# taz.de -- Debatte Kalter Krieg: Ernsthafte Eskalation | |
> Der Kalte Krieg zwischen Russland und den USA geht in eine neue heiße | |
> Phase. Deutschland muss viel stärker vermitteln als bisher. | |
Bild: Die Nato-Speerspitze wird verlegt. Ein Ende des Einsatzes wäre wünschen… | |
Die jüngsten Aufrüstungsverlautbarungen aus Washington und Moskau sind mehr | |
als nur Säbelrasseln: Ja, man muss sich Sorgen machen. Zwar ist der Plan | |
des Pentagons, schwere Waffen für bis zu 5.000 US-Soldaten in die drei | |
baltischen Nato-Staaten zu verlegen, noch nicht von Präsident Obama | |
abgesegnet. Und die 40 neuen atomaren Interkontinentalraketen, deren | |
Stationierung Wladimir Putin in Reaktion darauf öffentlichkeitswirksam | |
ankündigte, sind Teil eines schon längst angelaufenen Programms zur | |
„Modernisierung“ von Moskaus Atomwaffenarsenal. | |
Dennoch wurde jetzt ein weiterer Schritt in der gefährlichen | |
Eskalationsdynamik im Bereich der konventionellen wie atomaren Rüstung | |
getan. Die begann bereits 2001 – also lange vor dem Ukrainekonflikt. Damals | |
kündigten die USA den ABM-Vertrag mit Russland zur Begrenzung von | |
Raketenabwehrsystemen einseitig auf. | |
Es folgten die von Moskau als Bedrohung empfundenen Beschlüsse von USA und | |
Nato zur Errichtung von Raketenabwehrstellungen in Osteuropa. Inzwischen | |
stellen die USA ebenso wie Russland zunehmend auch das INF-Abkommen von | |
1987 zum Verbot atomarer Mittelstreckenraketen in Frage. Denn dieses steht | |
den auf beiden Seiten angelaufenen und als „Modernisierung“ oder „Maßnah… | |
zur Lebenszeitverlängerung“ verharmlosten Programmen zur Entwicklung und | |
Stationierung neuer Atomwaffen im Wege. Diese werden in den nächsten 20 | |
Jahren Hunderte Milliarden Dollar und Rubel verschlingen. | |
Neben dem INF-Vertrag gibt es noch einen zweiten Grundpfeiler für den | |
Frieden zwischen Ost und West: das 1990 vereinbarte KSE-Abkommen zur | |
Begrenzung konventioneller Waffen in Europa. Doch Russland suspendierte es | |
im März, nachdem die USA 3.000 US-Soldaten und mehrere hundert Kampfpanzer | |
ins Baltikum verlegt hatten. Mit dieser Maßnahme reagierte Washington | |
wiederum auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Moskau und auf | |
Russlands hybride Kriegsführung in der Ostukraine. | |
## Deeskalation einleiten | |
Der Rückfall in den Kalten Krieg und in einen Rüstungswettlauf mit | |
zunehmendem Risiko eines heißen Krieges lässt sich nur beenden, wenn der | |
Konflikt in der Ukraine überwunden oder zumindest deeskaliert wird. Dafür | |
bleibt nicht mehr viel Zeit angesichts des bevorstehenden US-Wahlkampfes, | |
in dem die Republikaner und entsprechend auch Hillary Clinton und andere | |
potenzielle KandidatInnen der Demokraten auf eine noch schärfere Gangart | |
gegenüber Moskau und auf eine Eskalation des Ukrainekonflikts durch | |
Waffenlieferungen an die Regierung in Kiew setzen werden. | |
Daher bleibt nur die Nato und auch Deutschland; es ist an ihnen, die | |
Deeskalation einzuleiten, damit Putin ohne Gesichtsverlust nachziehen kann. | |
Für den russische Präsidenten ist die Deeskalation schwieriger als für die | |
Nato, denn die Russen heißen seine eskalierende Ukrainepolitik mehrheitlich | |
gut. Die Nato hingegen hat viel größeren Spielraum. Ein erster wichtiger | |
Deeskalationsschritt wäre daher ein eindeutiger Beschluss der Nato-Staaten, | |
