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# taz.de -- Berichterstattung über Griechenland: Tsipras und die „Rote Betty…
> Einige Medien meinen erkannt zu haben, warum Tsipras sich der EU nicht
> beugen will. Sie greifen zum Klischee aller Erklärungen: Die Frau ist
> schuld.
Bild: Alles fest im Blick: Betty Baziana (3.v.r.) bei der Vereidigung der neuen…
Sie kuschelt sich eng an ihn, streicht ihm zärtlich durchs dichte, schwarze
Haar und raunt ihm ins Ohr: „Lexi, ich liebe dich, das weißt du. Aber was
zu viel ist, ist zu viel. Du musst dich entscheiden: entweder die Angela
oder ich.“
Alexis Tspiras starrt an die Decke des gemeinsamen Schlafzimmers. Er atmet
tief ein und noch tiefer aus. Er ist in der Bredouille: Auf der einen Seite
zerren Bundeskanzlerin Angela Merkel und all die anderen wichtigen Menschen
aus der Eurozone an ihm – und sie verlangen viel.
Er soll Griechenland retten, dessen Ministerpräsident er ist. Er soll
Schulden abbauen und sein Land trotzdem nach vorn bringen. Harte Sache.
Auf der anderen Seite droht Betty, seine Frau, mit Trennung, wenn er dem
Druck aus dem Norden nachgibt.
## Kämpferin für Volk und Vaterland
Betty ist eine Linke, durch und durch. Das weiß Tsipras, seit er sie kennt.
Bettys Devise: Dem Volk soll es gut gehen. Aber wenn sich der Norden
durchsetzt, wird es noch mehr Arbeitslosigkeit im Land des Retsina und des
Sirtaki geben. Hunger. Armut. Obdachlosigkeit. Das muss sie auf jeden Fall
verhindern. Und wenn es nicht anders geht, eben mit Sexentzug.
Betty Baziana, die moderne Lysistrata? Eine Kämpferin für Volk und
Vaterland, für die gute Sache – so wie in der gleichnamigen Komödie von
Aristophanes? Eine Frau für 11 Millionen Griechen und gegen den Rest
Europas?
So jedenfalls klingt es, was manches Medium gerade über Tsipras’ Frau, eine
Elektro- und Computeringenieurin, herausgefunden haben will. Betty Baziana,
die radikale Linke, die „rote Hexe“, wie sie schon genannt wird. Aber auch:
die große Manipulatorin, das Weib, das den Gatten dirigiert, ihn lenkt. Ihn
voll im Griff hat.
Dieses Bild greift gleich zwei Mal tief in die Klischeekiste: Hinter jedem
starken Mann steht eine starke Frau. Er brilliert in der bösen, kalten
Welt, weil sie zu Hause alles zusammenhält. Sie bügelt seine Hemden, sie
schichtet die Moussaka.
## Der Fischer und seine Frau
Sie denkt für ihn und legt ihm die schlauen Sätze, die er später in die
Fernsehkameras spricht, in den Mund. Sie weiß, was gut ist für Griechenland
und was gut ist für ihn. Sie soll ihn erst zu dem gemacht haben, der er
heute ist.
Aber das reicht nicht. Der Mann, den die Frau betüttelt, den sie lenkt und
leitet, der muss mehr bringen. Er muss alles bringen. Er muss der Kommunist
sein, der in den Stiefeln stirbt. Das klingt ein wenig nach dem Märchen vom
Fischer und seiner Frau: erst ein kleines Haus, dann ein größeres, und dann
ein Schloss – weil sie so gierig ist und immer noch mehr will.
Unabhängig davon, dass das bekanntermaßen nicht gut ausgeht und der Fischer
und seine Frau am Ende mit leeren Händen dastehen, wird der Einfluss von
Betty Baziana auf ihren Mann Alexis Tsipras möglicherweise überschätzt.
Gleichzeitig spricht man ihm, indem man sie erhöht, Eigenverantwortung und
politisches Gespür ab.
## Klatschtante Hollande
Man kann Tsipras kritisieren für das, was er tut. Ihn aber als willenloses
Wesen, das am Gängelband seiner Frau hängt, zubeschreiben, wird ihm nicht
gerecht.
Tsipras soll laut Le Canard Enchainé selbst gesagt haben, dass er nicht nur
seine Partei, sondern auch seine Frau verlieren werde, wenn er den
Forderungen der Troika zu sehr nachgebe. Zumindest behauptet das Präsident
François Hollande, dem Alexis Tsipras das so gesteckt haben will und der
das genüsslich preisgab.
Vielleicht kann Hollande tatsächlich nicht verstehen, wie man sich als
Politiker gegen Rentenkürzungen stellen kann. Vielleicht ist Hollande aber
auch nur sauer, weil sein „Frauenproblem“ mit der handelsüblichen Geliebten
so schlicht daherkommt. Eine Frau, die Sex an linke Politik knüpft, ist da
eine andere Nummer. Mehr Drama, Baby!
22 Jun 2015
## AUTOREN
Simone Schmollack
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