Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ehemalige Fußballerin über WM 2015: „Da bin ich fassungslos“
> Tanja Walther-Ahrens über mangelnde Sensibilität und darüber, warum diese
> WM keine Werbung für den Frauenfußball sein muss.
Bild: Eine Männer-WM auf Kunstrasen? Nie
taz: Frau Walther-Ahrens, haben Sie bislang schon viel von der WM in Kanada
gesehen?
Tanja Walther-Ahrens: Ich habe jeden Abend mehr oder weniger aufmerksam ein
Spiel geguckt. Ich bin aber eher leidenschaftliche Spielerin als Guckerin.
Für mich wird’s erst spannend, wenn’s um was geht, und dieses Vorgeplänkel
interessiert mich nicht so.
Ist die WM in Kanada bislang Werbung für den Frauenfußball?
Nein, aber ich verstehe auch nicht, warum sie das sein muss. Frauenfußball
muss immer für sich werben, Männerfußball muss das komischerweise nicht.
Reporter und Reporterinnen benutzen diese Floskel „Werbung für den
Frauenfußball“ immer gern. Wenn ich mit Freundinnen gemeinsam Spiele
schaue, wetten wir immer schon, wann dieser Spruch kommt. Wofür soll ich
denn da werben? Dafür, dass es ein geniales Spiel ist und Spaß macht?
Sie sagen aber auch, der Frauenfußball sei nach wie vor marginalisiert, da
ist ein bisschen Werbung doch nicht schlecht.
Das hat aber nichts mit guten oder schlechten Spielen im Fernsehen zu tun –
es gibt ja genauso viele Männerspiele im Fernsehen, die furchtbar schlecht
sind.
Die qualitativen Unterschiede bei der Frauen-WM sind extrem groß. Das macht
die Spiele teilweise sehr langweilig.
Das ist natürlich auch historisch bedingt. Ich weiß nicht, seit wann Frauen
zum Beispiel in der Elfenbeinküste Fußball spielen – dass es ein völlig
anderes Level ist, ist klar. Männerfußball spielt man halt überall schon
seit 150 Jahren. Im Frauenfußball gibt es viele Länder, in denen die
Entwicklung gerade erst anfängt. Wenn man dann noch Länder dabei hat, in
denen Frauen in anderen Bereichen der Gesellschaft hinterherhinken, haben
sie es natürlich auch viel schwerer, überhaupt Fußball spielen zu können.
Selbst hier sind wir noch nicht auf einem idealen Level, was die Förderung
von Frauen- und Mädchenfußball angeht.
Sie sind kürzlich als einzige Frau im Präsidium des Berliner
Fußball-Verbands (BFV) nach eineinhalb Jahren zurückgetreten. Warum?
Ich war nicht mehr bereit dazu, immer dieselben Dinge zu sagen und immer
auf dieselben Reaktionen zu treffen. Ich war einfach müde.
Das hört sich resignativ an.
Ja, was mich betrifft, ist das auch so gemeint. Aber es liegt auch daran,
dass ich so lange in diesen Strukturen war – erst beim DFB und dann beim
BFV. Ich denke, es müssen neue und jüngere Frauen ran. Die können mit
Sicherheit noch was bewegen.
Welche Reaktionen haben Sie denn im Verband gestört?
Wenn ich gesagt habe, lasst uns doch bitte von „Spielerinnen und Spielern“
sprechen und auf gendergerechte Sprache achten, dann war das, als pikse ich
in ein Bienennest. Im Journalismus finde ich es ganz schlimm, wenn da nicht
drauf geachtet wird – selbst die, die Profis sein sollten, verstehen nicht,
wie wichtig es ist, auf die Wortwahl zu achten! Es geht da um ein
generelles Bewusstsein. Das ist oft nicht vorhanden. Wenn ich auf der
Amateurfußball-Plattformen meine Spielberichte ausfülle, dann finde ich da
nur „Trainer“, „Betreuer“ und „Torjäger“ – all das aber sind wir…
Immerhin gibt es „Spielerinnen“.
