| # taz.de -- Griechenland-Verhandlungen: Politik mit Korrekturstift | |
| > Griechenland und seinen Gläubigern läuft die Zeit davon. Tsipras will die | |
| > Schuldenkrise lösen. Die Gegenseite drängt auf härtere Sparauflagen. | |
| Bild: Lage checken: IWF-Chefin Christine Lagarde und Griechenlands Finanzminist… | |
| BRÜSSEL taz | Es ist ein knallharter Kampf um Zahlen und Zumutungen. | |
| Nachdem Kanzlerin Angela Merkel Anfang Juni auf einem Sondergipfel mit den | |
| Gläubigern im Berliner Kanzleramt die Zielvorgaben abgesteckt hatte, muss | |
| Griechenland nun seine „Hausaufgaben“ machen und die leeren Kästchen | |
| ausfüllen, um das Plansoll zu erfüllen. | |
| Doch der erste Versuch ist krachend gescheitert: Die Gläubiger von | |
| Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem | |
| Währungsfonds (IWF) haben die roten Linien von Premier Alexis Tsipras | |
| ignoriert und viele Vorschläge rot ausgestrichen. Seitdem steht Brüssel | |
| Kopf; in einem verzweifelten Kampf gegen die Uhr suchen Griechenland und | |
| die Gläubiger eine neue Basis. | |
| Worum geht es? Zum einen geht es um ein Kernanliegen von Tsipras: | |
| Erleichterungen beim Schuldendienst. Die griechische Regierung fordert, die | |
| Schulden gegenüber dem IWF und der Europäischen Zentralbank auf den | |
| Euro-Rettungsschirm ESM zu verlagern. Das hätte den Vorteil, dass Athen | |
| bald fällige Milliardenrückzahlungen hinauszögern könnte – eine wichtige | |
| Erleichterung im Kampf gegen die Pleite. | |
| Doch die Gläubiger wollten über diesen zentralen Punkt zunächst nicht | |
| einmal reden. Erst müsse die „Konditionalität“ abgearbeitet werden, sagte | |
| Merkel. Doch auch bei den Bedingungen für die geplanten Hilfen von 7,2 | |
| Milliarden Euro hakt es an allen Ecken und Enden. Renten, Mehrwertsteuer, | |
| Unternehmenssteuern – nirgendwo wurde man sich auf Anhieb einig. | |
| ## Schmerzen bei den Renten | |
| Bei den Renten ist der Streit besonders heftig. Tsipras möchte zwar die | |
| Rentenbeiträge anheben, was einer indirekten Kürzung gleichkommt. Direkte | |
| Einschnitte lehnt er jedoch ab. Genau das fordern aber die Gläubiger in | |
| ihrem Rote-Tinte-Papier, [1][welches das Wallstreet Journal in | |
| Originalfassung veröffentlicht hat] (hier die [2][deutsche Übersetzung] von | |
| der taz). So beharren sie darauf, dass ein Solidaritätsaufschlag für arme | |
| Rentner abgeschafft wird. Zudem wollen sie die Frühverrentung schneller | |
| abschaffen und das Rentenalter generell auf 67 Jahre anheben. | |
| Verhärtet haben sich die Fronten bei der Mehrwertsteuer. Die Gläubiger | |
| wollen sie auf breiter Front auf den Höchstsatz von 23 Prozent anheben und | |
| nur wenige Ausnahmen etwa bei Medikamenten oder bestimmten Lebensmitteln | |
| erlauben. Tsipras hingegen fordert ermäßigte Sätze für die Gastronomie, | |
| eine Hauptstütze der griechischen Wirtschaft. Zudem will er nun doch an | |
| Steuerprivilegien für die Inseln festhalten – mit Rücksicht auf seinen | |
| kleinen rechten Koalitionspartner, die Partei Unabhängiger Griechen (Anel), | |
| der andernfalls mit einem Bruch der Koalition droht. | |
| Einen ideologischen Streit gibt es schließlich auch noch um die | |
| Unternehmenssteuern. Tsipras wollte sie anheben – so wie er generell auf | |
| Steuererhöhungen setzt, um Kürzungen zu vermeiden. Sein Vorschlag ist, auf | |
| alle Gewinne über 500.000 Euro eine Steuer von 12 Prozent zu erheben. Der | |
| IWF hält dagegen, denn dies könnte die Erholung der Wirtschaft gefährden. | |
| Allerdings ist dies ein schwaches Argument, denn schon der unter Merkels | |
| Ägide gesetzte Rahmenplan belastet die Konjunktur. | |
| ## Triste Prognosen | |
| So schätzt Malcolm Barr, ein Ökonom bei der Investmentbank JPMorgan, dass | |
| der griechische Plan das Wachstum in den nächsten zwölf Monaten um 1,5 | |
| Prozent kappen würde – das Land würde also noch tiefer in die Rezession | |
| stürzen. Da Griechenland nach den Vorgaben der Gläubiger in den kommenden | |
| Jahren noch höhere Primärüberschüsse erzielen, also härter sparen muss, | |
| könnte die Wirtschaft sogar noch mehr abschmieren. | |
| Tsipras fordert daher auch noch ein Investitionsprogramm, um das Wachstum | |
| anzukurbeln. Die EU-Kommission wäre dazu sogar bereit – sie hat für die | |
| Jahre 2015 bis 2020 ein Investitionsprogramm in Höhe von 35 Milliarden Euro | |
| in Aussicht gestellt. Doch am Donnerstag war unklar, ob das Teil des Deals | |
| mit den Gläubigern sein würde. | |
| Denn die Positionen lagen so weit auseinander, dass die Kreditgeber sich | |
| nicht mehr damit begnügten, den griechischen Vorschlag rot | |
| durchzustreichen: Nach einem kurzen, aber heftigen Streit zwischen IWF und | |
| EU-Kommission legten sie einen neuen, gemeinsamen Plan vor. Angeblich sind | |
| sie Athen darin etwas entgegengekommen. Zumindest haben sie diesmal nicht | |
| mit roter Tinte gearbeitet. | |
| 25 Jun 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://online.wsj.com/public/resources/documents/062415Greek.pdf | |
| [2] /SparGR | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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