# taz.de -- Gewalt in Birma: Tote bei Angriffen auf Muslime | |
> Buddhistische Demonstranten töten mindestens sechs Personen. | |
> Anti-muslimische Ausschreitungen gab es in dem asiatischen Land schon | |
> öfter. | |
Bild: Obdachlos nach der Zerstörung ihrer Häuser: Muslime in einem Dorf im Ra… | |
BANGKOK taz | Wieder gibt es Tote und Verletzte, erneut werden Häuser in | |
Birma niedergebrannt. Seit Tagen hält die Welle der Gewalt gegen Muslime im | |
Rakhine-Staat an, in deren Folge mindestens sechs Menschen ermordet wurden, | |
wie das Magazin Irrawaddy am Mittwoch berichtete. Unter den Todesopfern war | |
auch eine 94-jährige Muslimin. Augenzeugen berichteten von buddhistischen | |
Mobs, die mehrere Dörfer attackiert hätten. Auf der anderen Seite war auch | |
von verletzten Buddhisten die Rede. | |
In Birma (offiziell Myanmar), dessen Einwohner zu 90 Prozent buddhistisch | |
sind, machen die gezielten ethnischen Angriffe seit längerem Schlagzeilen: | |
Der Rakhine-Staat, eine Region an der Grenze zu Bangladesh, von wo jetzt | |
erneut Auseinandersetzungen gemeldet wurden, war bereits im Juni und | |
Oktober 2012 Schauplatz anti-muslimischer Ausschreitungen. | |
## !40.000 Bewohner des Rakhine-Staates sind auf der Flucht | |
Seitdem wurden dort mehr als 200 Menschen getötet. Mindestens 140.000 | |
Bewohner hatten fliehen müssen, die meisten davon Angehörige der | |
muslimischen Volksgruppe der Rohingya, die in Birma nicht als ethnische | |
Minderheit anerkannt ist. | |
Die Organisation Human Rights Watch hatte Birmas Regierung und | |
Sicherheitskräften daraufhin ethnische Säuberungen, Mord, Verfolgung und | |
Zwangsumsiedlungen vorgeworfen. Die Sicherheitskräfte sähen bei | |
Gewaltexzessen tatenlos zu oder beteiligten sich sogar daran. Doch die | |
überwiegend aus Ex-Militärs bestehende Regierung hat die Vorwürfe, die | |
Autoritäten trügen eine Mitschuld an der Eskalation, von sich gewiesen. | |
Allerdings musste Präsident Thein Sein bei seinem ersten Besuch im | |
Rakhine-Staat nach Ausbruch der Gewalt vom Juni 2012 einräumen, dass „die | |
Kontrolle von Militär und Polizei allein nicht genüge“. | |
## Radikale Mönche gegen „Islamisierung“ | |
Kritiker erklärten, die brutalen Attacken gegen die staatenlosen Rohingya | |
seien Auftakt gewesen für die weitere anti-muslimische Hetze, die sich auch | |
auf andere Landesteile ausgeweitet hat. So waren im März in der | |
zentralbirmesischen Stadt Meikhtila mehr als 40 Menschen getötet worden. | |
Augenzeugen beobachteten, wie ultra-nationalistische Mobs einschließlich | |
buddhistischer Mönche mordend und brandschatzend durch die Stadt zogen. | |
Im Zuge der Gewalt von Meikhtila wurde zunehmend die von radikalen | |
buddhistischen Mönchen geführte Kampagne namens „969“ bekannt, die bereits | |
Monate vorher anti-muslimische Hetze verbreitet hatte. Als ihr Anführer | |
gilt der Mönch Wirathu, der schon zu Zeiten der Militärdiktatur für seinen | |
Fanatismus berüchtigt war. Der Akademiker und Mitbegründer der „Free Burma | |
Coalition“, Maung Zarni, bezeichnet die „969“-Kampagne als | |
„Neonazi-Bewegung“. Den Muslimen in Birma, die gerade mal vier Prozent | |
ausmachen, unterstellt die Kampagne „969“, das Land „islamisieren“ zu | |
wollen. | |
## Kritiker werfen der Polizei Untätigkeit vor | |
Indes beteuert Birmas Regierung, wie zuletzt Außenminister Wunna Maung Lwin | |
vor der UN-Vollversammlung, sie werde es nicht dulden, dass die politischen | |
Reformen von Gruppen gefährdet würden, die ethnische und religiöse Gewalt | |
inszenierten. Kritiker werfen den Autoritäten jedoch vor, nichts gegen die | |
„969“-Bewegung zu unternehmen – im Gegenteil. Ein muslimischer Student im | |
Rakhine-Staat sagte, dass Unterstützer der Bewegung in einem der | |
betroffenen Orte seit einem Monat radikale Lieder gespielt hätten. | |
Längst bekommen nicht nur die Bewohner den Ernst der Lage zu spüren: Im | |
August war der Konvoi des UN-Sonderberichterstatters Tomas Ojea Quintana | |
während seines Besuchs in Meikhtila attackiert worden. Quintana hatte der | |
Regierung daraufhin mangelnden Schutz vorgeworfen: „Die Angst, die ich | |
verspürte, während mich die Polizei in der Nähe befindende Polizei nicht | |
schützte, hat mir vermittelt, welche Angst wohl jene Bewohner verspürt | |
haben müssen, die im März von einem gewalttätigen Mob durch die Straßen | |
gejagt worden sind, während die Polizei Berichten zufolge dabei stand“, | |
sagte Quintana bei der abschließenden Pressekonferenz. | |
2 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Nicola Glass | |
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