dass eine Aufnahme der Ukraine in die Militärallianz nicht geplant ist. | |
Das setzt allerdings die Einsicht voraus, dass die Politik der Nato | |
gegenüber Russland sowie die EU-Politik gegenüber Kiew seit 2005 wesentlich | |
zur Entstehung des Ukrainekonflikts beigetragen haben. Doch eine solche | |
Selbstkritik ist – zumindest öffentlich – bislang selbst bei jenen | |
westlichen Politikern nicht erkennbar, die sich wie Bundesaußenminister | |
Steinmeier stets um Vermittlung bemühten und das Gespräch mit Moskau nicht | |
abreißen lassen wollen. Leider werden Steinmeiers wertvolle Bemühungen | |
durch seine schneidige Kabinettskollegin von der Leyen konterkariert. Vor | |
zwei Tagen stellte sie sich an die Spitze der gegen Russland gerichteten | |
Manöver der Nato in Polen und heißt überflüssigerweise auch die | |
eskalierenden Pläne des Pentagons gut. | |
22 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
## TAGS | |
Kalter Krieg | |
Russland | |
USA | |
Aufrüstung | |
Nato | |
Russland | |
Lesestück Meinung und Analyse | |
Barack Obama | |
Steven Spielberg | |
Nordkorea | |
taz на русском языке | |
Amerika | |
Nato | |
Russland | |
Schwere Waffen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
USA wollen Atomwaffenvertrag kündigen: Rückschritt um 30 Jahre | |
Trump wirft Russland einen Verstoß gegen das INF-Abkommen vor. Der Streit | |
über die atomare Abrüstung brodelt seit Jahren. | |
Aus Le Monde diplomatique: Rüsten wie im Kalten Krieg | |
Was passiert, wenn Trump Putin nicht mehr für seinen Freund hält? | |
Atomsprengköpfe gibt es viele und im Pentagon sitzt das Geld locker. | |
Nukleargipfel in Washington: Ferne Vision atomwaffenfreier Welt | |
Das Treffen wird dominiert von der Sorge über eine atomare Bewaffnung von | |
Terroristen. Staatliche Arsenale sind kein großes Thema. | |
Geschichtsdrama „Bridge of Spies“: Die Vorzüge amerikanischer Tugenden | |
Showdown auf der Glienicker Brücke: In „Bridge of Spies“ erweckt Steven | |
Spielberg einen Agentenaustausch aus dem Jahr 1961 zum Leben. | |
Doku nordkoreanische DDR-Familien: Eine Fußnote des kalten Kriegs | |
Die Filmemacherin Sung-Hyung Cho erzählt in „Verliebt, verlobt, verloren“ | |
von Familien, die zwischen Nordkorea und der DDR zerrissen wurden. | |
Vierer-Gespräch in Paris über Ostukraine: Schnelle Deeskalation gefordert | |
Die Außenminister sind sich einig: Das Abkommen von Minsk muss eingehalten | |
werden. Sergej Lawrow spricht von „Mächten, die den Prozess zerstören | |
wollen“. | |
Konflikt in der Ukraine: USA verlegen Waffen nach Osteuropa | |
Amerika schickt Panzer und Artillerie in osteuropäische Nato-Staaten. | |
Russland will als Reaktion sein Atomwaffenarsenal ausbauen. | |
Neues Wettrüsten befürchet: Säbelrasseln in Ost und West | |
Die USA erhöhen die Nato-Präsenz in Osteuropa, Russland reagiert mit Ausbau | |
seines Atomwaffenarsenals. Experten warnen vor Wettrüsten. | |
Aufrüstung in Russland: Putin stockt Atomraketen-Arsenal auf | |
In der Auseinandersetzung mit der Nato hat Russland ein Zeichen gesetzt. | |
Mehr als 40 neue Atom-Interkontinental-Raketen werden angeschafft. | |
Vorschlag aus dem Pentagon: USA wollen Osteuropa aufrüsten | |
Zum ersten Mal seit Ende des Kalten Krieges erwägt das Pentagon, | |
Militärgerät für bis zu 5.000 Soldaten in Osteuropa zu stationieren. Grund | |
sei die Ukraine-Krise. |