| # taz.de -- EU-Sondergipfel in Brüssel: Ringen mit und um Griechenland | |
| > Athen legt neue Reformvorschläge vor, den Geldgebern ist das noch nicht | |
| > genug. Die Beteiligten hoffen auf eine Einigung noch in dieser Woche. | |
| Bild: Auch die Griechen wollen lieber im Euro bleiben. Demo am Montag vor dem P… | |
| BRÜSSEL/ATHEN dpa/afp | Er habe den Sondergipfel der Euro-Staaten | |
| einberufen, „um ein Worst-Case-Szenario zu vermeiden“, das zu einem | |
| „chaotischen und unkontrollierbaren“ Ende der Euro-Mitgliedschaft | |
| Griechenlands führen könne, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk. Die in der | |
| Nacht zum Montag vorgelegten neuen griechischen Vorschläge seien „ein | |
| positiver Schritt nach vorne“. Die Beteiligten hoffen, dass es in dieser | |
| Woche zu einem Durchbruch kommt. | |
| Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Montag nach einem Sondergipfel | |
| der Euro-Staats- und Regierungschefs in Brüssel, sie hoffe, dass das für | |
| Mittwochabend anberaumte weitere Treffen der Finanzminister der Eurogruppe | |
| Ergebnisse verkünden könne. Am Donnerstag und Freitag kommt dann der | |
| reguläre EU-Gipfel mit 28 Staats- und Regierungschefs zusammen. | |
| Merkel erhöhte noch einmal den Druck auf die Regierung in Athen. Sie sah in | |
| den Brüsseler Verhandlungen zwar einen „gewissen Fortschritt“, „aber es … | |
| auch klar geworden, dass noch sehr viel Arbeit zu leisten ist, und dass die | |
| Zeit dafür sehr kurz ist“. Mögliche Ergebnisse des Eurogruppen-Treffens am | |
| Mittwoch müssten dann Grundlage der Beratungen des EU-Gipfels sein. „Es | |
| stehen Stunden intensivster Beratungen vor uns.“ | |
| Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte: „Ich bin überzeugt davon, | |
| dass wir zu einer abschließenden Einigung im Laufe dieser Woche kommen, aus | |
| dem einfachen Grund, dass wir diese Woche eine Einigung finden müssen.“ | |
| Auch Frankreichs Präsident François Hollande sagte, die neuen Vorschläge | |
| hätten „den Weg zu einer schnellstmöglichen Einigung“ geebnet. | |
| ## Zugeständnisse seitens Griechenland | |
| Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte praktisch in letzter | |
| Minute [1][neue Vorschläge für harte Steuererhöhungen und Einsparungen | |
| vorgelegt]. Die Maßnahmen sollen in den kommenden eineinhalb Jahren fünf | |
| Milliarden Euro einbringen. Tsipras sagte nach den vierstündigen | |
| Beratungen: „Unser Vorschlag ist akzeptiert worden als Basis für | |
| Gespräche.“ Notwendig sei ein umfassendes Programm, das Griechenland | |
| wirtschaftlich „lebensfähig“ mache. | |
| Athen ist laut Regierungskreisen nun bereit, die Mehrwertsteuer im Bereich | |
| Tourismus (Hotels, Tavernen und Cafés) zu erhöhen, die meisten Frührenten | |
| abzuschaffen und die Reichen des Landes mit einer Sondersteuer zu belegen. | |
| Unternehmen, die 2014 mehr als 500.000 Euro Gewinn machten, sollen | |
| Sondergewinnsteuer zahlen. | |
| Eine Immobiliensteuer, die die linke Regierung eigentlich abschaffen | |
| wollte, soll bestehen bleiben. Die Regierung will die Rüstungsausgaben | |
| zudem um 200 Millionen Euro zusammenstreichen. Rentenkürzungen soll es aber | |
| nicht geben. | |
| Griechenland verpflichtet sich außerdem zu weiteren Privatisierungen etwa | |
| von Häfen oder Flughäfen – aber nur unter bestimmten Bedingungen, wie etwa | |
| der Beteiligung des öffentlichen Sektors am Kapital des Käufers, Zusagen | |
| der Investoren für die örtliche Wirtschaft und dem Schutz von | |
