# taz.de -- Griechenlands Krise: Das langsame Gleiten in den Grexit | |
> Die EZB will keine Notkredite mehr bewilligen. So könnte sie den Grexit | |
> provozieren – weil Griechenland eine Parallelwährung einführen müsste. | |
Bild: Etwas bröckelig: Die Eruo-Skulptur vor der ehemaligen Zentrale der EZB w… | |
Griechenland droht aus dem Euro zu fliegen – und damit ist ein neuer Streit | |
rund um die Europäische Zentralbank (EZB) entbrannt. Maßt sie sich zu viel | |
Macht an? Verliert sie ihre Unabhängigkeit? Betreibt sie knallharte | |
Politik, statt sich nur auf die reine Geldpolitik zu konzentrieren? Darüber | |
[1][diskutieren Ökonomen] inzwischen weltweit. | |
Der Ausgangspunkt dieser Debatte trägt einen denkbar sperrigen Namen: | |
„Emergency Liquidity Assistance“, kurz Ela. Diese Notkredite können Banken | |
beantragen, die eigentlich gesund sind – aber trotzdem Finanznöte haben, | |
weil Sparer panisch ihr Geld abziehen. Auf Neudeutsch spricht man auch von | |
einem „Bank Run“. | |
Griechenland hat in den vergangenen Monaten einen Bank Run der Extraklasse | |
erlebt. Denn viele Griechen fürchteten, dass ihr Land aus dem Euro fliegen | |
könnte, und hoben schnell ihr Geld von den Konten ab. Die EZB stopfte die | |
Finanzlöcher, indem sie die Ela-Notkredite für die griechischen Banken | |
immer wieder erhöhte – bis sie schließlich rund 89 Milliarden Euro | |
betrugen. | |
Doch Ende Juni [2][zog die EZB den Stecker], nachdem der griechische | |
Premier Alexis Tsipras das Referendum angekündigt hatte. Die bisherigen | |
Notkredite laufen zwar weiter, aber es werden keine zusätzlichen Ela-Hilfen | |
mehr bewilligt. Diesen Kurs will die EZB vorerst beibehalten, wie sie am | |
Montagabend erneut beschloss. | |
## Der Vorrat dürfte nicht mehr lange reichen | |
Für Griechenland sind die Konsequenzen dramatisch, denn den Banken ging | |
prompt das Geld aus, so dass sie seit mehr als einer Woche geschlossen | |
sind. Die Geldautomaten spucken noch [3][maximal 60 Euro am Tag] aus. Doch | |
auch für diese Minibeträge dürfte der Vorrat nicht mehr lange reichen. | |
Damit gleitet Griechenland in einen Grexit, ohne dass er politisch jemals | |
beschlossen worden wäre. Er ereignet sich quasi automatisch. Denn ohne | |
Euros bleibt den Griechen nur noch, irgendwelche Parallelwährungen | |
einzuführen. Die Frage ist daher: Hat die EZB tatsächlich das Mandat, den | |
Grexit zu erzwingen, indem sie die Ela-Kredite deckelt? | |
Für Bundesbank-Chef Jens Weidmann ist klar: Die Ela-Kredite hätten schon | |
viel früher zurückgefahren werden müssen. Denn sie seien „zur einzigen | |
Finanzierungsquelle“ der griechischen Banken geworden. Man müsse also daran | |
zweifeln, ob die Institute überhaupt noch zahlungsfähig seien. Ähnlich | |
sieht es Elke König, oberste Bankenabwicklerin der EU. Sie sagte schon | |
Mitte Juni: „Für die griechischen Banken ist der Zugang zum Markt nun schon | |
lange geschlossen. Die Grenze zwischen Ela und Konkursverschleppung ist | |
fließend.“ | |
Weidmann und König bringen damit das erste Kernargument der Ela-Gegner auf | |
den Punkt: Die griechischen Banken seien eigentlich längst Pleite und | |
würden nur noch künstlich am Leben gehalten. | |
## Kein Misstrauen in die Banken | |
Dies sehen viele internationale Ökonomen ganz anders. In der Financial | |
Times wies Chefkommentator Martin Sandbu darauf hin, dass die EZB erst 2014 | |
einen Stresstest bei allen wichtigen Banken der Eurozone durchgeführt hat – | |
den die griechischen Banken mühelos bestanden haben. Sie galten damals also | |
als gesund. | |
Die griechischen Sparer würden ihr Geld ja nicht abheben, weil sie den | |
Banken misstrauen – sondern weil sie fürchten, dass ihr Land den Euro | |
verlässt. Mit den Banken habe das Liquiditätsproblem nichts zu tun. | |
Ein rechtliches Problem kann Sandbu ebenfalls nicht erkennen. Die | |
europäischen Verträge würden ausdrücklich vorsehen, dass die EZB das | |
„reibungslose Funktionieren des Zahlungsverkehrs“ fördern solle. | |
Auch der international einflussreiche französische Ökonom Charles Wyplosz | |
fordert, dass die EZB die Ela-Kredite ausweitet. Denn es wäre ein | |
Missverständnis, zu glauben, dass Zentralbanken nur die Inflation bekämpfen | |
sollen. Sie wurden überhaupt nur gegründet, um Paniken auf den | |
Finanzmärkten zu bekämpfen. „Indem sie das griechische Banksystem nicht | |
stützt, versagt die EZB bei einer ihrer zentralen Aufgaben.“ | |
## Verluste gehören zur EZB | |
Doch viele deutsche Ökonomen treibt noch eine weitere Sorge um: Es könnten | |
große Verluste auflaufen, falls Griechenland den Euro verlässt. Clemens | |
Fuest vom [4][ZEW Mannheim] sagte kürzlich: „Es ist ein schwerer Fehler der | |
EZB, dass die Ela-Kredite in den letzten Monaten immer weiter ausgeweitet | |
wurden. Das hat die Verhandlungsmacht der griechischen Regierung immer mehr | |
gestärkt, weil die Verluste der Gläubiger bei einem Grexit wachsen.“ | |
Auch dieses Argument kann Wyplosz überhaupt nicht nachvollziehen. | |
„Zentralbanken sind keine normalen Unternehmen. Verluste gehören zu ihrer | |
Aufgabenbeschreibung.“ Zudem sind diese Verluste nur virtuell, denn eine | |
Zentralbank kann beliebig viel neues Geld schöpfen. | |
Offenbar wird der EZB selbst mulmig, dass sie einen Grexit provozieren | |
könnte. EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny aus Österreich schlug am Dienstag | |
vor, den finanziellen Engpass in Griechenland bis zu einem neuen Hilfspaket | |
zu überbrücken. Etwas gewunden sagte er: „Unter bestimmten Voraussetzungen | |
kann auch die EZB Liquidität geben, wenn das entsprechend den Regeln | |
möglich ist.“ | |
7 Jul 2015 | |
## LINKS | |
[1] /!5209985/ | |
[2] /Hilfsprogramm-fuer-Athen-nicht-verlaengert/!5207392/ | |
[3] /!5207985/ | |
[4] http://www.zew.de/de/ | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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