| # taz.de -- Kommentar Presserat und Straftäter: Kein Freibrief für Gedankenlo… | |
| > Gerade in einer Zeit, in der Asylbewerberheime brennen, müssen | |
| > Redaktionen der publizistischen Verantwortung gerecht werden – auch die | |
| > des Boulevards. | |
| Bild: Die Verlage legen den Pressekodex teilweise sehr unterschiedlich aus. | |
| Der Presserat hat sich entschieden: Die Nationalität oder Religion von | |
| Straftätern soll auch weiter nur dann genannt werden, wenn ein „begründeter | |
| Sachbezug“ besteht. Besteht er, ist es Abwägungssache, und abwägen ist | |
| nicht immer einfach. Aber der Zweck dahinter ist die Mühe wert: Mit der | |
| Regelung sollen Minderheiten geschützt und Vorurteile vermieden werden. | |
| Aufgenommen hatte der Presserat die Diskussion, weil Medienkritiker nach | |
| der Gewalt in der Kölner Silvesternacht behaupteten, Redaktionen hätten die | |
| Herkunft der mutmaßlichen Täter bewusst verschwiegen, um die Täter zu | |
| schützen und die Öffentlichkeit zu täuschen. | |
| Das ist natürlich Quatsch. Der Pressekodex soll nicht die Täter schützen, | |
| sondern alle, die aus der gleichen Gruppe stammen wie die Täter. Um im | |
| Silvesterbeispiel zu bleiben: Nicht alle Menschen „arabischer und | |
| nordafrikanischer“ Herkunft sind Sexualstraftäter. Dieser Verdacht entsteht | |
| aber, wenn bei ausländischen Straftätern – und nur bei ihnen – immer ihre | |
| Nationalität genannt wird. | |
| Wenn die Bild-Chefredakteurin nun behauptet, die Richtlinie des | |
| Pressekodexes würde Redaktionen „bevormunden“, ist das übertrieben. Der | |
| Paragraf ist kein Gesetz. Er ist eine Verpflichtung, die sich das Gremium | |
| aus Journalisten und Gewerkschaften selbst gegeben hat. Sie soll die | |
| Redaktionen dazu anhalten, sich vor der Veröffentlichung von Artikeln über | |
| die Folgen Gedanken zu machen. | |
| ## In jedem Einzelfall entscheiden | |
| Die Chefredakteure, die nun fordern, die Richtlinie abzuschaffen, verlangen | |
| einen Freibrief dafür, sich diese Gedanken ersparen zu dürfen. Sie bemühen | |
| ein Scheinargument: In einer Zeit, in der Gerüchte schneller durch soziale | |
| Medien jagten, als dass sie offiziell bestätigt werden könnten, sei es die | |
| Pflicht von Journalisten, alles zu veröffentlichen, um dem Misstrauen | |
| gegenüber Medien vorzubeugen. | |
| Natürlich ist es die Pflicht von Journalisten, Gerüchten nachzugehen. | |
| Genauso ist es aber ihre Pflicht, in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob | |
| die Nationalität von Straftätern von öffentlichem Interesse ist. Jede | |
| Redaktion, auch der Boulevard, trägt eine publizistische Verantwortung – | |
| gerade in einer Zeit, in der Asylbewerberunterkünfte brennen. Diese zu | |
| erfüllen gehört zum journalistischen Handwerk. Das unterscheidet sie | |
| schließlich von Twitter und Facebook. | |
| 10 Mar 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Anne Fromm | |
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