Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- US-Botschafter Emerson im Gespräch: „Viele Deutsche sind enttäu…
> US-Botschafter John Emerson über die NSA-Affäre, ihren Einfluss auf die
> Beziehungen zu Deutschland, Rassismus in der Gesellschaft und Obamas
> Regierungsbilanz.
Bild: „Wir wollen mit Sicherheit nicht, dass die aktuelle Situation unsere Be…
taz: Herr Botschafter, was ist die häufigste Frage, die Ihnen Amerikaner
über Deutschland stellen?
John B. Emerson: Bis vor kurzem wäre es um Antisemitismus gegangen und die
Entwicklung der „Pegida“-Demonstrationen, um die Sorge, dass der
Antisemitismus wieder stark wird in Deutschland. Derzeit bekomme ich eher
Fragen wie: Wie ist Angela Merkel? Sie genießt großen Respekt, weltweit,
aber besonders in den Vereinigten Staaten, wegen der riesigen Rolle, die
sie in Europa spielt.
Und was ist die häufigste Frage, die Ihnen über die Vereinigten Staaten von
Deutschen gestellt wird?
Ich kam acht Wochen vor den Enthüllungen über „Handy-Gate“ an und alle
Fragen drehten sich um das Thema Überwachung durch Geheimdienste.
Mittlerweile nehme ich eine breitere Auseinandersetzung mit dem vorhandenen
Anti-Amerikanismus wahr, den es ja schon seit den Nachkriegsjahren gibt.
Die derzeitige Lieblingsfrage: Welche Aussichten hat Hillary Clinton?
Die Plattform Wikileaks [1][hat neue Dokumente veröffentlicht], die zeigen,
dass neben Merkel auch deutsche Ministerien abgehört wurden. Zwei Jahre
NSA-Affäre und scheinbar kein Ende. Was bedeutet das für die
deutsch-amerikanischen Beziehungen?Wir haben sehr starke, lange und tiefe
Beziehungen zu Deutschland und pflegen eine Freundschaft, die wir und die
Deutschen sehr zu schätzen wissen. An diesen engen Beziehungen, die wir zu
Deutschland haben und weiter haben werden, hat sich nichts geändert.
Präsident Obama und Kanzlerin Merkel haben beide gesagt, dass diese
Beziehungen wichtig sind, weitergeführt werden müssen und dass wir unsere
Zusammenarbeit weiter fortsetzen werden.
Sie sagen, dass Verhältnis auf Regierungsebene ist gut, dennoch sind Sie
jetzt ins Kanzleramt ‚eingeladen‘ worden. Es scheint also doch Redebedarf
zu geben.
Natürlich wollen wir Themen, die unsere Beziehung belasten, klären. Wie wir
immer wieder betont haben, unterhalten wir eine sehr enge Partnerschaft mit
Deutschland und arbeiten an einer ganzen Reihe von Themen zusammen,
darunter die Ukraine, Afghanistan, Iran, der Kampf gegen Ebola, Klimawandel
und Korruption. Ich sehe nichts, dass unsere Kooperation mit Deutschland
bei diesen wichtigen Themen beeinträchtigen könnte. Wir wollen mit
Sicherheit nicht, dass die aktuelle Situation unsere Beziehungen in
irgendeiner Weise beeinflusst.
Haben Sie ein gewisses Verständnis dafür, dass Deutsche sich so sehr über
die NSA-Affäre ärgern und dieser Ärger auch nicht in den nächsten ein oder
zwei Jahren vorbei sein wird?
Durchaus. Mir ist auch aufgefallen, dass die NSA Affäre die Frage nach „big
data“ in den Vordergrund gerückt hat und auch wir fragen uns, was mit
unseren Daten passiert. Im Allgemeinen haben wir in Amerika eine andere
kulturelle Einstellung zu Technologie und Daten. Die Amerikaner sind
risikofreudiger, begeistert, wenn es um neue Technologien geht.