| Arbeitnehmerrechten. Eine Privatisierung des Stromnetzbetreibers Admie und | |
| staatlicher Anteile am Telefonie-Betreiber OTE schließt die Regierung aus. | |
| ## Sorge um griechische Wirtschaft | |
| „Der Ball liegt im Feld der europäischen Regierungen“, sagte Tsipras. | |
| Grundlage eines Abkommens müsse „soziale Gerechtigkeit“ sein. Seine | |
| Regierung werde „Renten und Löhne schützen“. | |
| Der Grünen-Finanzexperte im Europaparlament, Sven Giegold, begrüßte den | |
| Fortschritt. Ein Scheitern der Verhandlungen „wäre für Griechenland und für | |
| Europa die schlechteste Lösung gewesen“, sagte Giegold nach dem Gipfel in | |
| einem Interview des Deutschlandfunks. „Dass sich jetzt eine Vereinbarung | |
| abzeichnet, ist gut.“ Zugleich habe er die Sorge, dass die Sparmaßnahmen zu | |
| einem neuen Einbruch der griechischen Wirtschaftskraft führen. | |
| Wie die Bundeskanzlerin sieht aber auch die Chefin des Internationalen | |
| Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, noch Handlungsbedarf. Die neuen | |
| Vorschläge Athens seien noch zu unspezifisch, sagte sie. Merkel betonte: | |
| Basis der Verhandlungen bleibe die Position der drei Institutionen IWF, | |
| Europäische Zentralbank (EZB) und EU-Kommission, die Griechenland bereits | |
| deutlich entgegen gekommen seien. | |
| Der Sondergipfel klärte letztlich zwar das Verfahren, brachte aber | |
| inhaltlich keine Entscheidungen, etwa zu der griechische Forderung nach | |
| einer Schuldenreduzierung. Es stehe „nicht zur Debatte, dass wir Schulden | |
| in dem Sinne restrukturieren“, sagte Merkel dazu und verwies darauf, dass | |
| Athen vorerst keine Schulden aus dem zweiten Hilfsprogramm zurückzahlen | |
| müsse. Insofern sei dies „nicht die akuteste Frage“. | |
| ## Die Hürde im Parlament | |
| Das griechische Reformangebot an könnte jedoch im Parlament in Athen zu | |
| scheitern. Vize-Parlamentssprecher Alexis Mitropoulos, der die regierende | |
| Syriza-Partei vertritt, warnte am Dienstag, viele Abgeordnete könnten der | |
| Vorschlagsliste von Regierungschef Alexis Tsipras die Unterstützung | |
| verweigern. „Ich glaube, dieses Programm (...) wird Schwierigkeiten haben, | |
| bei uns durchzukommen.“ | |
| Auch über eine Verlängerung des zweiten Hilfsprogramms über Ende Juni | |
| hinaus sei am Montagabend nicht diskutiert worden, sagte die Kanzlerin. Und | |
| in der Frage eines neuen Hilfsprogramms habe die griechische Regierung | |
| selbst deutlich gemacht, dass sie „im Grunde kein drittes Programm möchte“. | |
| Vor dem Parlament in Athen sind am Montag erneut Tausende Menschen für den | |
| Verbleib Griechenlands in der Eurozone auf die Straße gegangen. An der | |
| Kundgebung nahm auch der frühere griechische Ministerpräsident Konstantinos | |
| Mitsotakis teil. Der 96-jährige konservative Politiker sprach von einer | |
| „Demonstration der Einheit“, von der die Botschaft ausgehe, dass | |
| Griechenland in der EU bleiben solle. | |
| Am Sonntag hatten in Athen schon rund 7.000 Menschen vor dem Parlament | |
| demonstriert, um der linksgeführten Regierung von Ministerpräsident Alexis | |
| Tsipras ihre Unterstützung auszusprechen und gegen weitere Einsparungen zu | |
| protestieren. Am Montag gab es in der Nähe des Syntagma-Platzes auch eine | |
| kleinere Kundgebung von rund 200 Anarchisten, die jedoch von Polizisten | |
| zurückgedrängt wurden, um Zusammenstöße mit den proeuropäischen | |
| Demonstranten zu verhindern. | |
| 23 Jun 2015 | |
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