# taz.de -- Vor der Wahl in Birma: Wer regiert das Land? | |
> „We have changed“, heißt der Slogan, mit dem die Militärs im Wahlkampf | |
> für sich werben. „Time for a change“ fordert die Opposition. | |
Bild: Ein Unterstützer von Aung San Suu Kyi bereitet sich auf den Wahlkampf in… | |
Rangun taz | Endspurt im birmesischen Wahlkampf: Die Facebook-Seite von | |
Präsident Thein Sein zeigt, worauf sich die Bürger seines Landes einstellen | |
müssten, wäre der Politiker nicht so gut für das Land – mit Videomaterial | |
aus dem Arabischen Frühling. Es sind Szenen der absoluten Anarchie. Autos | |
brennen, Polizei und Demonstranten prügeln aufeinander ein. Dazwischen | |
liegen blutüberströmte Körper. | |
Die Botschaft ist klar: In einem solchen Chaos hätte der Kampf um | |
Demokratie in Birma (Myanmar) auch enden können. Dagegengesetzt erscheinen | |
Bilder von Thein Sein als fähigem Politiker, der für eine bessere Zukunft | |
steht, mit lachenden Babys und neuen Mobilfunkmasten. | |
„We have changed“ lautet der Wahlslogan der regierenden United Solidarity | |
and Development Partei (USDP). Völlig unerwartet hatten die Generäle in dem | |
südostasiatischen Land im Jahr 2011 demokratische Reformen begonnen, nach | |
fast fünf Jahrzehnten Juntadiktatur. | |
Allerdings kann von echter Demokratie bislang keine Rede sein. Noch immer | |
werden Aktivisten ins Gefängnis gesperrt, noch immer bereichern sich die | |
Militärs, ohne sich um Gesetze und das bitterarme Volk zu scheren. | |
## Völlig offener Ausgang | |
Wie ernst es den Generälen mit dem Wandel tatsächlich ist, wird sich am | |
Wochenende herausstellen. Am Sonntag sollen die Birmesen zum ersten Mal | |
seit über einem halben Jahrhundert ihr Parlament demokratisch wählen. | |
Zuverlässige Umfragen gibt es nicht, der Ausgang ist offen. | |
Falls – wie von manchen Beobachtern vorausgesagt – die Nationale Liga für | |
Demokratie (NLD) von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi eine | |
Mehrheit der Stimmen holt, dann ist die große Frage: Inwieweit wird das | |
Militär eine Schlappe der von ihr gesteuerten Regierungspartei USDP | |
akzeptieren und sich weiter in ihre Kasernen zurückziehen? | |
Einen Trumpf jedenfalls haben die Generäle nicht aus der Hand gegeben. Ein | |
Viertel aller Sitze im Parlament steht überhaupt nicht zur Wahl. Sie sind | |
laut Verfassung dem Militär vorbehalten. Das heißt: Selbst wenn die | |
Opposition eine Mehrheit der Stimmen erringen sollte, wird sie nur bedingt | |
manövrierfähig sein. Für eine Verfassungsänderung sind mindestens 75 | |
Prozent aller Stimmen nötig – und das Militär kann alles blockieren. | |
Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, darf das Präsidentenamt nicht | |
übernehmen. Die Verfassung untersagt es ihr, weil ihre Kinder britische | |
Staatsbürger sind. | |
Unklar ist auch, wie groß die Zustimmung in der Bevölkerung für die | |
70-jährige Politikerin, die bis 2010 fast 16 Jahre lang in Hausarrest | |
gesessen hat, heute noch ist. In letzter Zeit sah sie sich immer häufiger | |
mit Kritik konfrontiert. Dass sie sich nur sehr vage zum Schicksal der in | |
Birma verfolgten Minderheit der muslimischen Rohingya äußerte, brachte der | |
Friedensnobelpreisträgerin bei der internationalen Gemeinschaft Kritik ein. | |
Aus innenpolitischer Perspektive positionierte sie sich einfach nicht gegen | |
die Mehrheitsmeinung der Birmesen. Aung San Suu Kyi hat sich zur | |
Realpolitikerin gewandelt. | |
## Keine Bündnisse mit Minderheiten | |
Als solche hat sie auch von Anfang an auf Dialog mit dem Militär gesetzt. | |
So kokettierte sie zum Beispiel mit der Idee, dem Parlamentssprecher Shwe | |
Mann, einem ehemaligen General aus der Regierungspartei USDP, ins | |
Präsidentenamt zu verhelfen. Auf diese Weise wollte sie eine Brücke zum | |
Militär zu schlagen. Den Generälen selbst scheint das zu weit gegangen zu | |
sein. Shwe Mann wurde im August überraschend der Parteivorsitz entzogen. | |
Suu Kyi gehört der Mehrheitsethnie der Bamar (Birmanen) an. Die von | |
Birmanen dominierte Regierung hat jahrzehntelang gegen die ethnischen | |
Minderheiten des Vielvölkerstaates gekämpft – und in einigen Regionen gibt | |
es immer noch Gefechte. Aung San Suu Kyi hat sich bislang – zumindest | |
öffentlich – nicht um Bündnisse mit den Minderheitenparteien bemüht. Ebenso | |
wenig ging es ihr im Wahlkampf um konkrete Gestaltungsvorschläge, für die | |
ihre Partei einstehen würde. | |
Die NLD will vor allem die Verfassung ändern. Darüber hinaus soll das Volk | |
ihr einfach vertrauen. „Wir haben es bei diesen Wahlen mehr mit den großen | |
Fragen und nicht mit Details von Politikgestaltung zu tun“, erklärt Jorge | |
Valladares vom International Institute for Democracy and Electoral | |
Assistance, einem schwedischen Think-Tank. „Demokratie: ja oder nein? | |
Reformen: ja oder nein?“ | |
## Führung hinter den Kulissen | |
Noch immer macht Aung San Suu Kyi ein Geheimnis darum, wen sie als | |
Präsidentschaftskandidaten ins Rennen schicken wird. Bei einer | |
Pressekonferenz in Rangun am gestrigen Donnerstag erklärte sie, wie sie | |
ihre eigene Rolle künftig sieht: „Ich werde über dem Präsidenten stehen. | |
Das ist eine einfache Botschaft.“ | |
Sie habe einen Plan, den sie noch nicht veröffentlichen wolle. Er würde ihr | |
aber erlauben, das Land hinter den Kulissen zu führen, sagte sie den | |
Journalisten vor ihrem Haus in der University Avenue. | |
In einem Interview hatte Aung San Suu Kyi gesagt: „Man muss nicht Präsident | |
sein, um eine Regierung zu führen.“ Von ihren Anhängern fordert sie: | |
„Schaut nicht auf Kandidaten, wählt einfach NLD.“ | |
„Time for change“ lautet der Wahlslogan ihrer Partei. Bei einer | |
Wahlkampfkundgebung sagt einer ihrer Fans, der 36-jährige Zaw Lin Naing: | |
„Was immer unsere Führerin plant, ich vertraue ihr.“ | |
7 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Verena Hölzl | |
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