Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Vermarktung der Fußball-WM in Kanada: Sponsoren, Hype und Sexyness
> Frauenfußball findet in einer Nische abseits des großen
> Vermarktungsbusiness statt. Die deutschen Spielerinnen fühlen sich ganz
> wohl dabei.
Bild: „Glaub an deine Träume“: Werbung und Frauenfußball fremdeln
Berlin taz | Es ist ein Spot, nichtssagend und grau. Die Commerzbank wirbt
mit den DFB-Spielerinnen und der Bundestrainerin. „Wir müssen alles geben,
alles wollen, dran bleiben und kämpfen“, sagt Silvia Neid in dem Spot. Die
Macher rühmen die Authentizität der Bilder. Es geht um ein kostenloses
Girokonto mit Zufriedenheitsgarantie.
Nationalmannschafts-Managerin Doris Fitschen sagt in einem
Making-of-Filmchen, dass das DFB-Team nicht sehr oft so große Werbedrehs
habe. Es klingt, als sei sie nicht richtig zufrieden mit der Vermarktung
der Mannschaft. Eigentlich sieht man in diesen Tagen der
Fußball-Weltmeisterschaft nur diesen einen Spot mit den Kickerinnen,
zumindest wirkt es so.
Die Sponsoren stehen nicht gerade Schlange, um Annike Krahn oder Simone
Laudehr zu Botschafterinnen ihrer Marken zu machen. Die Werbewirtschaft
schlachtet diese WM, die ihre Spiele meist tief in der deutschen Nacht vor
wenig Fernsehpublikum hat, nicht wirklich aus. Das war vor vier Jahren noch
ganz anders.
Die Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland sollte zum Testfeld werden. Wie
gut lassen sich Fußballerinnen vermarkten? Was ist alles möglich? Wie weit
kann man gehen mit Kampagnen, aufgemotzten Trailern und schicken Fotos? Ein
sexy Image sollte kreiert werden von jungen modernen Spielerinnen, die vor
allem in ein heterosexuelles Rollenmodell passen.
## Nackt im „Playboy“
Die Bundesligaspielerinnen Selina Wagner und Julia Simic, Annika Doppler,
Kristina Gessat und Ivana Rudelic ließen sich nackt im Playboy ablichten.
Der Focus jubelte daraufhin: „Dass die Fußball-Damen nicht bullig, sondern
anmutig, nicht unweiblich, sondern schön anzusehen sind“, dafür sei nun
endlich der Beweis auf Hochglanzpapier erbracht.
Es waren vor allem Marketingexperten, die der Öffentlichkeit mit dem
Holzhammer vermitteln wollten, dass auf dem Platz nicht nur Mannsweiber mit
Damenbart und Stoppelschnitt kickten. Entsprechend dämlich fielen die
Kampagnen dann auch aus. Das Kosmetikunternehmen Schwarzkopf steckte gleich
fünf Nationalspielerinnen in eng anliegende Abendkleider, zog ihnen
Stöckelschuhe an und schminkte sie grell. Das Ganze lief dann unter dem
einfältigen Kampagnen-Titel „La Olàlà 2011“, was immer das auch heißen
sollte. Unterzeile: „So schön können Fußballprofis sein.“
Simone Laudehr, eine eher herbe Person, sah nun aus wie ein Sternchen aus
der TV-Serie Sex and the City. Auf der Webseite von Schwarzkopf gab sie
Beauty-Tipps: „Öfter mal was Neues! Rot schimmernd statt mausgrau – darauf
fahre ich gerade total ab.“ Lena Goeßling, die auch im aktuellen WM-Kader
steht, verriet: „Gel im Haar liegt im Trend! Ich mag lockere Linien,
frische Farben und bloß nicht zu viel Styling-Stress.“
Logisch, dass auch Fatmire Bajramaj mitmischte im gestylten Quintett von
Schwarzkopf. Sie lief ohnehin Gefahr, zu einem Dummy für die Werbeindustrie
zu werden. Bajramaj drehte mit Nike einen aufwändigen Trailer: Liras
Manifest. Zu Elektrobeats dichtet eine Stimme aus dem Off: „Offiziell noch
illegal bis vor 40 Jahren / Aber dann haben wir gut vorgelegt / Auf immer
mehr Plätzen / Schließen uns zusammen auf der Straße, in Clubs und Netzen.“
Bajramaj kickt auf einem Bolzplatz, sie schminkt sich, steht auf High
Heels. Das volle Programm also.
