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# taz.de -- Ökonom über die EZB und Griechenland: Wie die Zündung einer Atom…
> Wenn die EZB Notkredite zurückhält, erpresst sie die Griechen, sagt der
> Ökonom Martin Hellwig. So entsteht eine Krise wie schon 1931.
Bild: Kein Geld: Rentner warten vor der griechischen Nationalbank auf ihre Rent…
Nach dem Nein im griechischen Referendum sind alle gespannt, wie es
weitergehen wird. Vielleicht passiert gar nicht viel. Die griechische
Regierung bekommt zwar kein neues Geld – aber viel braucht sie gar nicht,
denn der größte Teil der neuen „Hilfen“ würde dazu dienen, alte „Hilfe…
zurückzubezahlen. Werden die nicht bezahlt, so wird man lernen, was seit
der lateinamerikanischen Krise der 1980er Jahre jeder wissen sollte: Ohne
Gerichtsvollzieher fällt es schwer, Schulden einzutreiben.
Die eigentliche Frage ist, wie die EZB sich verhält. Bundesbank-Präsident
Jens Weidmann und ifo-Chef Hans-Werner Sinn fordern schon lange, die
Notkredite für griechische Banken ganz zu beenden. Tatsächlich ist jedoch
bereits ihr Einfrieren fragwürdig – denn nach dem europäischen Vertrag hat
die EZB die Aufgabe, das „reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu
fördern“, und das in allen Mitgliedstaaten, auch in Griechenland.
Das Einfrieren der Notkredite hatte die Schließung der griechischen Banken
und massive Einschränkungen des Zahlungsverkehrs zur Folge. Das ist nicht
mit den vertraglichen Pflichten der EZB vereinbar.
„Aber die Griechen halten sich doch auch nicht an den Vertrag!“ Das ist ein
unzulässiger Kollektivvorwurf. Statt von „den Griechen“ zu reden, müssen
wir unterscheiden zwischen der griechischen Regierung, den griechischen
Geschäftsbanken und der griechischen Zentralbank. Die griechische Regierung
will sich nicht an geschlossene Verträge halten, wohlgemerkt, an
Kreditverträge. Ist das ein Grund, die griechischen Banken in Kollektivhaft
zu nehmen? Wir haben seit 2014 die europäische Bankenunion, in der die
Banken nicht mehr der nationalen Aufsicht, sondern der EZB unterstehen.
„Aber das Geld der EZB geht von den Banken weiter an die Regierung und
unterstützt den Vertragsbruch!“ Diese Aussage ist falsch. Das Geld kommt
nicht von der EZB, sondern von der griechischen Zentralbank. Diese haftet
für etwaige Verluste. Auch dient das Geld nicht dazu, den griechischen
Staat zu finanzieren, sondern das Wegbrechen der Kundeneinlagen zu
kompensieren. Im Übrigen hat die EZB als Aufsichtsbehörde den griechischen
Banken untersagt, ihre Staatskredite auszuweiten, ein erstes Beispiel
dafür, dass die Bankenunion die Verbindung von Staaten und Banken auflöst.
## Krisenbilder wie 1931
Notkredite bei einem Sturm auf die Banken gehören zu den Kernaufgaben einer
Zentralbank. Banken finanzieren sich kurzfristig durch Kundeneinlagen und
vergeben mittel- bis langfristige Kredite. Wenn die Einleger in Panik
kommen und ihre Gelder abziehen, sind die Banken schutzlos. Entweder hilft
dann die Zentralbank, oder es kommt zu einer Krise, die die Wirtschaft
insgesamt in Mitleidenschaft zieht.
Die Bilder aus Griechenland erinnern an Bilder aus Deutschland 1931. Am 9.
Juli 1931 hörte die Reichsbank auf, die deutschen Banken weiter zu
unterstützen. Es folgte ein Kundenansturm auf die Banken. Am 13. Juli
musste die Danatbank schließen. Am 14. und 15. Juli gab es staatlich
verordnete „Bankfeiertage“ für alle Banken, danach drei Wochen
eingeschränkten Zahlungsverkehr. In der Folge brach die
Wirtschaftstätigkeit noch einmal um 20 Prozent ein, auf 60 Prozent des
Niveaus vor 1929, und die Beschäftigung ging um weitere zwei Millionen
zurück.
Die Erfahrungen der 1930er Jahre waren ein Grund für die massiven
Staatshilfen 2008. Umso befremdlicher ist es, dass die EZB den griechischen
Banken die weitere Unterstützung versagt. Für die Wirtschaft eines Landes
ist die Zerstörung des Banksystems und der Zahlungsprozesse so etwas wie
die Zündung einer Atombombe. Die Schäden sind unübersehbar. Schon die
Drohung hat großes Erpressungspotenzial. Das kann sich unter Umständen auch
gegen Deutschland richten. Für unser Land und unsere Demokratie wäre das
viel gefährlicher als die möglichen Verluste, über die sich die Kritiker
der EZB heute aufregen.
„Aber die griechischen Banken sind doch insolvent!“ Als Sinn diesen Einwand
im Februar erstmals erhob, war er sachlich falsch. Die griechischen Banken
hatten noch 2013 viel neues Eigenkapital aufgenommen und waren gut durch
die Prüfung der EZB gekommen. Bald dürfte Sinns Aussage jedoch zutreffen,
denn wenn das Zahlungssystem kollabiert, können Unternehmen, deren Kunden
kein Geld haben, ihre Kredite nicht mehr bedienen, was die Banken
kaputtgehen lässt.
## Die Kosten der Krise
Nach den Regeln der EZB können nur solvente Banken Kredite von der
Zentralbank bekommen. Dadurch will die Zentralbank sich vor Verlusten
schützen. Aber wäre es 1931 nicht besser gewesen, die Reichsbank hätte den
Geschäftsbanken weiter Kredite gegeben, auch der erkennbar insolventen
Danatbank? Die Kosten der Krise für Deutschland waren so groß, dass die
Antwort auf diese Frage leicht fallen sollte. Damals allerdings musste die
Reichsbank ihre Unterstützung beenden, weil ihr die für die Deckung der
Währung erforderlichen Gold- und Devisenbestände ausgingen.
Die Regel, nur an solvente Banken Geld zu verleihen, stammt aus der Zeit,
als die Zentralbanken jederzeit bereit sein mussten, ihre Banknoten gegen
Gold oder Devisen einzulösen. Die Sorge um ihre Gold- und Devisenbestände
und die Furcht vor einem Run veranlassten sie zu besonderer Vorsicht. Diese
Vorsicht verhinderte eine angemessene Geldpolitik in der
Weltwirtschaftskrise.
Inzwischen haben wir ein reines Papiergeld, ohne jegliche
Einlösungspflicht. Zentralbanken können das Geldsystem und das Banksystem
ohne Sorge um die eigene Handlungsfähigkeit unterstützen. Sollte da nicht
die im EU-Vertrag gesetzte Verantwortung für die Funktionsfähigkeit der
Zahlungssysteme Vorrang haben vor einer internen Regel der EZB, die auf die
Zeit des Goldstandards zurückgeht und nicht durch den Vertrag gedeckt ist?
8 Jul 2015
## AUTOREN
Martin Hellwig
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