Nehmen wir Google Street View. Die Amerikaner lieben es, ihr Haus dort zu
sehen, während Deutsche skeptisch sind. Es gibt auch Unterschiede in der
Einschätzung, wie sehr die Regierung sich einmischen soll. Ich glaube, dass
Amerikaner selbstverantwortlicher sind. Ich erwarte von der Regierung
nicht, dass sie etwas tut, um meine Kinder vor den Konsequenzen dessen zu
schützen, was sie auf Facebook posten. Und mein Eindruck ist, dass in
Europa eine Erwartung besteht, die Regierung soll die Bürger vor so etwas
schützen.
Nach dem 11. September haben Amerikaner sich darauf verlassen, dass die
Regierung sie vor Fremden und Terror beschützt, da wurde alles uferlos.
Jetzt wird die NSA etwas reformiert. Wo sehen Sie die Entwicklung in den
nächsten Jahren?
Nach den Anschlägen hatten wir eine 9/11-Kommission, etwas, was wohl in
jedem demokratischen Staat so gewesen wäre. Und was haben Sie im Kopf, was
ist Ihr Job im Geheimdienst nach 9/11? Ihr Job ist es zu verhindern, dass
so etwas jemals wieder passieren kann. Und dann sind da all diese
sensationellen technologischen Werkzeuge erhältlich und da wird das Geld
investiert in diese Ressourcen, damit sie genutzt werden können. Es wurden
Dinge getan, nicht weil wir sie tun sollten, sondern weil wir sie tun
konnten. Außerdem wurde festgestellt, dass die Geheimdienste und
Ordnungskräfte in den USA sehr isoliert voneinander gehandelt haben, es war
nicht effektiv. Jetzt beginnt ein Reformprozess.
Sie sagten, die Deutschen verlassen sich viel mehr auf die Macht des
Staates. Brauchen die USA im Angesicht der Ereignisse in Charleston mehr
Kontrolle, wenn es um Waffenbesitz geht?
Ja. Aber bei uns wird die Politik von starken Gruppen bestimmt, die
Einzelinteressen vertreten. Und die NRA ist das klassische Beispiel für so
eine Einzelinteressenvertretung. Als Senator eines Staates mit einer
starken Waffenlobby riskiert man die Karriere, wenn man dagegen ist. Aber
denken Sie nicht, nur weil wir keine nationale Gesetzgebung haben, gibt es
keine Regulierung. Viele Orte wie Los Angeles oder New York haben sehr
strenge Waffenkontrollgesetze. Ich denke, dass wird auch ein großes Thema
im beginnenden Präsidentschaftswahlkampf sein.
Kann nur Geld die NRA schlagen?
Nein, es ist keine Frage von Geld allein, es ist eine Frage von Geld in
Organisationen und wie es den politischen Willen beeinflusst. Und Obama
konnte sich mit seiner Position nicht durchsetzen, landesweit stärkere
Waffenkontrollgesetze einzuführen
Obama hat [2][in Charleston eine emotionale Rede gehalten] mit klaren
Worten zum Rassismus. Warum kamen diese Worte so spät?
Er hat auch schon früher einige außergewöhnliche Reden über „race
relations“ gehalten. Aber richtig ist, dass er sich jetzt wohl freier
fühlt, sich dem Thema zu widmen als in den frühen Tagen seiner
Präsidentschaft, als er mehr darum bemüht war, die Menschen
zusammenzubringen.
Polizeigewalt, [3][brennende Kirchen], die Spaltung in der US-Gesellschaft
scheint noch sehr groß zu sein. Wenn es 2016 einen möglichen Wahlkampf
zwischen Jeb Bush und Hillary Clinton gibt, sind das nicht wieder die 80er
und 90er Jahre? Braucht das Land nicht Erneuerung?
Ich glaube nicht, dass es eine Wiederholung von 1992 geben wird. Die Themen
sind diesmal ganz andere. 1992 waren wir inmitten einer tiefen Rezession.
Heute ist das große Thema die wachsende Lücke zwischen den sehr
Wohlhabenden und der Mittelklasse. Außerdem glaube ich, dass Außenpolitik
eine große Rolle in diesem Wahlkampf spielen wird.
Wie bewerten Sie Obamas außenpolitische Bilanz? IS, Irak, Syrien. Selbst
das Pentagon sagt, es gibt keine wirklichen Fortschritte.
