# taz.de -- Selbstversorgung in Griechenland: Gemüsegarten gegen die Krise | |
> In Karitena wird Geld knapp: Es gibt keinen Automaten, der Bus zur Stadt | |
> wurde eingespart, das Taxi ist zu teuer. Die Bewohner versorgen sich | |
> selbst. | |
Bild: Wenigstens etwas zu essen haben: Ein Bewohner Karitenas arbeitet in seine… | |
Karitena ap | Ilias Mathes hat sich für den Fall eines griechischen | |
Staatsbankrotts abgesichert: mit zehn Ziegen, ein paar Hennen und einem | |
Gemüsegarten. Seit der Schließung der Banken und der Beschränkung der | |
Rentenauszahlungen vorige Woche wirtschaftet er auf seinem kleinen | |
Bauernhof in Karitena auf dem Peloponnes zunehmend als Selbstversorger. | |
„Ich habe meinen Salat, meine Zwiebeln, meine Hennen, meine Vögel. Ich | |
werde es schon schaffen“, sagt Mathes. | |
Doch auch ihn treibt die Sorge, was passiert, wenn sich die Krise in die | |
Länge zieht. „Wir werden eine Zeit lang auskommen, zwei Monate, vielleicht | |
drei, weil ich auch meinen Verwandten was abgeben will. Wenn sie Not | |
leiden, kann ich sie doch nicht im Stich lassen?“ | |
Wie Mathes versuchen viele andere Dorfbewohner in Griechenland, sich durch | |
die Produktion eigener Lebensmittel zumindest ein klein wenig abzusichern. | |
In Karitena im Hochland Akadiens ist das essenziell, besonders seitdem | |
Griechen nur noch 60 Euro pro Tag an den Geldautomaten abheben dürfen. | |
Denn der nächste Automat liegt in Megalopoli, der Bus dorthin ist den | |
Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen und viele der Rentner in Karitena können | |
selbst nicht mehr Auto fahren. Eine Taxifahrt nach Megalopoli und zurück | |
würde sie 40 Euro kosten – nur um 60 Euro abheben zu können. | |
## Drachme oder Euro? | |
Trotz der Hiobsbotschaften aus Athen und Brüssel bleiben die Bewohner von | |
Karitena zuversichtlich. 30 Menschen leben dort das ganze Jahr über, 100 | |
sind es im Sommer. Sie setzen auf die Landwirtschaft und die Kraft der | |
Dorfgemeinschaft. Auch wenn er selbst wenig hat, steckt Mathes seinen | |
Besuchern noch ein Bündel mit Gemüse zu und ein paar griechische | |
Chilopites-Nudeln, die seine Familie selbst herstellt. | |
„Im Dorf ist es einfacher zu leben“, sagt Ionnis Psilas, der nach dem | |
Konkurs seines Autoimportunternehmens hoch verschuldet ist. „Du kannst | |
Sachen von deinen Nachbarn bekommen und gibst ihnen etwas. In Athen ist man | |
bloß ein Fremder.“ Dennoch: Auch im Dorf sei die Lage dramatisch und viele | |
ältere Griechen fühlen sich an den Zweiten Weltkrieg erinnert, als sie auch | |
auf sich allein gestellt durch schwere Zeiten kommen mussten. | |
Auf ihre Geschichte sind die Bewohner Karitenas besonders stolz. Beim | |
Aufstand gegen die Osmanen 1821 waren sie unter den ersten, die sich | |
erhoben. Über dem Dorf thront eine Burgruine aus dem 13. Jahrhundert, alte | |
byzantinische Kirchen und Steinhäuser prägen das Ortsbild. Die Szenerie ist | |
so idyllisch und geschichtsträchtig, dass der Ort sogar auf der | |
5000-Drachmen-Note abgebildet war, bevor die griechische Währung im Jahr | |
2002 durch den Euro ersetzt wurde. | |
Einige im Dorf hoffen, dass ein Austritt aus der Eurozone und eine Rückkehr | |
zur Drachme einen Neuanfang bedeuten könnte, ohne Sparauflagen Brüssel. | |
Andere wollen unbedingt beim Euro bleiben. Die Spannungen sind so groß, | |
dass die Euro-Befürworter im Dorfcafé an einem Ende sitzen, die Gegner am | |
anderen – zwischen ihnen eine Kluft aus leeren Tischen. | |
## Rente per Post | |
Doch eines ist allen gemein, das Geld wird ihnen knapp. Dabei haben viele | |
Rentner in diesem abgelegenen Teil Akadiens noch Glück, denn unter einer | |
Sonderregelung darf ihnen ihre monatliche Pension von meist 250 bis 800 | |
Euro mit der Post ausgeliefert werden. Auf dieses Geld sind ganze Familien | |
angewiesen. Viele Jüngere haben keine Arbeit und leben von Zuschüssen ihrer | |
pensionierten Eltern und Großeltern. | |
Nach der Schließung der Banken war auch in Karitena die Panik groß, als die | |
Renten nicht kamen. Dann sei überraschend aber doch noch ein gepanzerter | |
Geldwagen gekommen, sagt die Postangestellte Keke Bakoyanni, die das Geld | |
dann vom Postamt ausliefert. Und zwar mit den vollen Renten und nicht nur | |
den 120 Euro pro Woche, die Pensionisten im Rest des Landes bei den Banken | |
holen dürfen. „Die Leute hier haben Glück, sie sind die einzigen in | |
Griechenland, die ihre vollen Renten bekommen“, sagt Bakoyanni. | |
9 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Gregory Katz | |
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