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# taz.de -- Hate Speech in Birma: Ausschreitungen wegen Online-Hass
> In Birma wurde die Meinungsfreiheit erkämpft, jetzt führt Hate Speech im
> Netz zu Ausschreitungen. AktivistInnen fordern sensible
> Berichterstattung.
Bild: JournalistInnen protestieren im März für Gerechtigkeit für ihre verfol…
„Das ist wie mit Feuer“, sagt Nay Phone Latt. „Es bringt dir Licht, aber …
kannst auch daran verbrennen.“ Der birmesische Blogger spricht von
Meinungsfreiheit, die sich sein Volk hart erkämpfen musste. Doch die neuen
Freiheiten scheinen noch viele Birmesen zu überfordern.
Das Land kämpft heute mit Hate Speech, also mit Beschimpfungen und
Verleumdungen im Internet. Unter dem Deckmantel der Anonymität ist es
einfach, Hass zu schüren – gewollt oder ungewollt und mit zuweilen
katastrophalen Folgen.
„Die Leute glauben alles, was sie im Internet sehen“, meint Nay Phone Latt.
Lange Zeit hatte die Zensur freie Meinungsäußerung verhindert, der einzige
Lichtblick war das Internet. Nay Phone Latt trug selbst trug dazu bei. Als
während der „Safran-Revolution“ 2007 Mönche sich gegen die Militärjunta
auflehnten, beriefen sich Journalisten in der ganzen Welt auf Informationen
aus seinem Blog.
Nay Phone Latt saß dafür vier Jahre im Gefängnis. „Es fehlt uns in Birma an
Bildung“, sagt er. „Jetzt, wo wir endlich Meinungsfreiheit haben, müssen
wir auch darüber aufklären, welche Risiken damit einhergehen.“
## Nur 10 Prozent online
Dabei ist das Internet noch immer nicht selbstverständlich. Schätzungen
zufolge sind nur 10 Prozent der Bevölkerung online. Vor drei Jahren, als
der Anteil in anderen armen Ländern wie Laos oder Nepal bereits zehnmal
höher war, lag sie in Birma noch bei einem Prozent.
Hate Speech beschränkt sich nicht auf Worte. Greifbar wurde der Hass zum
Beispiel, als 2012 im westlichen Rahkine-Staat Unruhen zwischen Muslimen
und Buddhisten ausbrachen. Eine Buddhistin wurde vergewaltigt und ihr Foto
in den sozialen Netzwerken verbreitet. Auf Facebook wurden Muslime für die
Tat verantwortlich gemacht.
Die Folge: dreitausend niedergebrannte Häuser und Hunderte Tote. Die
Situation hat sich seither nie richtig beruhigt. Einige birmesische
Journalisten glauben, die Unruhen wären nie ausgebrochen, wenn die lokalen
Medien vorsichtiger berichtet hätten.
## Seminare für konfliktsensiblen Journalismus
Das sieht auch Myint Kyaw so. Er ist Direktor der 2014 neu gegründeten
ersten freien Journalistenschule und Mitglied im Presserat: „Hate Speech
spielt sich nicht nur in sozialen Netzwerken ab. Auch Journalisten stehen
in der Verantwortung, vorsichtig über sensible Themen zu berichten.“
Letztes Jahr besuchten fast 600 Journalisten aus ganz Burma Myint Kyaws
dreitägige Seminare zum Thema „konfliktsensibler Journalismus“. Darin
lernen sie, Namen oder Religionszugehörigkeit mutmaßlicher Krimineller
nicht preiszugeben.
Das Problem der Hate Speech ist umso größer, da die Konflikte Nutznießer
haben. „Unruhen helfen der Regierung, ihre Macht zu rechtfertigen“, sagt
Myint Kyaw. Das hindert ihn nicht daran, von den Regierenden zu fordern,
regulierend aufzutreten. „Nach der Vergewaltigung der Buddhistin im
vergangenen Jahr und den Gerüchten um den mutmaßlichen muslimischen Täter,
sperrte die Regierung für einige Stunden Facebook, und die Situation
entspannte sich schneller als sonst“, erklärt Kyaw.
## Blumensprache
Der Blogger Nay Phone Latt wollte der Hate Speech nicht länger zusehen. Vor
über einem Jahr gründete er Panzagar (wörtlich: Blumensprache), einen
Verein zur Aufklärung über das Phänomen. Der Birmese hat außerdem das
Landesbüro der Organisation PEN mitgegründet, die sich weltweit für die
Meinungsfreiheit einsetzt. PEN Birma beobachtet die sozialen Netzwerke und
versucht mit Facebook zusammenzuarbeiten, das in Birma einen gewaltigen
Teil des Internetverkehrs ausmacht.
Direktorin Ma Thida erklärt das Hate-Speech-Phänomen so: „Unser Volk hat
derart lange unter seiner Unterdrückung gelitten, dass es jetzt auf jede
noch so kleine Einschränkung seiner neu gewonnenen Freiheit extrem sensibel
reagiert.“ Ma Thida beobachtet im Netz auch Anfeindungen gegenüber Birmas
Freiheitsikone Aung San Suu Kyi. „Es gibt keine Beweise, aber es ist
wahrscheinlich, dass die Kommentare organisiert sind.“
Umso paradoxer erscheint es, dass Ma Thida und Myint Kyaw sich einig sind:
Die Regierung sollte die sozialen Netzwerke regulieren. Noch hält das
Militär die Macht in Händen. Im gerade beginnenden Wahlkampf steht deshalb
viel auf dem Spiel.
10 Aug 2015
## AUTOREN
Verena Hölzl
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