| # taz.de -- Vorrundenanalyse Fußball-WM 2015: Bloß weg aus Winnipeg | |
| > Das DFB-Team hat seine Vorrundengruppe gewonnen. Doch in der Mannschaft | |
| > erheben sich mahnende Stimmen. Warum eigentlich? | |
| Bild: Suche nach Orientierung: Dzsenifer Marozsan (links) in einem Vorbereitung… | |
| Winnipeg taz | Mit dem Charme eines Eisschranks gewinnt man keine Herzen. | |
| Als Eisschrank gewinnt man aber auch nicht unbedingt ein Fußballspiel gegen | |
| einen starken Gegner. Eiskalt wurde einem beim Anblick der deutschen | |
| Spielerinnen, noch bevor das letzte Gruppenspiel gegen Thailand überhaupt | |
| begonnen hatte. | |
| Bei den sowieso schon recht kühlen 19 Grad im Stadion von Winnipeg fing die | |
| Kamera die eingefrorene Gesichterreihe der Deutschen ein, die auf der Rampe | |
| darauf warteten, aufs Feld laufen zu dürfen. | |
| Während die Thailänderinnen mit den obligatorischen Kindern an den Händen | |
| witzelten und lachten, offenbarten die Deutschen, dass man hier nicht zum | |
| Scherzen hergekommen war. Was man als Ausdruck hochkonzentrierter und | |
| fokussierter Verfassung hätte deuten können, war, das zeigte der | |
| Spielverlauf, allergrößte Anspannung. | |
| Deutschland ist ein Angstgegner. Aber offenbar haben sie vor sich selbst | |
| genauso viel Angst wie ihre Gegner. Das Team von Silvia Neid hat bei dieser | |
| Weltmeisterschaft mit dem 10:0-Sieg gegen die Elfenbeinküste und der | |
| atemberaubenden ersten Halbzeit gegen Norwegen den Eindruck absoluter | |
| Dominanz hinterlassen. | |
| ## Kalte Effizienz einer hochtourigen Maschine | |
| Die Winnipeg Free Press hatte seine Leser vor dem Spiel gegen Thailand | |
| sogar in der Titelzeile gewarnt: „Es könnte hässlich werden“. Das Bild des | |
| Weltranglistenersten in Kanada ist das einer gnadenlosen und unaufhaltsamen | |
| Maschine. Dabei kann diese Maschine durchaus Spaß machen. Im Spiel gegen | |
| die Elfenbeinküste und, wie gesagt, in der ersten Halbzeit gegen Norwegen | |
| waren es nicht nur die kalte Effizienz einer hochtourigen Maschine, sondern | |
| auch die große Spielfreude, die bei aller Härte des Pressings zu sehen war. | |
| Die Deutschen zählen technisch zu den besten, wahrscheinlich sind sie in | |
| dieser Hinsicht sogar das allerbeste Team dieser Weltmeisterschaft. So | |
| wurde der komplette Kontrollverlust in der zweiten Hälfte gegen Norwegen | |
| von den meisten Kommentatoren und selbst von Nadine Angerer als | |
| „unerklärlich“ gewertet. | |
| Nach dem Spiel gegen Thailand bestätigt sich allerdings der Eindruck, dass | |
| die Deutschen sehr schnell zu verunsichern sind. Fällt ein Tor, wuselt man | |
| ihnen um die Beine herum. Spielen sie in neuer Zusammensetzung, zerfällt | |
| jede Ordnung, jede Konzentration und jedes Vertrauen in die eigenen | |
| Stärken. „Wir haben es verpasst, Selbstbewusstsein zu zeigen“, sagte | |
| Melanie Leupolz nach dem Spiel. „Wir müssen schneller nach vorne spielen. | |
| Das hat alles viel zu lang gedauert. Die Konzentration ist das A und O im | |
| Abschluss. Wenn man die nicht hat, macht man keine Tore.“ | |
| Dass die Deutschen vier Tore schossen und damit als Gruppenerster im | |
| Achtelfinale stehen, lag weniger an ihrer Kunstfertigkeit, sondern an den | |
| zwei Köpfe kleineren Thailänderinnen. Selbst Silvia Neid wurde eindeutig: | |
| „Wenn wir gegen stärkere Gegner spielen, hat man keine zehn Chancen, da | |
| musst du aus drei oder vier deine Tore machen. Diese Kaltschnäuzigkeit muss | |
| vorhanden sein, sonst muss man nach Hause fahren.“ | |
| ## Ansammlung von Individualisten | |
| Was die Deutschen von der Mittellinie her aufbauen, können sie oft nicht | |
| konsequent bis zum Strafraum durchhalten. Anstatt weiter zu kombinieren, | |
| hauen die Stürmerinnen Sasic, Maroszan oder Behringer hektisch, nervös und | |
| unkonzentriert den Ball durch die Mitte. Mal geht er dann eben direkt auf | |
| den Körper, mal geht er krass neben oder über das Tor. | |
| So elegant und gekonnt sie sich die Bälle und Räume erobern – es hilft | |
| ihnen nichts, wenn sie sich vorne nicht als Team, sondern als Ansammlung | |
| von Individualisten verhalten. Die technisch eleganteste und | |
| hochtalentierte Dzsenifer Marozsan könnte am Ende von der großen Hoffnung | |
| zum richtigen Problem in der DFB-Elf werden. Die Debütantin bei dieser | |
| Weltmeisterschaft will so unbedingt ein Tor, dass sie vergisst, | |
| nachzudenken, wie sie das am besten hinkriegt. | |
| An Chancen mangelt es nicht. Immer wieder aus dem Mittelfeld nach vorne | |
| stoßend, erspielt sie sich die in großer Zahl. Aber nicht nur, dass sie | |
| jeden Schuss aufs Tor versemmelt. Sie verhindert mit ihren viel zu frühen, | |
| viel zu hektischen Distanzschüssen, dass ein Kombinationsspiel vor dem | |
| Strafraum überhaupt zustande kommt. | |
| Vielleicht war es von Bundestrainerin Silvia Neid aber auch ein taktisch | |
| ganz guter Schachzug, im Spiel gegen Thailand die Jüngeren spielen zu | |
| lassen. Auch wenn das alles am Anfang hölzern, unbeholfen und dilettantisch | |
| wirkte. Nach der Auswechslung von Sasic und Marozsan lief das Spiel runder. | |
| Die WM-Debütantin Lena Petermann köpfte gegen die kleinen Thailänderinnen | |
| problemlos zwei Tore innerhalb von drei Minuten in den Kasten. Und auch die | |
| junge Sara Daebritz legte später so kaltschnäuzig nach, wie sich die | |
| Trainerin das wohl wünscht. | |
| „Das war Standfußball. So können wir nicht nochmal auftreten. Die | |
| Leidenschaft und Einsatzbereitschaft, die uns ausmacht, hat gefehlt“, | |
| kommentierte derweil Nadine Angerer das Spiel und kündigte an, dass der | |
| Ältestenrat sich zusammensetzen würde. Ob es aber tatsächlich nur die | |
| Jüngeren sind, die noch nicht so richtig warm gelaufen sind? Sicher hat | |
| Silvia Neid recht, wenn sie sagt. „Alles, was war, ist jetzt egal. Wir sind | |
| im Achtelfinale. Jetzt fängt das Turnier erst richtig an.“ Wenn dem Gegner | |
| im Achtelfinale kalt werden soll, müssen die Deutschen allerdings schneller | |
| wieder auftauen. | |
| 16 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Doris Akrap | |
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