# taz.de -- Journalistenmord in Birma: Haft für Protest | |
> Weil er gegen die Tötung eines Journalisten durch Soldaten protestierte, | |
> muss ein Aktivist für sechs Monate in Haft. Gegen die Soldaten wird nicht | |
> ermittelt. | |
Bild: Zeitungsstand in Rangun: Der Umgang der Justiz mit der Ermordung des Jour… | |
BERLIN taz | Ein Gericht in Birmas zweitgrößter Stadt Mandalay hat am | |
Donnerstag den Aktivisten Thein Aung Myint zu sechs Monaten Haft | |
verurteilt, weil er im Oktober 2014 ohne behördliche Genehmigung gegen die | |
Ermordung des Journalisten Aung Kyaw Naing durch Soldaten protestiert | |
hatte. Dies meldete die einstige birmesische Exilzeitschrift Irrawaddy in | |
ihrem Onlinedienst aus Mandalay. | |
Der freie Journalist, der auch als Par Gyi bekannt war, war im vergangenen | |
September im südöstlichen Mon-Staat von Soldaten im Rahmen einer Offensive | |
gegen Rebellen vom Volk der Karen getötet worden. | |
Die Leiche hatten die Soldaten umgehend beseitigt und den Tod des Reporters | |
erst einige Tagen später gemeldet. Eine Autopsie des auf behördliche | |
Anordnung ausgegrabenen Leichnams zeigte fünf Einschüsse, darunter einen im | |
Gesicht. | |
Der jetzt verurteilte Thein Aung Myint war bereits zu sechs Monaten Haft | |
verurteilt worden, weil er zusammen mit seiner Frau zu einer Demonstration | |
mit Kerzen gegen die vielen Stromausfälle in Mandalay aufgerufen hatte. | |
Auch dafür hatte er keine Genehmigung. | |
## Mörder frei, Demonstrant in Haft | |
Jetzt sagte Thein Aung Myint beim Verlassen des Gerichts laut Irrawaddy: | |
„Bis heute hat es im Fall von Par Gyi keine Gerechtigkeit gegeben. Aber | |
ich, der ich Gerechtigkeit für ihn einfordere, werde mit der Höchststrafe | |
belegt. Da zeigt, dass die Justiz unseres Landes ungerecht ist.“ | |
Laut dem Anwalt des Verurteilten wolle dieser auf eine Berufung verzichten, | |
da er der Justiz nicht traue. Der Protest hätte vom Recht auf freie | |
Meinungsäußerung gedeckt sein müssen, meint der Anwalt. | |
Ein Gerichtssprecher rechtfertigte die Verhängung der sechsmonatigen | |
Höchststrafe damit, dass der Verurteilte bei seinem Protest Mitglieder von | |
Regierung und Militärführung beleidigt habe. Konkret warf er Thein Aung | |
Myint vor, Präsident Thein Sein und Armeechef Min Aung Hlaing ohne die in | |
Birma übliche Höflichkeitsformel beim Namen genannt zu haben. Das sei eine | |
Beleidigung. | |
## Bei angeblichem Fluchtversuch erschossen | |
Das Militär hatte im Oktober, drei Wochen nach dem Tod des Reporters, | |
erklärt, Par Gyi sei getötet worden, als er bei einem Verhör habe fliehen | |
und dabei einem Soldaten die Waffe entreißen wollen. | |
Diese Erklärung führte zu Protesten von Medien- und | |
Menschenrechtsorganisationen. Auch vestärkte sie das Misstrauen an der | |
Reformbereitschaft des bis 2001 alleinregierenden Militärs. Im November | |
soll ein neues Parlament gewählt werden. | |
Das Militär wirft dem getöteten Journalisten vor, in Wirklicheit | |
Propagandist der Rebellengruppe DKBA (Democratic Karen Benevolent Army) | |
gewesen zu sein. Die DKBA und die Witwe des Getöteten, die Frauenaktivistin | |
Ma Thandar, haben das zurückgewiesen. | |
Der Getötete war mehrere Jahre lang ein Leibwächter der Oppositionsführerin | |
und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi gewesen, bevor er sich als | |
freier Journalist selbstständig gemacht hatte. Ein Antrag der Witwe auf | |
eine unabhängige Autopsie war abgelehnt worden. | |
23 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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