## Körper als Zusatznutzen für Sponsoren
Die wenig originelle Botschaft: „Glaub an Deine Träume. Kämpfen, kämpfen,
kämpfen.“ Lange galt Bajramaj, die ihre Wurzeln im Kosovo hat, als ideale
Werbeträgerin im Frauenfußball. „Sponsoren schauen nicht nur auf das
Talent, sondern auf den Gesamteindruck“, sagt die Sportwissenschaftlerin
Christa Kleindienst-Cachay.
Die Kommunikationswissenschaftlerin Daniela Schaaf von der Deutschen
Sporthochschule in Köln weiß, dass „die Spielerinnen potenziellen Sponsoren
neben der sportlichen Leistung einen Zusatznutzen anbieten müssen, „der
oftmals in einem sexuell-attraktiven Körper besteht“.
Bajramaj sah gut aus. Sie war die Vorzeige-Hete. Doch ihre Leistungen
korrespondierten nie so recht mit dem Aufwand der Werbedrehs und dem Bohei
um ihre Person. Ihre Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Kanada musste
Bajramaj, die nach ihrer Heirat Alushi heißt, absagen. Sie ist schwanger.
Das macht schon mal eine Werbe-Ikone weniger, die jetzt in Ottawa oder
Winnipeg den Ball treibt.
Das ist aber anscheinend nicht weiter schlimm. Der Auswahl des DFB ist der
Hype im Jahre 2011 eh nicht gut bekommen. Man schied schon im Viertelfinale
gegen den späteren Weltmeister Japan aus. Das war ein bisschen peinlich,
hatte man doch überall im Land große Plakate aufgehängt mit den Botschaften
„Platz 3 ist was für Männer“ und „Jungs, wir rächen Euch!“
## Desaster und Marketing-Gau
Das bezog sich auf das Abschneiden von Jogi Löws Team, das sich bei der
Männer-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika nur die Bronzemedaille sichern
konnten. So endete die Frauen-WM 2011 in der Heimat nicht nur in einem
sportlichen Desaster, sondern auch in einem Marketing-Gau.
Die Spielerinnen brachen unter der Last der Erwartungen zusammen. Sie
konnten nicht sein, was sie sein sollten. Sie wollten es auch gar nicht.
Zumindest unbewusst sträubten sich die Spielerinnen gegen die aggressive
Art der Vermarktung. Im Viertelfinale streifte das Team dann diese Last ab
und richtete an die Adresse der Marketingmenschen und der Fans folgende
Botschaft: „Bei dieser Show machen wir nicht mehr mit.“
Damit war auch eine Rückkehr zu einem authentischen, ehrlicheren Selbstbild
möglich, denn in der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes spielen weniger
schillernde Sportlerinnen als häufig maulfaule, stoffelige und medienscheue
Athletinnen. Viele wollen nicht mehr aus sich machen, als sie sind. Sie
fanden die WM-Kampagne 2011 nicht echt, irgendwie fremdbestimmt.
Teilweise waren die Bemühungen der Firmen, die vom Rückenwnd der
Weltmeisterschaft profitieren wollten, auch einfach peinlich. Villeroy &
Boch schenkte den Spielerinnen nach dem gewonnenen Achtelfinale ein
Kaffeeservice. Man zitierte damit ein Ereignis aus dem Jahr 1989, als der
Europameister Deutschland ebenfalls ein Kaffeeservice als Siegprämie
erhielt, Modell Mariposa mit Blümchenmuster. 2011 verschenkte die Firma in
einem Akt postfeministischer Verwirrung reinweißes Porzellan der Serie „New
Wave“ – mit geschwungenen Formen.
## Der Rentner-Fan
Das Problem, ständig im Mittelpunkt zu stehen, haben sie jetzt beim
Championat in Kanada nicht. Der Frauenfußball versteckt sich im
Nachtprogramm, die deutschen Vorrunden-Spiele wurden zwar um 22 Uhr
gezeigt, aber diese Weltmeisterschaft ist weit entfernt davon, zum
Großevent zu werden.
