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# taz.de -- Birma im Wahlkampf: Die Ikone im Elfenbeinturm
> In ihrer Heimat ist niemand in der Politik so beliebt wie die jetzt
> 70-jährige Aung San Suu Kyi. Doch Präsidentin darf sie nicht werden.
Bild: Aung San Suu Kyi auf einer Geburtstagsfeier am Sonntag.
Rangun taz | Wenn die Oppositionsführerin durch das Land tourt, kommen
Tausende, um sie zu sehen und zu hören. Für die einen verkörpert Aung San
Suu Kyi Hoffnung, für die anderen Gefahr – vor allem für die regierende
Union Solidarity and Development Party. Falls die militärgestützte Partei
die Parlamentswahlen im November verliert, dürfte sie in Zukunft kaum noch
Chancen haben, auf demokratische Weise an die Macht zu kommen. Unpopulär
und korrupt sei die Regierung, die 2011 die alte Militärjunta ablöste,
klagen die Birmesen. Nur gab es bisher keine erfolgversprechende
Alternative.
Das will die Politikerin, die am Freitag ihren 70. Geburtstag feierte,
ändern. Darum setzt sie derzeit vor allem auf bedrücktes Schweigen.
Tausende Menschen, vor allem von der buddhistischen Mehrheit bedrängte
muslimische Rohingya, fliehen per Boot aus dem Land, viele sterben auf dem
Seeweg nach Indonesien oder Malaysia. Doch die Friedensnobelpreisträgerin
bleibt in dieser Angelegenheit entweder stumm – oder sie beschränkt sich
auf kryptische Andeutungen wie am Samstag.
Da sagte die Politikerin zu Beginn einer zweitägigen Konferenz ihrer
Nationalen Liga für Demokratie (NLD): „Ich warne davor, dass die Wahlen
unter Hinweis auf die instabile Lage verschoben werden könnten.“ Damit
deutete sie an, dass die Regierung oder das Militär die unsichere Lage dazu
ausnutzen könnten, um an der Macht festzuhalten.
Aus internen Kreisen der Partei heißt es, die NLD habe bereits einen
Gesetzentwurf vorbereitet, der den Rohingya-Muslimen wieder die birmesische
Staatsbürgerschaft gewährt. Solch ein Vorhaben ist aber auch unter vielen
Oppositionellen in Birma umstritten – die Ressentiments gegen die Rohingya
sind stark verbreitet in der buddhistischen Mehrheit Birmas.
## Abgeschottet von der Partei
Bräche Suu Kyi schon vor den Wahlen eine Lanze für die verfolgte
Minderheit, dürfte ihre Beliebtheit erheblich darunter leiden; zumal heute
– fünf Jahre nach ihrer Freilassung aus dem Hausarrest – die Kritik an Aung
San Suu Kyi auch unter ehemaligen Weggefährten in der Opposition immer
größer wird. Dazu gehört der Vorwurf, sie habe kaum noch Kontakt zur
normalen Bevölkerung. In den Wochen, in denen das Parlament tagt, lebt sie
in der abgeschiedenen Hauptstadt Naypyidaw. Die restliche Zeit verbringen
sie und Suu Kyis Mitarbeiterstab in ihrem Haus in der University Avenue von
Rangun, der einem Elfenbeinturm gleichen soll – abgeschottet von der
eigenen Partei.
So machen Geschichten die Runde, die sie in einem schlechten Licht zeigen:
In einer Sitzung des NLD-Präsidiums soll sie ihre 14 Mitstreiter gefragt
haben, wer ihr gegenüber loyal sei. Dann habe sie ohne Gegenrede
geantwortet: sie selbst, ihr Hund Tai Chi Doe und ihre persönliche
Assistentin Tin Mar Aung.
Die Medizinerin Tin Mar Aung begleitet die Politikerin seit 2012, als die
Oppositionsführerin während einer Wahlkampfreise im Inland erkrankte und
die Partei beschloss, ihr eine Ärztin zur Seite zu stellen. Tin Mar Aung,
die ihr Studium in den 90er Jahren in Rangun abschloss, danach in England
praktizierte und später als Mitarbeiterin des UNO-Hilfswerks Unicef nach
Birma zurückkehrte, ist kein NLD-Mitglied. Umso kritischer beobachten
politische Weggefährten Aung San Suu Kyis wie ihr langjähriger Anwalt und
Parteisprecher Nyan Win, dass die Ärztin Terminanfragen, wichtige
Informationen und Nachrichten filtert und die alte Dame abschirmt.
Die Euphorie, die das neue Birma und das Ausland seit 2011 verzauberte, ist
verflogen. Für die NLD bleibt der Kampf für mehr Demokratie, den Generälen
geht es um die Wahrung ihrer Interessen: Birma vor den Wahlen 2015, das ist
das Land der beschränkten Möglichkeiten.
Das große Dilemma: Aung San Suu Kyi ist die Einzige, die trotz aller
Probleme sowohl Partei als auch das Land führen könne, sagen Oppositionelle
in Birma einstimmig – auch jene, die sie inzwischen kritischer sehen als in
der Vergangenheit. Aber die Verfassung von 2008 verwehrt Aung San Suu Kyi
das Präsidentenamt, da ihre zwei Söhne keine birmesischen Staatsbürger
sind. „Das Potenzial unseres Landes ist enorm“, sagte sie in ihrer
Friedensnobelpreisrede in Oslo 2012. Jetzt muss sie um ihre eigenen
Möglichkeiten kämpfen.
21 Jun 2015
## AUTOREN
Martin Franke
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