Ich denke, Obamas fundamentales außenpolitisches Vermächtnis bezüglich der
Konfliktherde im Nahen Osten wird sein, dass er den Stil im Umgang mit den
Alliierten geändert hat. Amerika hat deutlich wenig interveniert, die
Alleingänge wurden weniger. Auch Transparenz gehört dazu, wie Sie bei der
Veröffentlichung des Folter-Reports und der Reform der
Geheimdienst-Komitees des Kongresses sehen.
Denken Sie, dass Obama es in seiner Amtszeit noch schafft, Guantanamo zu
schließen?
Er will das unbedingt noch schaffen. Von ehemals 800 Menschen sind
inzwischen noch 116 dort inhaftiert. Aber kein Land will diese Leute
nehmen. Wir versuchen ja, diese Leute irgendwo unterzubringen.
Die Obama-Jahre, eine positive Bilanz?
Ich weiß, dass viele Deutsche sehr enttäuscht von der Obama-Regierung sind.
Das mag die Folge von Erwartungen an den Außenseiter gewesen sein. Aber
wenn man sich die Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit ansieht, könnte
sich dieses Gefühl der Enttäuschung doch langsam etwas legen. Denken sie an
Kuba oder die Veränderungen bei der Einwanderung. Auch die veränderte
Klimapolitik ist ein weiteres Vermächtnis. Was er alles tun konnte, um die
Luftqualität dramatisch zu verbessern oder sehr hohe Standards einzuführen
für die Auto-Industrie, die Kohle-Industrie. Dazu die massive Ausweitung
von Ozean-Gebieten als Naturschutzgebiete.
Hat er auch große Fehler gemacht?
Ich bin nicht derjenige, der seine Fehler aufzählt. Ich bin sein
Repräsentant.
Wird Obama der letzte schwarze Präsident gewesen sein?
Absolut nicht. Wir haben einige sehr talentierte – die Demokratische Partei
fördert sie sehr stark und ich bin sicher, dass auch Afro-Amerikaner bei
den Republikanern Karriere machen werden.
Welchen der republikanischen Kandidaten würden Sie am liebsten im Weißen
Haus sehen?
Da halte ich mich in meiner Position besser raus.
Und wann wird Michelle kandidieren?
Daran ist sie wirklich überhaupt nicht interessiert.
6 Jul 2015
## LINKS
[1] /Neues-von-der-NSA/!5209153
[2] /US-Praesident-haelt-Trauerrede-in-Charleston/!5207379
[3] /Rassismus-in-den-Suedstaaten/!5208163
## AUTOREN
Ines Pohl
Rieke Havertz
## TAGS
USA
Barack Obama
NSA
US-Botschafter
Deutschland
Lesestück Interview
USA
USA
Guantanamo
Hillary Clinton
Spionage
USA
Schwerpunkt Rassismus
Kuba
Scott Walker
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Rassismus
NSA
NSA-Affäre
Schwerpunkt Rassismus
USA
USA
Schwerpunkt Rassismus
Hillary Clinton
## ARTIKEL ZUM THEMA
US-Botschafter über USA und Deutschland: „Geschichte verläuft in Zickzack-F…
Viele US-Amerikaner haben nach der Trump-Wahl davon gesprochen, nach
Deutschland auszuwandern. US- Botschafter John Emerson kehrt zurück in
seine Heimat.
Illegale Einwanderer in den USA: Einen Dollar für 19 Liter Tomaten
Antonio arbeitet illegal als Erntehelfer. Joe Del Bosque ist Farmer. Beide
sagen: Migranten werden gebraucht. Doch viele Republikaner sehen das
anders.
Verteidigungsetat in den USA: Obama unterschreibt
Der US-Präsident ist „tief enttäuscht“, dass die Schließung des
Gefangenenlagers Guantanamo erschwert wird. Dennoch bringt er den
Verteidigungsetat auf den Weg.
Ende von Guantánamo in den USA?: Obamas letzte Heldentat
Das Pentagon treibt die Schließung des Gefangenenlagers voran. Vier
Gefängnisse in Colorado werden als Unterbringung für die Häftlinge geprüft.