Das hätte vor vier Jahren durchaus passieren können. Die Zuschauer waren
bereit, einer Randsportart beim Erwachsenwerden zuzuschauen. Das waren sie
auch schon 1989 während des Finales der Europameisterschaft.
Durchschnittlich 4,01 Millionen Zuschauer ab sechs Jahren schalteten damals
beim 4:3-Erfolg der Deutschen im Elfmeterschießen ein.
Immer, wenn die DFB-Elf zu einer günstigen Fernsehzeit spielt, sind die
Deutschen bereit. 10,48 Millionen Zuschauer verfolgten den Sieg der
deutschen Frauen über die Schwedinnen bei der Weltmeisterschaft 2003. Acht
Jahre später sahen insgesamt 38,93 Millionen Zuschauer mindestens ein Spiel
der Frauenfußball-Weltmeisterschaft in der ARD oder im ZDF.
Die größten Fans des Frauenfußballs sind übrigens Rentner über 65 aus dem
sogenannten konservativ-etablierten sowie dem traditionellen Milieu – wie
eine Studie zur „Zuschauerakzeptanz von Frauenfußball“ der ARD-Werbung
Sales & Services GmbH ergab. Dabei kam übrigens auch heraus, dass der
Anteil der Frauen, die Fußball gucken, bei einer Männer-Weltmeisterschaft
größer ist als bei einer Frauen-WM. Das solidarische Prinzip, es scheint im
Frauenfußball nicht richtig zu funktionieren.
16 Jun 2015
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Fußball
Kanada
Fußball-WM
Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
Silvia Neid
Fußballweltmeisterschaft
Spaß
Fußball
Frauenfußball
Frauen-Fußball-WM 2023
Frauen-Fußball-WM 2023
Fußballweltmeisterschaft
Die Kriegsreporterin
Célia Sasic
Fifa
## ARTIKEL ZUM THEMA
Veranstaltungen als neuer Facebook-Hype: „Meditatives Sacksniffen mit Jogi“
Seit gut zwei Wochen kursieren merkwürdige Veranstaltungen bei Facebook.
Ein Trend, den einige liken und andere melden.
Sponsoring beim Deutschen Fußball-Bund: Der Trikotagenwettstreit
Der DFB sucht ab 2018 einen neuen Ausrüster. Mit Adidas hat er ein enges
Geflecht geknüpft. Kommen nun auch andere zum Zuge?
Fußball-WM 2015 in Kanada: Der Plan geht auf
Fußball hat sich zum beliebtesten Frauenteamsport in England entwickelt.
Die WM wird medial so aufmerksam begleitet wie noch nie.
Vorrundenanalyse Fußball-WM 2015: Bloß weg aus Winnipeg
Das DFB-Team hat seine Vorrundengruppe gewonnen. Doch in der Mannschaft
erheben sich mahnende Stimmen. Warum eigentlich?
Ehemalige Fußballerin über WM 2015: „Da bin ich fassungslos“
Tanja Walther-Ahrens über mangelnde Sensibilität und darüber, warum diese
WM keine Werbung für den Frauenfußball sein muss.
DFB-Teammanagerin über die WM: „Warum nicht Mädels sagen?“
DFB-Teammanagerin Doris Fitschen erklärt, warum sie übertriebenen
Feminismus „amüsant“ findet und immer schon Libero statt Libera gesagt hat.
Kolumne Die Kriegsreporterin: Die WM der Tittenträgerinnen
Die Fifa besteht auf dem Unterschied zwischen Fußball und Frauenfußball.
Frauen sind ja nur Behinderte mit Titten, die einem Ball nachstolpern.
Kolumne B-Note: Célia Nochwas
Sie könnte zum Star dieser WM werden, doch die Gastgeber kennen nicht mal
ihren Namen. Frauenfußball hat noch immer zu kämpfen.
Die Streitfrage: Frauen-WM boykottieren?
Die Fifa steckt in einem Korruptionssumpf – und in Kanada startet die WM.
Ein Boykott könnte das richtige Zeichen sein.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.