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# taz.de -- Schäubles Rolle in Brüssel: Merkels Buhmann
> Kanzlerin Angela Merkel tritt im Griechenlandkonflikt eher verbindlich
> auf. Ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble gibt den Bösen.
Bild: „Nein“ zu Schäuble.
Berlin taz | Historisch? Ach was. Als die Bundeskanzlerin am Montagmorgen
in Brüssel vor die Mikrofone tritt, ist sie schon wieder im unaufgeregten
Merkel-Modus. Ruhig trägt sie die Ergebnisse des Krisengipfels vor.
Griechenland bekommt neue Milliardenhilfen, muss aber härteste Sparauflagen
erfüllen. „Alles in allem: Vorteile überwiegen die Nachteile.“ Sie könne
dem Bundestag „aus voller Überzeugung“ die Zustimmung empfehlen. Und nein,
sie erwäge nicht, die Vertrauensfrage mit dem Votum zu verbinden.
Nüchterner als die Kanzlerin es hier tut, kann man den vorläufigen
Höhepunkt eines Dramas kaum beschreiben. Die Einigkeit der Eurozone stand
auf der Kippe. 17 Stunden saßen die Chefs der 19 Euro-Staaten zusammen. Sie
stritten und rangen, kündigten traditionelle Bündnisse auf, kitteten sie
wieder. Was Merkel mit keinem Wort erwähnt: Sie und ihr Finanzminister
Wolfgang Schäuble haben sich auf ganzer Linie durchgesetzt. Griechenlands
Regierung hat so harte Sparauflagen unterschrieben, dass man kaum noch von
einem Kompromiss sprechen kann.
Für Merkel war das wichtig. Sie weiß: Viele Abgeordnete in CDU und CSU
hadern mit einem nun zu beschließenden dritten Hilfspaket. Sie brauchte
dringend Erfolge in Brüssel, um eine Mehrheit in der Sondersitzung des
Bundestags am Freitag zusammenzubekommen.
In Berlin erklärt Merkels Sprecher Steffen Seibert die Einigung. Ein
griechischer Journalist will wissen, ob die Auflagen Athen nicht demütigen?
Diese „gute Einigung“ sei eine aller Staaten sei, entgegnet Seibert. Die
griechische Syriza-Regierung habe sie unterschrieben. Frankreich habe eine
wichtige Rolle gespielt, ebenso wie Deutschland. Merkels Sprecher verkauft
das alles nach einem alten Grundsatz der Politik: Sieger müssen in der
Stunde des Triumpfs bescheiden auftreten.
In Wirklichkeit hat Merkel geschickt die Rollen zwischen sich und ihrem
Finanzminister aufgeteilt. Während sie wie stets verbindlich blieb, zeigte
Wolfgang Schäuble der linken Syriza-Regierung das Folterbesteck. Die
stimmte nie gekannten Härten zu.
## Harte Sparauflagen
Schäubles Manöver beginnt am Samstagvormittag, als sich die Finanzminister
der Eurogruppe treffen, um die Staatschef-Runde am Sonntag vorzubereiten.
Er lässt seinen Staatssekretär ein Papier verteilen, das – angeblich – die
Position der Bundesregierung wiedergibt. Darin skizziert Schäubles Haus der
griechischen Regierung zwei Optionen, zwischen denen jene neben harten
Sparauflagen wählen müsse.
Der erste Vorschlag ist ein externer Treuhandfonds, in den Griechenland
Vermögenswerte im Wert von 50 Milliarden Euro übertragen soll – also etwa
Flughäfen, Häfen oder Ländereien. Jene könnten dann privatisiert werden,
ohne dass das griechische Parlament dies verhindern könnte.
Der zweite Vorschlag ist noch brisanter, weil er ein Horrorszenario
schildert, das die Bundesregierung bisher vermied. Falls Griechenland seine
Schulden nicht anders in den Griff bekomme, sei auch ein zeitweiser
Austritt aus der Eurozone möglich, ein befristeter Grexit.
## Grexit-Bluff
Das Papier wirkt, als habe Schäuble eine brennende Fackel in ein
Benzinlager geworfen. Italiens Regierungschef Matteo Renzi schimpft am
Sonntag auf die sparversessenen Deutschen (“Genug ist genug.“), Frankreichs
Präsident François Hollande weist die Idee brüsk zurück.
Doch die Grexit-Option war ein Bluff, sie spielt im Gipfelverlauf keine
größere Rolle mehr. Stattdessen konzentrieren sich die Regierungschefs
darauf, Griechenland im Euro zu halten. Dennoch erfüllt sie ihren Zweck.
[1][Indem Schäuble den Griechen die Peitsche zeigte], trieb er sie näher an
die deutsche Position heran. Dafür spricht auch, dass Schäubles Vorschlag
eines Treuhandfonds fast 1:1 in der Abschlusserklärung landet, obwohl er
einem Misstrauensvotum an die Syriza-Regierung gleichkommt.
In vielen europäischen Zeitungen steht Schäuble am Montag als Buhmann
Europas da, als Zuchtmeister, der den Griechen ein Diktat aufzwang. Diese
Sicht vernachlässigt aber die Rolle Merkels. Regierungssprecher Seibert
bestätigt in der Bundespressekonferenz, dass beide Optionen des Papiers mit
der Kanzlerin abgestimmt waren. Ein Grexit sei allerdings nicht die
Priorität der Regierung gewesen. „Das war ein Plan B“, sagt Seibert. Für
den Fall, dass es keine Einigung gegeben und die Syriza-Regierung
zugestimmt hätte.
Schäuble ist also nicht nur der Buhmann Europas. Er ist auch Merkels
Schutzschild.
14 Jul 2015
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## AUTOREN
Ulrich Schulte
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