# taz.de -- Der Jahresbericht von Sipri: „Ein besonders gewaltsames Jahr“ | |
> Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri zieht Bilanz: 2014 gab | |
> es so viele Kriege, wie seit 15 Jahren nicht mehr. Es wird wieder | |
> aufgerüstet. | |
Bild: Nach einem saudischen Luftangriff: ein Junge mit seinen Schwestern auf de… | |
STOCKHOLM taz | Die Welt sei weit entfernt von so etwas wie einer „globalen | |
Ordnung“, der positive Trend zu weniger Gewalt und effektiverem | |
Konfliktmanagement, den man ein Jahrzehnt lang habe beobachten können, sei | |
endgültig gebrochen. | |
2014 müsse als „besonders gewaltsames Jahr“ beschrieben werden: Nie seit | |
dem Jahr 2000 habe es mehr Kriege gegeben. So lautet die düstere Bilanz des | |
Internationalen Friedensforschungsinstituts SIPRI, das heute in Stockholm | |
die diesjährige Ausgabe seines Jahrbuchs veröffentlicht. | |
Und die Friedensforscher haben nicht viel Hoffnung, dass sich dieses Bild | |
2015 grundlegend ändern könnte. Was Europa angehe, sei die Annexion der | |
Krim durch Russland die grosse Herausforderung für die hier bestehende | |
Sicherheitsordung gewesen. Dieser Konflikt habe vermutlich nicht nur fast | |
5000 Menschenleben gekostet, sondern auch über eine halbe Million | |
Vertriebene verursacht. | |
Immerhin sei es aber durch diplomatische Anstrengungen gelungen, die Basis | |
für eine nachhaltige Lösung des Ukraine-Konflikts zu legen, selbst wenn | |
diese noch nicht wirklich in Sicht sei. Solch positive Perspektiven vermag | |
SIPRI für die bewaffneten Konflikte in Syrien und dem Irak nicht zu sehen. | |
## Gender-Politik gegen den Terror | |
Und die Friedensforscher bezweifeln auch, dass das von den USA geführte | |
militärische Engagement hier zu einer längerfristigen Lösung werde führen | |
können: „Wobei externe Akteure angesichts des staatlichen Kollaps im Irak, | |
Syrien und Libyen überhaupt immer mehr zögern, Verantwortung für die innere | |
Sicherheit anderer Staaten übernehmen zu wollen oder verunsichert sind, | |
welche Arten von Intervention eine konstruktive Rolle spielen können.“ | |
Ein Patentrezept hat SIPRI auch nicht. Doch erinnert man daran, dass Terror | |
wie von IS und Boko Haram ja nicht vom Himmel falle. Es gelte „fragile | |
Staaten“ und künftige Bedrohungen rechtzeitig zu identifizieren und | |
„geeignete Arten von Intervention vorzubereiten“: „Umgekehrt kann die | |
Identifizierung von Elementen, die Staaten robust machen, einen wichtigen | |
Beitrag zur Reduzierung der Gefahr von Staatsversagen liefern.“ | |
Ein solches Element sei beispielsweise Gender-Gleichheit. Staaten mit einem | |
hohen Mass an Gender-Gleichheit seien weit weniger anfällig für inner- und | |
zwischenstaatliche Konflikte oder verbreitete Menschenrechtsverletzungen, | |
als Staaten mit einem niedrigen Gleichheitsniveau: „Eine vor allem gegen | |
Frauen gerichtete Politik der sozialen Ausgrenzung macht Spannungen in der | |
Gesellschaft wahrscheinlich und kann als Vorbote für Kriege in und zwischen | |
Staaten dienen.“ | |
## Neue atomare Aufrüstung | |
Was Abrüstungsbemühungen angeht, konstatiert SIPRI ebenfalls einen | |
Trendbruch. Die Zeit sinkender Rüstungshaushalte gehe zu Ende. 2014 seien | |
diese nur noch marginal um 0,4 Prozent gesunken und dieser statistische | |
Rückgang sei im wesentlichen auf ein einziges Land zurückzuführen: Die | |
grösste Militärmacht USA, wo die 2011 vom Kongress beschlossenen | |
Ausgabenbremsen noch nachwirkten. Ansonsten stiegen diese Ausgaben nun | |
weltweit wieder an, mit besonderem Schwerpunkt in Afrika, dem Mittleren | |
Osten und Ostasien. | |
Ins Stocken geraten sei schliesslich auch das Bemühen um eine nukleare | |
Abrüstung. Die neun Atomwaffenstaaten – die USA, Russland, Grossbritannien, | |
Frankreich, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea – besässen | |
zusammen rund 15.850 nukleare Sprengköpfe. Ein Rückgang von rund 500 | |
gegenüber 2013, was aber nahezu ausschliesslich auf den von den USA und | |
Russland geschlossenen und noch bis 2020 gültigen „New START“-Abkommen von | |
2010 vereinbarten Reduzierungsmassnahmen beruhe. Doch verschrottet werde im | |
wesentlichen sowieso völlig veraltetes Material. | |
Betrachte man allein die Zahl der mit „hoher operationeller Bereitschaft“ | |
einsatzbereiten Atomwaffen, so sei diese 2014 gegenüber dem Vorjahr sogar | |
um rund 150 auf jetzt 4300 angewachsen. Gleichzeitig betrieben die | |
Atommächte – und hier ebenfalls speziell die USA und Russland – ein | |
„umfassendes und teures langfristiges Modernisierungsprogramm“. Und das | |
beweise, konstatiert SIPRI-Nuklearwaffenforscher Shannon Kile: „Dass trotz | |
eines wieder erwachten internationalen Interesses an einer Prioritierung | |
der nuklearen Abrüstung, keiner der Atomwaffenstaaten seine nuklearen | |
Arsenale in absehbarer Zeit aufgeben will.“ | |
15 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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