der Schalen als Souvenir mitnehmen“, sagt Chris | |
Stechel, der dem antirassistischen Fanclub „BUsenfreunde“ angehört. Mit 25 | |
Jahren ist der Groß- und Außenhandelskaumfmann das jüngste von zehn | |
Mitgliedern, die bei Heimspielen links neben dem Stadioneingang steht, | |
schräg unter der Würstchenbude. | |
Was andere schäbig nennen würden, findet er gerade „charmant“. Für ihn | |
stellt das Barmbeker Stadion eine Alternative dar zu den verwechselbaren | |
Profiarenen. Stechel geht seit fünf Jahren zu BU, früher war er auch mit | |
dem HSV unterwegs, seit der vergangenen Saison allerdings nicht mehr. Zum | |
einen hatte er „keine Lust mehr auf Profifußball“, zum anderen reagierte er | |
mit dem Abschied auf die Ausgliederung der Profiabteilung aus dem | |
Gesamtverein. | |
## Fans pflaumen Gegner an | |
Besonders reizvoll findet er, dass im BU-Stadion zwischen Außenlinie und | |
Bande nicht einmal ein Meter Platz ist. „Man könnte auch mit dem Arm den | |
Schiedsrichterassistenten berühren, aber das hat zum Glück noch niemand | |
gemacht“, sagt Stechel. Andere Arten von Eingriffen sind gang und gäbe: | |
„Als einmal ein gegnerischer Spieler erkennbar simuliert hat, hat sich ein | |
Fan über die Bande zu ihm runter gebeugt und ihm quasi direkt ins Gesicht | |
gesagt, dass er damit aufhören solle. Das hat gewirkt.“ | |
Die Zuschauer in seinem Block sind dafür bekannt, gegnerische Spieler | |
anzupflaumen. „Wir beleidigen niemanden“, sagt Stechel. „Es sind witzig | |
gemeinte Sachen, die auch so rüberkommen.“ Am sympathischsten seien ihm | |
Gästespieler, „die einen Spruch zurückschicken.“ Ende der vergangenen | |
Saison habe ihm aber mal ein Kicker von Oberliga-Absteiger Germania | |
Schnelsen Schläge angedroht. | |
Stechel sagt dies, als er in der Gästekabine des Stadions steht – in der | |
Dusche, genauer gesagt. Kein völlig unwichtiger Ort in der Geschichte der | |
BUsenfreunde, denn hier haben sie an einer Choreographie für das Hamburger | |
Pokalfinale gebastelt, das ihr Verein Pfingsten mit 2:0 gegen den SC Condor | |
gewann – einer der größten Erfolge der jüngeren BU-Geschichte. | |
In dieser Woche arbeiten Stechel und Co. nun an einer Choreographie für das | |
letzte Spiel, es soll „ein würdiger Abschiedsgruß“ werden. Der Wehmut üb… | |
das Ende des liebgewonnenen Stadions wird noch dadurch erhöht, dass die | |
neue Sportanlage – sie liegt ein paar hundert Meter entfernt, auf der | |
anderen Seite der U3-Strecke – ab 2016 nur 400 Zuschauern Platz bieten | |
wird. Bis dahin spielt BU im Stadtpark im Stadion des VfL 93. | |
Für Stechel ist es ein „Trauerspiel“, dass alte Stadien „nicht im Stadtb… | |
erhalten bleiben können“. Dass am Ort der Spielstätten Wohnungen entstehen, | |
kann man noch halbwegs positiv finden. | |
„Wenn in England Stadien beseitigt werden, kommt dort fast immer ein | |
Supermarkt hin“, sagt Werner Skrentny, Autor des Buchs „Es war einmal ein | |
Stadion. Verschwundene Kultstätten des Fußballs“, das im September | |
erscheint. Und es geht sogar noch einen Tick unsportlicher: Auf dem | |
Gelände, auf dem in Berlin einst das Stadion der Weltjugend stand, entsteht | |
derzeit die neue Zentrale des BND. | |
NaN NaN | |
## AUTOREN | |
René Martens | |
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