Was passierte denn, wenn Sie das angesprochen haben?
Ein Beispiel: Ich habe etwa kritisiert, dass beim Neujahrsempfang des BFV
so wenig Frauen waren. Dann hieß es: Wir haben doch eine Handvoll
eingeladen – die kommen aber nicht. Da frage ich mich, warum nur wenige
eingeladen werden und vor allem: Warum kommen die nicht? Diese Fragen
stellen sich die Männer aber nicht. Wenn es um Kurse für
Schiedsrichterinnen oder Trainerinnen geht, ist es ähnlich: Ich glaube
nicht, dass Frauen kein Interesse haben, aber die haben keine Lust, sich
mit diesen Strukturen auseinanderzusetzen.
Mit welchen?
So wie Fußball organisiert ist, ist er auf jeden Fall immer noch sehr weiß,
sehr männlich und in der Altersstruktur auch eher alt als jung.
Lässt sich das auf alle Verbände übertragen?
Das ist kein berlinspezifisches Problem. Und wenn Frauen in den Verbänden
arbeiten, sind sie meist für den Frauen- und Mädchenfußball zuständig, auch
darüber könnte man nachdenken. Wenigstens eine Frau zu haben – beim DFB ist
das Hannelore Ratzeburg im Präsidium – ist dann immerhin politisch korrekt.
Wären denn für die leitenden Funktionen genug Frauen da?
Es könnten mit Sicherheit noch mehr Frauen sein. Und in Relation gesehen
gibt es auch nicht so viele Frauen wie Männer, die infrage kommen. Aber
dann muss man sich fragen, warum das so ist. Ich wurde auch manchmal schräg
angeguckt, wenn ich zwischen lauter Männern auf Fortbildungen oder in
Seminaren saß. Das ist eine unangenehme Erfahrung. Da musst du manchmal ein
dickes Fell haben, und das hat nicht jede.
Der Frauenfußball wächst – über eine Million Mädchen und Frauen sind in
Vereinen organisiert. Sorgt das für mehr Gleichberechtigung?
In wenigen Vereinen ist er sicher gleichberechtigt. Oder aber man bewegt
sich außerhalb der Männerfußballstrukturen wie in Frankfurt oder Potsdam.
Vielleicht bräuchte es auch Menschen, die sagen: Wir gründen jetzt einen
eigenen Verband für Frauenfußball. Was die Ungleichbehandlung angeht,
könnte man da sicher auch noch weiter wissenschaftlich forschen, warum das
jetzt alles so ist, wie es ist – und was das Beste für den Frauenfußball
ist. Bei Klubs wie Bayern oder Wolfsburg, die viel in die Frauenabteilungen
investieren, ist auch immer die Frage: Wie ernst meinen die das?
Nimmt man den Frauenfußball denn zunehmend ernst in Deutschland?
Na ja, man kann ja mal die beiden Champions-League-Finals in Berlin
miteinander vergleichen.
Zwei Welten.
Eher zwei Universen. Es wird geringe Wertschätzung gegenüber dem
Frauenfußball deutlich. Beim Champions-League-Finale ließ sich über die
Wahl des Stadions streiten. Warum nicht im Olympiastadion? Mit der
richtigen Werbung und dem richtigen Spektakel drum herum wären sicher genug
Zuschauer gekommen. Das hat man doch bei der WM 2011 gesehen.
… die nicht die erhofften Folgen gehabt hat?
Es scheint nicht so. Insgesamt finde ich es immer noch unglaublich, wie
viele Dinge im Frauenfußball immer noch so sind wie in den siebziger
Jahren, als ich angefangen habe zu spielen.
Zum Beispiel?
Dass immer noch Mädchen kommen und sagen: Mein Onkel oder mein Opa oder
meine Tante hat gesagt, ich soll kein Fußball spielen, das ist doch was für
Jungs. Oder dass die guten Plätze in den Vereinen immer noch für die Männer
oder vielleicht die A-Jugend reserviert sind und nicht für uns Frauen, weil
wir den ja kaputtmachen … was ich schon damals nicht verstanden habe, weil
ich doch viel kleiner und leichter bin als die Männer (lacht).
