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# taz.de -- Zwielichtige PR-Angebote für Freie: Sugardaddys für den Journalis…
> Die prekäre Lage freier Journalisten wird von PR-Strategen ausgenutzt.
> Eine dänische Dating-Website ist besonders dreist.
Bild: Da muss die rosa Brille schon sehr groß sein, wenn die Arbeitsbedingunge…
Freie Journalisten sind darauf angewiesen, Redaktionen ihre Themen
schmackhaft zu machen. Sie bieten Ideen an, gezahlt wird meist erst nach
Veröffentlichung. Bei Weitem nicht jedes Themenangebot ist erfolgreich.
Eine Umfrage des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) ergab, dass „Freie“
monatlich im Schnitt 2.180 Euro brutto verdienen – Tendenz fallend.
Vermeintlich findige Unternehmen versuchen die zuweilen prekäre Lage dieses
selbstständigen Berufsstands offenbar auszunutzen.
Ein besonders schamloses Beispiel liefert das dänische Unternehmen
„socialservices“. Freie Journalisten sollen faktisch Reklame machen für
eine Dating-Webseite. Als Belohnung winkt Geld.
„Ich habe Sie in der Datenbank freie Journalisten gefunden und hoffe, dass
es in Ordnung ist, mich an Sie zu richten“, beginnt die E-Mail, die einer
üblichen Pressemitteilung gleicht. Man wird dazu animiert „über das
Phänomen Sugardating im Allgemeinen und die Datingseite XXX im Besonderen
zu schreiben“. Der Name der Seite soll an dieser Stelle nicht genannt
werden – denn damit hätten die Verantwortlichen der Datingseite ja ihr Ziel
erreicht.
Zumindest zwielichtig ist das Angebot mit Sicherheit. Zum einen, weil
Kritiker die Vermittlung älterer Männer an jüngere Frauen nahe an der
Grenze zur Prostitution verorten. Zum anderen, weil das Ende der Mail
überraschend ist: „Je nach Medium, für das Sie schreiben, sind wir auch
bereit, Sie finanziell zu unterstützen.“ Schickt man probeweise eine Liste
mit Medien, denen das Thema angeboten werden könnte, erhält man diese
Antwort: „Das klingt sehr gut – die Zeitungen, die Sie gewählt haben, sind
sehr interessant für uns.“
## 600 Euro für eine Namensnennung
Erscheint der Text im NRW-Regionalteil der Welt am Sonntag, gäbe es 250
Euro, in der taz 500 Euro, eine Veröffentlichung in der Süddeutschen
Zeitung ist der Firma sogar 600 Euro wert.
Das Geld soll an den freien Journalisten fließen, ganz gleich, ob der
Artikel positiv oder negativ ist. Wichtig ist nur, dass die Webseite
genannt und der Beitrag im Internet verlinkt ist. Als Journalist würde man
also doppelt kassieren: Honorar vom Zeitungsverlag und eine üppige
„Unterstützung“ durch die Sugardating-Vermittler. Das wiederum wäre ein
klarer Verstoß gegen den Pressekodex.
„Es ist kein neues Phänomen, dass Unternehmen versuchen, positive
Berichterstattung zu erkaufen“, sagt Boris Kartheuser. Der freie Journalist
hat 2013 beim „Netzwerk Recherche“ die Studie „Gefallen an Gefälligkeite…
zur Käuflichkeit von Journalisten veröffentlicht. Dort werden Einladungen
zu Produktvorstellungen der Autofirma Mazda oder zu den Olympischen Spielen
durch Volkswagen beschrieben. „Seit dem Erscheinen der Studie hat sich nur
wenig zum Besseren verändert“, sagt Kartheuser.
Verlage und Redaktionen würden nach wie vor „nach neuen
Einkommensmöglichkeiten außerhalb ihrer eigentlichen Kerngebiete suchen“.
Gleichzeitig würden die meisten Medienhäuser ihren freien Journalisten so
wenig bezahlen, „dass diese kaum umhinkönnen, auch für PR-Unternehmen zu
schreiben“. Zwar würden freie Journalisten immer wieder „mit entsprechenden
Angeboten konfrontiert“, so Kartheuser. Doch so dreist wie der Anbieter von
der Sugardating-Webseite seien die wenigsten.
## Gegen den Schwarzmarkt
Das findet auch der Präsident der Deutschen Public Relations Gesellschaft
(DPRG) in Berlin, Norbert Minwegen. „Redaktionelle Berichterstattung ohne
Kennzeichnung darf weder verkauft noch angekauft werden“, sagt Minwegen.
„Es verbietet sich, dass Agenturen oder Unternehmen diesen Schwarzmarkt
betreiben, und schwarze Schafe gehören veröffentlicht und geahndet.“
Gute Produkte und Marken würden einen solchen illegalen Schritt
„keinesfalls benötigen“.
Minwegen sieht das Geldangebot für die Berichterstattung über die
schlüpfrige Dating-Seite als „Verstoß gegen die Spielregeln der
Kommunikation“, der weiter bewertet werden müsse. Im Deutschen Rat der PR
wolle er das Thema vorstellen.
Neben Journalisten hat offenbar auch die PR-Branche immer weniger Interesse
an „gekaufter“ Berichterstattung. In der Branche wird intensiv über
Pressereisen und -rabatte, Journalistenpreise und redaktionell versteckte
Reklame in Form des „native advertising“ diskutiert.
## Vorschlag für Medienkodex
Vertreter zahlreicher DAX-Firmen von der Allianz über die Deutsche Post bis
zu Volkswagen haben sich in einem „Arbeitskreis Corporate Compliance“
zusammengeschlossen und einen Vorschlag für einen Medienkodex vorgelegt,
nach dem „keine direkten oder indirekten Vorteile an Journalisten oder
Medienunternehmen“ gewährt werden sollen.
Würden Verbraucher eine Vermischung von Werbung und Redaktion erkennen,
sähen sie sich getäuscht und wendeten sich von Produkt und Unternehmen ab.
Die Kommunikationschefs der DAX-Firmen lehnten den Vorstoß dagegen ab.
Doch der andauernde Diskurs zeigt: Das Verhältnis zwischen „Freien“ und
Firmen wird in Zeiten der Medienkrise eben neu vermessen. Nicht nur beim
„Sugardating“.
14 Jul 2015
## AUTOREN
Frank Überall
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