# taz.de -- Kommentar IWF und Griechenland: Verabschiedete Demokratie | |
> Der Internationale Währungsfonds muss dringend raus aus Europa. Er stellt | |
> Ultimaten, die Griechenland wirtschaftlich ruinieren werden. | |
Bild: IWF-Chefin Lagarde und EZB-Chef Draghi mussten sich keinem demokratischen… | |
Es sind verstörende Fotos, die derzeit aus Brüssel übermittelt werden. | |
Immer wenn es bei den Verhandlungen mit Griechenland wichtig wird, sind die | |
gleichen Granden abgebildet. Da sieht man dann EZB-Chef Mario Draghi – | |
nicht demokratisch gewählt. Neben ihm steht IWF-Präsidentin Christine | |
Lagarde – nicht demokratisch gewählt. Außerdem ist noch Rettungsschirm-Chef | |
Klaus Regling anwesend – nicht demokratisch gewählt. Auch | |
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker musste sich nie einem echten | |
Votum der Bürger stellen. | |
Nur der Premier Alexis Tsipras wurde tatsächlich von den Griechen ins Amt | |
gehoben. Ein einsamer Regierungschef begegnet vier Technokraten. | |
Diese Bilder aus Brüssel zeigen, dass die Eurokrise weit mehr ist als nur | |
ein Schuldenproblem. Die Demokratie wird entmachtet und vermeintlichen | |
Sachzwängen unterstellt. | |
Besonders seltsam ist die Rolle des IWF. Was hat er eigentlich in Europa zu | |
suchen? Diese Frage stellen sich auch viele Mitarbeiter des IWF. | |
Bekanntlich sitzt diese Institution in Washington, hat 188 Mitgliedsstaaten | |
und ist eigentlich dazu gedacht, bei Währungsturbulenzen einzugreifen und | |
überschuldete Entwicklungs- und Schwellenländer zu unterstützen. Das reiche | |
Europa gehörte bisher nicht zu seinem Einsatzgebiet. | |
## Extrem reiche Entwicklungsländer | |
Doch jetzt haften ausgerechnet arme Länder wie Kenia oder Sambia für | |
Kredite, die an das deutlich wohlhabendere Griechenland fließen. Indem sich | |
die Eurozone dem IWF ausgeliefert hat, hat sie sich selbst zu einer | |
Ansammlung von Entwicklungsländern deklariert. Ein extrem reicher Kontinent | |
tut so, als könne er die eigenen Schulden nicht finanzieren. Seltsamer geht | |
es nicht. | |
Der finanzielle Beitrag des IWF war allerdings nie groß. Stattdessen sollte | |
er vor allem technische „Expertise“ liefern, wie man mit überschuldeten | |
Staaten umgeht. Seit Frühjahr 2010 ist der IWF in Griechenland im Einsatz, | |
und seine Bilanz fällt vernichtend aus. | |
Der IWF bewegt sich in einer Scheinwelt, die durch die eigene Machtfülle | |
komplett abgeschirmt ist. Die Ideologie lautet: Wer hart spart, der wächst. | |
Es kam anders, wie inzwischen jeder weiß. Die Griechen kürzten zwar ihren | |
Staatshaushalt um über 30 Prozent – aber Wachstum stellte sich nicht ein. | |
Stattdessen schrumpfte die Wirtschaft um ebenfalls 28 Prozent, und die | |
offizielle Arbeitslosigkeit schnellte auf etwa 27 Prozent hoch. | |
Doch der IWF bleibt unbeeindruckt. Bei den jetzigen Verhandlungen verlangt | |
er erneut, dass die Griechen sparen. IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard | |
hat es jüngst in seinem Blog vorgerechnet: Vor allem bei den Renten sollen | |
noch einmal 1,8 Milliarden Euro herausgekürzt werden – also 1 Prozent der | |
griechischen Wirtschaftsleistung. Blanchard ist gern bereit, von den | |
Griechen andere Sparvorschläge entgegenzunehmen. Aber 1 Prozent der | |
Wirtschaftsleistung muss sein. | |
## Diktat statt Verhandlungen | |
Diesen Wahnsinn wollte Tsipras bisher nicht unterschreiben. Wenn die Renten | |
erneut sinken, sinkt auch die Nachfrage – und die griechische Wirtschaft | |
schrumpft weiter. Am Ende wären die griechischen Schulden nicht geringer, | |
sondern sogar höher. Doch Gegenargumente interessieren den IWF nicht, wie | |
Blanchard klar erkennen lässt. Seine Behörde verhandelt nicht. Sie diktiert | |
und stellt Ultimaten. | |
Genau das macht ihren Charme aus. Jedenfalls für Kanzlerin Merkel. Ihre | |
Idee war es 2010, den IWF nach Europa zu holen – und seither wälzt die | |
deutsche Regierung alle Verantwortung auf die Troika ab. | |
Dieser Trick war auch am Freitag zu beobachten, als Gerüchte die Runde | |
machten, die Eurozone hätte den Griechen einen „neuen Deal“ angeboten. | |
Dabei glich dieses Angebot genau den Vorschlägen, die die Troika schon | |
immer unterbreitet hatte. Neu ist nur, dass das Hilfsprogramm bis November | |
laufen könnte. „Dann macht auch der IWF mit“, raunten deutsche Politiker. | |
Genau. So kann man den Abschied von der Demokratie auch nennen. | |
26 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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