Zum Glück gibt es in Kanada diesen robusten Kunstrasen, den können die
Frauen nicht so leicht kaputtmachen.
In meinen Augen ist das diskriminierend. Sicher gab es auch schon
Männerländerspiele auf Kunstrasen, oder in manchen Ländern mag es gang und
gäbe sein. Aber in einem Land wie Kanada würde es keine Männer-WM auf
Kunstrasen geben. Nie und nimmer.
Vor der WM wurde mit Geschlechtstests geprüft, ob die Spielerinnen auch
wirklich Spielerinnen sind – worauf Silvia Neid sehr gelassen reagiert hat.
Richtig so?
Vielleicht haben die keine Energie, sich über noch mehr aufzuregen. Dann
sagen sie sich: Das halt jetzt auch noch. Natürlich geht das nicht. Da bin
ich fassungslos.
Fehlt es an Widerstand?
Es wäre wichtig gewesen, dass der DFB sich geäußert hätte und gesagt hätte:
So nicht.
Interessiert Wolfgang Niersbach sich denn nicht für Frauenfußball?
Persönlich kenne ich ihn nicht. Für mich wirkt es aber so, als ob sein
Interesse am Frauen- und Mädchenfußball nicht sonderlich groß ist.
15 Jun 2015
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Frauen-Fußball-WM 2023
Fußball
Profi-Fußball
Frauenfußball
Kanada
Fußball-WM
Frauenfußball
Frauen-Fußball-WM 2023
Fußball
Fußball
Fußballweltmeisterschaft
Die Kriegsreporterin
Fußball-WM
Fifa
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Pressschlag: Geschlossenes System
Der Frauenfußball schmorte auch bei dieser WM im eigenen Saft. Viele
haben's sich in ihrem Kosmos bequem gemacht.
Kolumne Fußball im Eishockeyland: Im Mikrowellen-Reservat
In Montréal muss man ganz schön weit nach oben gehen, um zu merken, dass
man gar nicht in Frankreich ist.
Fußball-WM 2015 in Kanada: Der Plan geht auf
Fußball hat sich zum beliebtesten Frauenteamsport in England entwickelt.
Die WM wird medial so aufmerksam begleitet wie noch nie.
Vorrundenanalyse Fußball-WM 2015: Bloß weg aus Winnipeg
Das DFB-Team hat seine Vorrundengruppe gewonnen. Doch in der Mannschaft
erheben sich mahnende Stimmen. Warum eigentlich?
Titelverteidiger Japan bei der Fußball-WM: Geheimnisvolles Wechselspiel
Bislang kann sich noch niemand so recht einen Reim auf die Stärke der
Japanerinnen machen. Zumal Nationaltrainer Sasaki munter durchrotiert.
Vermarktung der Fußball-WM in Kanada: Sponsoren, Hype und Sexyness
Frauenfußball findet in einer Nische abseits des großen
Vermarktungsbusiness statt. Die deutschen Spielerinnen fühlen sich ganz
wohl dabei.
DFB-Teammanagerin über die WM: „Warum nicht Mädels sagen?“
DFB-Teammanagerin Doris Fitschen erklärt, warum sie übertriebenen
Feminismus „amüsant“ findet und immer schon Libero statt Libera gesagt hat.
Kolumne Die Kriegsreporterin: Die WM der Tittenträgerinnen
Die Fifa besteht auf dem Unterschied zwischen Fußball und Frauenfußball.
Frauen sind ja nur Behinderte mit Titten, die einem Ball nachstolpern.
Kolumne WM im Eishockeyland: „Deutschland?“ „Nein, Kanada“
Halbvoll ist die Sportsbar in Ottawa zum WM-Auftaktspiel. Nicht weil der
Gastgeber spielt – das Budweiser kostet heute nur 5 Dollar.
Die Streitfrage: Frauen-WM boykottieren?
Die Fifa steckt in einem Korruptionssumpf – und in Kanada startet die WM.
Ein Boykott könnte das richtige Zeichen sein.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.