Exklusive neue E-Mails: Hillary Clinton fragt
Skandale? Eher finden sich in den neu veröffentlichten E-Mails von Clinton
Banalitäten. Der taz wurden noch weitere zugespielt.
Neue Snowden-Enthüllungen: AT&T half der NSA gern
Die NSA hatte offenbar einen mächtigen Partner. Ein großer
US-Telekommunikationskonzern soll massenhaft Daten für den Geheimdienst
gesammelt haben.
US-Präsident kündigt neue Klimaziele an: Obama contra Kohle
Barack Obama will sich als Klima-Vorkämpfer profilieren und kündigt
strengere Vorgaben für Kraftwerke an. Die Republikaner sind natürlich
dagegen.
Anschlag auf Kirche in Charleston: Täter will sich schuldig bekennen
Dylann Roof tötete im Juni neun Menschen in einer Kirche in South Carolina
– und will das vor Gericht einräumen. Ob ihm die Todesstrafe droht, ist
noch offen.
Clintons legen Finanzen offen: Die ein oder andere Million
Zwischen 2007 und 2014 ging was für Bill und Hillary Clinton. Sie
verdienten Millionen, wie sie jetzt offenlegen. Und fit ist Clinton, die
US-Präsidentin werden will, auch.
US-kubanische Beziehungen: Kubas Flagge weht über Washington
Die kubanische Botschaft in Washington öffnet wieder. Ein weiterer Schritt,
die Beziehungen der Länder zu normalisieren. Nicht allen passt das.
Präsidentschaftskandidaten in den USA: Wer hat noch nicht, wer will noch mal
Bei den Republikanern wollen so einige gerne ins Weiße Haus. Nun hat Scott
Walker, Gouverneur in Wisconsin, seine Kandidatur offiziell gemacht.
Selbstmordanschlag in Afghanistan: Attentäter tötet 26 Menschen
Nahe einer US-Militärbasis hat ein Selbstmordattentäter mindestens 26
Zivilisten mit in den Tod gerissen. Noch hat sich niemand zu dem Anschlag
bekannt.
Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA: Tod nach Pfefferspray-Attacke
In Alabama wollte sich ein Mann keine Handschellen anlegen lassen,
flüchtete, die Polizei setzte Pfefferspray ein. Danach brach der 35-Jährige
zusammen und war tot.
Kommentar Wikileaks-Enthüllungen: Danke, NSA
Der US-Geheimdienst hat das Kanzleramt schon in der Ära Kohl bespitzelt.
Gut so: Alles andere wäre grob fahrlässig gewesen.
Neue Wikileaks-Dokumente zur NSA: Kanzleramt über Jahre ausspioniert
Der US-Geheimdienst bespitzelt das Kanzleramt offenbar schon seit
Jahrzehnten. Neue Dokumente zeigen: Schon Mitarbeiter von Schröder und Kohl
waren Ziele.
US-Präsident hält Trauerrede in Charleston: Dann singt Obama „Amazing Grace…
Klare Worte: Barack Obama spricht in Charleston über Rassismus, Gnade und
Vergebung. Es war eine der bewegendsten Reden seiner Amtszeit.
Entscheid des Obersten US-Gerichts: Ehe für alle in allen Bundesstaaten
Das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe verstößt gegen die Verfassung der
USA, urteilte der Supreme Court. Eine historische Entscheidung.
Gesundheitsreform der USA vor Gericht: Erfolg für Obamacare
Heftige Lagerkämpfe begleiten Präsident Obamas Herzensprojekt von Anfang
an. Jetzt entschied das Oberste Gericht erneut zugunsten der Reform.
Kommentar Konsequenzen aus Charleston: Kosmetik hilft nicht
Auf Bedrohungen von außen reagieren die USA entschlossen. Sich seinen
inneren Problemen zu stellen, scheint das Land nicht fähig zu sein.
Politologe über US-Wahlkampf: „Gegen Bush ist Clinton im Vorteil“
Jeb Bush will als dritter Bush ins Weiße Haus. Stanford-Professor David
Brady über Hillary Clinton, den Kampf bei den Republikanern und
Herzensbrecher Obama.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.