| # taz.de -- Herkunftsnennung in Medien: Presserat bleibt zurückhaltend | |
| > Wann sollen Journalisten die Herkunft von Straftätern nennen und wann | |
| > nicht? Der Deutsche Presserat stand hier bislang für Zurückhaltung – und | |
| > bleibt dabei. | |
| Bild: Der Presserat bleibt sachlich: Herkunft wird nur bei Sachbezug nennen. | |
| Berlin dpa | Medien sollen auch künftig nur dann Religion oder Nationalität | |
| von Straftätern nennen, wenn es einen „begründeten Sachbezug“ zur Tat gib… | |
| Der Deutsche Presserat lehnte es am Mittwoch ab, die entsprechende | |
| Richtlinie 12.1 [1][im Pressekodex] zu ändern. Die Zurückhaltung in dieser | |
| Frage soll die Diskriminierung von Minderheiten verhindern. Bei vielen | |
| Medien ist die Richtlinie umstritten. Die „Rhein-Zeitung“ aus Koblenz | |
| kündigte an, sich künftig nicht mehr daran gebunden zu fühlen. | |
| „Die Richtlinie bleibt, wie sie ist“, sagte Lutz Tillmanns, Geschäftsführ… | |
| des Presserats. „Es gab eine ganz breite Mehrheit dafür.“ Zuvor hatte das | |
| Selbstkontrollorgan in nicht-öffentlicher Sitzung diskutiert. „Wir sind | |
| überzeugt, dass wir sie nicht ändern müssen“, sagte Tillmanns. „Sie ist | |
| kein Sprachverbot und kein Maulkorb für Redaktionen. Sie sind autonom in | |
| ihrer Arbeit und sollen es auch bleiben.“ | |
| Es gebe allerdings bei vielen Medien eine große Unsicherheit, räumte | |
| Tillmanns ein. „Wir haben das nicht nur zur Kenntnis genommen. Wir wollen | |
| den Redaktionen auch jede erdenkliche Hilfestellung geben.“ Gedacht sei | |
| unter anderem an einen Leitfaden mit Kriterien für Entscheidungen im | |
| Redaktionsalltag: „Er soll zügig fertig werden, innerhalb der nächsten | |
| Monate.“ | |
| Der Chefredakteur der Rhein-Zeitung, Christian Lindner, bedauerte die | |
| Entscheidung und erklärte: “Wir werden uns an die Richtlinie 12.1 nicht | |
| mehr gebunden fühlen.“ Lindner kündigte eigene Empfehlungen für seine | |
| Redaktion an, „die hilfreicher sein werden als die aus der Zeit gefallene | |
| Richtlinie 12.1“. Und er betonte: “Wir werden unseren Redakteuren die | |
| Sicherheit geben, dass sie künftig keine Probleme bekommen, wenn es | |
| aufgrund unserer eigenen Richtlinie Rügen oder Missbilligungen des | |
| Presserates geben sollte.“ | |
| ## Einfach immer die Herkunft nennen? | |
| Die Sächsische Zeitung erwägt, die Herkunft von Straftätern in der | |
| Berichterstattung künftig generell anzugeben. Chefredakteur Uwe Vetterick, | |
| der an der Sitzung des Presserats teilgenommen hatte, schlug dabei vor, | |
| künftig konsequent die Nationalität zu nennen, egal ob es sich dabei um | |
| Deutsche handele oder um Ausländer. | |
| Vetterick begründete das mit den Ergebnissen einer repräsentativen | |
| Befragung der Sächsischen Zeitung: Sie habe gezeigt, dass viele Leser davon | |
| ausgingen, die Täter seien Asylbewerber, wenn in der Berichterstattung | |
| keine Nationalität genannt werde. Die neue Regelung könnte solche | |
| Missverständnisse vermeiden helfen, sagte Vetterick. Nachdem der Presserat | |
| nun entschieden habe, die Richtlinie unverändert zu lassen, wolle er | |
| zunächst mit der Redaktion über Konsequenzen diskutieren. | |
| Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall, | |
| begrüßte die Position des Presserates: „Ich halte das genau für die | |
| richtige Entscheidung, weil die Richtlinie 12.1 nach wie vor tragfähig | |
| ist“, sagte er. „Das Thema darf nun aber nicht zu den Akten gelegt werden, | |
| wir müssen uns damit beschäftigen, wie die Richtlinie im Alltag gelebt | |
| wird.“ | |
| Der Presserat hatte am Mittwoch zunächst mit mehreren Experten über die | |
| Richtlinie 12.1 diskutiert, darunter Peter Pauls, Chefredakteur des Kölner | |
| Stadtanzeigers, Sven Gösmann, Chefredakteur der Deutschen Presse-Agentur, | |
| dem Berliner Medienkritiker Stefan Niggemeier sowie dem Medienpsychologen | |
| Frank Schwab von der Universität Würzburg. | |
| ## Nach Köln wurde Herkunft benannt | |
| „Menschen saugen das auf, was ihrem Weltbild entspricht“, sagte Prof. | |
| Schwab. „Sie eignen sich Medieninhalte aufgrund dessen an, was sie für | |
| Vorurteile haben, sie nehmen die Welt mit einer bestimmten Brille wahr“, | |
| erläuterte der Medienpsychologe. „Viele Menschen haben bestimmte | |
| Voreinstellungen, etwa die Erwartung, dass Straftaten bevorzugt von | |
| Ausländern begangen werden.“ Wenn sie in den Medien dann über ausländische | |
| Straftäter lesen, bestätige sie das in ihren Vorurteilen. Auch aus diesem | |
| Grund sei es sinnvoll, Angaben zur Herkunft von Straftätern auf Fälle mit | |
| „begründetem Sachbezug“ zu beschränken. „Ich finde die Richtlinie 12.1 | |
| daher richtig“, sagte Schwab. | |
| Peter Pauls, Chefredakteur des Kölner Stadtanzeigers, plädierte ebenfalls | |
| dafür, die Richtlinie beizubehalten. „Wir sind der Meinung, dass wir damit | |
| sehr gut leben können, wenn man die Richtlinie so interpretiert, wie wir es | |
| zu Silvester getan haben“, sagte er unter Verweis auf die Vorfälle am | |
| Kölner Hauptbahnhof. „Wir haben die Herkunft der anwesenden und | |
| mutmaßlichen Täter genannt.“ Es müsse aber jeder Einzelfall betrachtet | |
| werden. | |
| Presserats-Geschäftsführer Tillmanns geht nach eigenen Worten nicht davon | |
| aus, dass die Diskussion über das Thema nun zu Ende ist. Das sieht Volker | |
| Lilienthal, Professor für Praxis des Qualitätsjournalismus an der | |
| Universität Hamburg, ähnlich: Auch wenn es künftig eine Beispielsammlung | |
| als Hilfestellung für Redaktionen gebe, müssten Redakteure immer neu | |
| entscheiden. „Jeden Streit wird man damit also nicht beenden. Dieses | |
| Problem wird uns die ganzen nächsten Jahre begleiten, aber das müssen | |
| Journalisten auch aushalten.“ | |
| 10 Mar 2016 | |
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